21. Februar 2025
«ESTHER HUNZIKER, STEFAN KARRER, ALFATIH. SCHWEIZER MEDIENKUNST – PAX ART AWARDS 2024»
Ausstellung im Haus der Elektronischen Künste (HEK), Münchenstein / Basel, bis am 27. April 2025

Bild: © Esther Hunziker, My Wearable Pets, 2023/24, AI-generated photo series, inkjet prints on alu-dibond, each 75×100 cm, courtesy of the artist
Die Ausstellung zeigt neue und bestehende Werke der Gewinner:innen der Pax Art Awards 2024 in drei parallel laufenden Einzelausstellungen. Den Hauptpreis erhielt die Basler Künstlerin Esther Hunziker. Zwei weitere Preise gingen an Stefan Karrer, ebenfalls aus Basel, wohnhaft in Wien und Alfatih, wohnhaft in der Westschweiz.
Die thematisch nicht zusammenhängenden Positionen verbindet eine Gemeinsamkeit, die bezeichnend ist für den aktuellen Zeitgeist künstlerischer Arbeit: Der Gebrauch von künstlich intelligenten Werkzeugen. Die drei gezeigten Kunstschaffenden teilen ihre Faszination für KI-Software Systeme und nutzen sie in ihren Arbeiten versiert und kritisch. Die neu entstandenen Arbeiten stellen die Fähigkeiten zu Poesie und Storytelling von KI auf die Probe und fühlen der Grenze zwischen Mensch- und Maschinengemachtem auf den Zahn.
Esther Hunziker
Unter dem Ausstellungstitel «Turn me on» bringt Esther Hunziker frühe Videoarbeiten aus den 1990er Jahren mit aktuellen Arbeiten, die durch text-to-image prompting in KI-Modellen entstanden sind, zusammen. Die Experimentierfreudigkeit mit einem neuen Medium bildet den Schulterschluss zwischen diesen beiden Werkkomplexen. Hunziker interessiert sich nach eigener Aussage für das Scheitern der Maschine, den Moment der Unvorhersehbarkeit und der Rohheit des Mediums. Beim Video ist dies der Glitch, die Verzerrung des Bildes. Bei der KI sind es die seltsamen Bildfindungen, die zwischen den Momenten der ständigen Optimierung zum Vorschein kommen, bevor sie wieder wegrationalisiert werden.
Als Auftakt begrüsst die grossformatige Videoprojektion «Copy» von 1994 die Besucher:innen. Entstanden ist dieses Selbstporträt durch eine extreme Verlangsamung des Gefilmten und die Sichtbarmachung der sonst unsichtbaren Zwischenbilder des Videos. Für die Fotoserie «My Wearable Pets» 2023/24 promptete Hunziker mit Begriffen wie «imperfect extraterrestrial soul», «misshaped organism», oder «uncanny body parts» die der KI anstatt stereotypischer Bilder aussergewöhnliche und unheimliche Kreaturen entlocken. Hunziker spielt in dieser Serie mit den unendlichen Variationen maschinengenerierter KI-Bilder, dem sogenannten «latent space». Dieser Begriff beschreibt den endlosen Raum der Möglichkeiten zu neuen Bildfindungen, der sich dank dieser Technologie bietet. Das Unbehagen um das Thema KI wird auch in der neuen Werkserie sprechender Stoffpuppen thematisiert. Die handgemachten Puppen tragen die KI-generierten Gesichter von einflussreichen Figuren der KI-Industrie wie Elon Musk, Sam Altman und Geoffrey Hinton. Werden sie am Bauch gedrückt, fangen sie an zu sprechen. Hunziker gibt der KI mit diesen Objekten einen Stellvertreter-Körper – einen analogen Avatar, der seine eigene Geschichte erzählt.
Esther Hunziker (*1969 in Basel, CH) hat Modedesign und Videokunst an der Fachklasse für audiovisuelle Gestaltung an der SfG HGK in Basel studiert. Seit 1996 arbeitet sie als freie Mediengestalterin und Künstlerin im Bereich digitale Medien. Ihre Arbeiten umfassen die Bereiche Video, Fotografie, Animation, Installation und interaktive Online-Arbeiten. Sie ist Dozentin am Institute Art Gender Nature an der FHNW. Sie wurde mit dem Basler Medienkunstpreis (2016, 2024) sowie Werkbeiträgen des Aargauer Kuratoriums (2018) ausgezeichnet. Sie erhielt Atelierstipendien in Berlin, Edinburgh und Helsinki sowie Projektbeiträge von Pro Helvetia und dem Kunstkredit Basel-Stadt.
Ihre Arbeiten wurden u.a. in der Pinakothek der Moderne (München), im HEK (Basel), im FRAC Alsace und auf dem Shenzhen New Media Art Festival gezeigt. Sie gewann den Swiss Award (2004) und Literatur.digital (2003).
Esther Hunziker erhielt den mit CHF 30’000 dotierten Hauptpreis der Pax Art Awards 2024.
Webseite: https://estherhunziker.net/

Bild: © Stefan Karrer, The Prompt Engineer, 2025, Studies
Stefan Karrer
Stefan Karrer verfügt über einen feinen Sinn für Poetik und Ironie, mit dem er die zeitgenössische digitale und Online-Kultur scharf kritisiert. Hinter den scheinbar banalen Bildern und Themen, die er untersucht, verbergen sich bedeutende gesellschaftliche Veränderungen, die durch aktuelle Medientechnologien geprägt sind. Durch Strategien der Aneignung und des experimentellen Schreibens untersucht Karrer die Macht der vernetzten Technologien, die Politik und Poetik des Internets und unseren Konsum von Online-Medien. Karrer thematisiert soziale und politische Fragen im Zusammenhang mit vernetzten Medien durch seine ironischen und witzigen, aber auch zarten und poetischen Transformationen des Ausgangsmaterials.
In dieser Ausstellung stellt Karrer seine neue Arbeit «The Prompt Engineer» vor. Dieser Werkkomplex ist eine Milieu-Studie der Diskussionskultur Chatforen wie Discord und Reddit zur Praxis des Prompten – der Produktion von Inhalten durch Sprachbefehle an eine KI. Prompten bedeutet die literarische Technik der Ekphrasis umzudrehen – also nicht das Bild zu beschreiben, sondern ein Bild nach einer Beschreibung zu generieren. Diese Kulturtechnik des Beschreibens wird als neue Programmiersprache gehandelt, da kreative Arbeit durch Prompten gezwungenermassen durch das Nadelöhr der Sprache gehen muss. Bei Karrer werden die Prompts zum poetischen Hypertext, zu skurrilen Bildfindungen und schliesslich zu konkreter Poesie. Er untersucht in dieser Arbeit den menschlichen Input in die KI-Software und wie Menschen mit KI und den sie umgebenden politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Systemen interagieren. Es entsteht ein Portrait des «AI Sommers» der vergangenen Jahre aus der Sicht der menschlichen Benutzer:innen.
Stefan Karrer (*1981 in Basel, CH) ist ein transdisziplinärer Künstler mit Sitz in Wien, Österreich. Seine Praxis konzentriert sich auf die Poetik und Politik der Internetkultur und reicht von experimentellem Schreiben und künstlerischer Forschung bis hin zu audiovisuellen Installationen und Konzerten. Er absolvierte seinen BA in Sound Arts und seinen MA in Contemporary Arts Practice an der Hochschule der Künste Bern.
Seine Arbeiten wurden u.a. bei Les Rencontres d’Arles, C/O Berlin, Centre Culturel Suisse (Paris), Kunstraum Niederösterreich (Wien), Fotomuseum Winterthur, Kunsthalle Basel, HEK (Haus der Elektronischen Künste, Basel) und vielen anderen Orten gezeigt. 2017 wurde er mit dem Basler Medienkunstpreis ausgezeichnet.
Stefan Karrer erhielt einen der Pax Art Awards 2024 für junge aufstrebende Künstler:innen im Wert von CHF 15’000.
Webseite: https://www.stefankarrer.net

Bild: Alfatih, A Way Out of Time, 2024, Pram, real-time video, variable duration, full-time gallery attendant. Centre d’Art Contemporain, Biennal de l’image en mouvement, Geneva, CH, US. Photography: Mathilda Olmi, courtesy of Centre d’Art contemporain Geneva
Alfatih
Als Künstler bleibt Alfatih ein Enigma – bewusst wird sehr wenig aus seiner Biografie preisgegeben, in der Öffentlichkeit tritt er als mit Perücken maskierte Figur auf. Umso mehr fasziniert sein vielseitiges Schaffen, das aus scheinbar alltäglichen Umgebungen und Requisiten des trivialen Lebens neue und überraschende Narrative schafft.
In «A Way Out of Time» (2024) steuern die Besuchenden diese Narrative wortwörtlich durch das Stossen eines viktorianischen Kinderwagens. Das darin abgespielte Video entfaltet sich in Echtzeit durch die Bewegung im Raum. Auf dem Bildschirm zu sehen ist eine KI generierte schwarz-weisse karge Landschaft. Eine ebenfalls von KI generierte Stimme erzählt eine zum Teil an die Biografie des Künstlers angelehnte, zum Teil fiktive Geschichte.
Der Kinderwagen passt zur Arbeit «A Day in the Life», ein in Auftrag gegebener CGI-Animationsfilm, der einen Tag im Leben eines «erwachsenen Babys» zeigt. In dieser Videoarbeit entfaltet sich eine 24-Stunden-Erzählung, die von KI geschrieben wurde, gesteuert durch Eingaben des Künstlers und vertont vom Musiker und Theoretiker Tapiwa Svosve. Während der Tag vergeht und das Baby erwachsene Rituale ausführt, die durch Zeitstempel markiert sind, und scheinbar die Zustimmung seiner Uhren sucht, sickert die stille Melancholie eines einsamen, repetitiven Lebens leise durch das Gefüge von Zeit und Sprache.
Alfatih (*1994, CH) hat interaktive, installative und Videoarbeiten in Institutionen und Räumen wie Kora Arts Center, Castrignano (IT); Musée cantonal des Beaux-Arts, Lausanne (CH); Fri Art Kunsthalle, Fribourg (CH); Swiss Institute, New York (US); Haus der Elektronischen Kunst, Basel (CH) und Swissnex, San Francisco (US) präsentiert. Er wurde mit dem Pro Helvetia Werkbeitrag (2023), dem Golden Award & Space Award (2019) und dem Preis der Fondation Casino Barrière de Montreux (2018) ausgezeichnet. Residenzen führten ihn u.a. zum KORA Contemporary Arts Center (2022) und zur ABA Residency in Berlin (2021–2022).
Alfatih erhielt einen der Pax Art Awards 2024 für junge aufstrebende Künstler:innen im Wert von CHF 15’000.
Webseite: https://alfatih.world/
Kuratorin: Marlene Wenger
Mehr:
https://cms.hek.ch/files/downloads/HEK_SMK_Medienmitteilung_2025-01-16-144005_qbcb.pdf
Kontakt:
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Kommentare von Daniel Leutenegger