5. Februar 2012
Internationale und interdisziplinäre Tagung «Über den Wert der Fotografie»
Wissenschaftliche Kriterien für die Bewahrung von Fotosammlungen. - Eine internationale und interdisziplinäre Tagung. Am 23. und 24. März 2012, Grossratsgebäude, Obere Vorstadt 10, 5001 Aarau
Bild oben: Ringier Bildarchiv 2011 © RBA/StAAG
Die Tagung richtet sich an alle Forschungsrichtungen, die sich mit Fotografie und der Archivierung, Erschliessung und Nutzung von Fotobeständen beschäftigen, und an Archiv-, Bibliotheks- und Museumsfachleute.
Durchführung:
Seminar für Kulturwissenschaft und Europäische Ethnologie der Universität Basel
Staatsarchiv des Kantons Aargau
Schweizerische Gesellschaft für Volkskunde (SGV)
Über den Wert der Fotografie
Wissenschaftliche Kriterien für die Bewahrung von Fotosammlungen
Die analoge Fotografie hat mit der digitalen Wende ausgedient, der Bestand an
analogen Aufnahmen wird zukünftig nur noch geringfügig wachsen. Damit ändert
sich der Blick auf die analoge Fotografie: Einerseits entledigen sich
Fotografen und insbesondere Firmen der platzintensiven Fotoarchive – was
digital nicht vorhanden ist, wird nicht mehr gebraucht. Andererseits erfährt
die analoge Fotografie eine grosse Aufmerksamkeit von Seiten der Sammler und
der an alten Aufnahmen interessierten Laien, aber auch der Forschung.
Museen, Bibliotheken und Archive, die den Grossteil der erhaltenen analogen Fotografien aufbewahren, stehen daher seit einiger Zeit vor einer grossen Herausforderung: Ihre Sammlungen wachsen stetig und teilweise exponentiell an. Und zugleich steigt die Nachfrage nach Digitalisierungen, um die Bilder besser zugänglich zu machen. Es ist die Aufgabe dieser Institutionen, die Fotografien in ihren unterschiedlichen Verwendungsweisen und Entstehungskontexten zu erhalten und der Wissenschaft und dem interessierten Publikum zugänglich zu machen.
Mit der massenhaften Produktion von Fotografien im 20. Jahrhundert ist
die Bewahrung und Erschliessung der Fotografie in ihrer gesamten Bandbreite zu
einer kostspieligen Aufgabe geworden, der in Zukunft nur über eine Bewertung
der Archivwürdigkeit beizukommen ist.
Es stellt sich daher die Frage, welche Fotografien archivwürdig und somit
erhaltenswert sind und welche nicht. Sie ist nicht einfach zu beantworten, da
die Fotografie nicht nur als ästhetisches Produkt erfasst werden darf, sondern
ebenso als Medium der Kommunikation und des Wissenstransfers zu gelten hat.
Die Bewertung von Fotografien ist ein komplexes Unternehmen und auch abhängig
von den Zielsetzungen und den Möglichkeiten der aufbewahrenden Institutionen,
die den Schwerpunkt oft entweder auf den dokumentarischen oder auf den
künstlerischästhetischen Aspekt legen. Zudem wirken sich konservatorische
Zwänge massgeblich auf die Kosten aus, weshalb die technischen Aspekte der
Bewertungsfrage nicht zu vernachlässigen sind.
Ziele der Veranstaltung
In den Bildagenturen ist die Triage und Kassation von Bildern Alltag; in
Museen, Bibliotheken und Archiven werden solche Massnahmen intern diskutiert
und teilweise umgesetzt, doch öffentlich ist die Bewertung von Fotografien ein «heisses Eisen». Die Forschenden würden am liebsten nichts und die Finanzchefs
am liebsten fast alles wegwerfen.
Ziel der Veranstaltung ist es, das Tabu der Bewertung von Fotografien
aufzubrechen und die Chancen und Risiken, Möglichkeiten und Grenzen der
Bildarchive auszuloten und zu diskutieren. Dabei stehen mögliche Kriterien für
die Bewertung von grossen Fotoarchiven im Vordergrund der Diskussion. Die
Veranstaltung dient damit der Schaffung von Grundlagen für die
Fotoarchivierung. Dafür wird das Gespräch mit Forschenden aus verschiedenen
Fächern und Fachleuten aus Archiven, Museen und Bibliotheken gesucht. Für das
Gelingen der Veranstaltung ist das Zusammenbringen von Wissenschaft und Praxis
entscheidend.
Tagungssprachen sind Deutsch und Französisch. Eine Simultanübersetzung ist vorhanden.
Referierende
Marie Beutter
führt seit 2004 ihr eigenes Atelier für Konservierung und Restauration des
fotografischen Erbes und unterrichtet Konservierung an verschiedenen
Instituten. Sie hat an der Sorbonne und an der École du Louvre in Paris und an
der Universität von Tours studiert und Projekte für die Maison Jean Cocteau,
das Schloss von Versailles, das französische Museum der Fotografie, das Musée
du Quai Branly, das Musée d’Orsay, das Filmarchiv von Paris, das Musée des Arts
décoratifs von Paris und die Fondation Cartier realisiert.
Matthias Christen
studierte in Tübingen und Konstanz und habilitierte sich an der
Ruhr-Universität Bochum. Er hatte die Vertretung des Lehrstuhls für Theorie und
Geschichte bilddokumentarischer Formen an der Ruhr-Universität Bochum inne und
ist seit 2011 Professor für Medienwissenschaft an der Universität Bayreuth.
Gilbert Coutaz
war von 1981 bis 1995 Archivar der Stadt Lausanne und ist seit 1995 Direktor
des Waadtländer Staatsarchivs. Er war von 1997 bis 2001 Präsident des Vereins
Schweizer Archivarinnen und Archivaren (VSA), von 1992 bis 2000 Mitglied des
Komitees der Sektion des Verbandes der professionellen Archivare sowie
Gründungspräsident von RéseauPatrimoineS, des Verbandes für das Natur- und
Kulturgut des Kantons Waadt. Zudem ist er für die Module des Master of Advanced
Studies in Archiva, Library and Information Science der Universitäten Bern und
Lausanne zuständig.
Delphine Desveaux
ist promovierte Kunsthistorikerin für moderne und zeitgenössische Kunst (Paris
IV – Sorbonne). Nach verschiedenen Erfahrungen in Museen sowie Presseagenturen
oder Bilddiensten für Zeitschriften widmet sie sich nun der Sammlung
Roger-Viollet, welche die Gründer 1985 der Stadt Paris vermacht haben. Im
Rahmen der Sammlung hat sie Selektionsverfahren und Digitalisierungskampagnen
der Werke in die Wege geleitet, die Sammlung inventarisiert, neu konditioniert
und dokumentiert. Sie ist seit der Gründung bei der Parisienne de Photographie
die Leiterin der Sammlungen Roger-Viollet und der Kulturprojekte.
Hans Ulrich Glarner
studierte Deutsch, Geschichte und Kulturmanagement in Zürich und Salzburg. Er
erhielt den Master of Advanced Studies MAS an der Universität Linz und
absolvierte die Executive Education Harvard Kennedy School 2010. Er arbeitete
als Kulturredaktor des Aargauer Tagblatts, als Geschäftsführer der Aktion
Begegnung 91 zur 700-Jahr-Feier und als Leiter des Stapferhauses Lenzburg. Seit
2002 ist er Leiter der Abteilung Kultur des Kantons Aargau. Zudem wirkt er als
Dozent für Kulturmanagement an der Universität Basel und am Stapferhaus
Lenzburg und als Dozent für Kulturvermittlung und Kulturpolitik an der Pädagogischen
Hochschule FHNW.
Rudolf Gschwind
studierte Chemie an der Universität Basel. Seit 1980 ist er Leiter der
Abteilung für wissenschaftliche Fotografie am Institut für Physikalische Chemie
der Uni Basel. Anfang 2001 erfolgte der Transfer der Abteilung in die
Philosophisch-Historische Fakultät, wo das Imaging and Media Lab entstand. 1985
verbrachte er einen einjährigen Forschungsaufenthalt bei der Firma Ilford in
der Gruppe Electronic Imaging. Seine Hauptforschungsgebiete sind
Farbfotografie, Erhalt des audiovisuellen Kulturgutes und digitale
Archivierung.
Jens Jäger
studierte Geschichte, Literaturwissenschaft und Volkswirtschaft an der
Universität Hamburg. Er promovierte zur Fotografiegeschichte Deutschlands und
Englands im 19. Jahrhundert und habilitierte über die Entstehung des
internationalen Verbrechers. Er nahm Lehraufträge an den Universitäten Hamburg,
Bremen, Köln wahr, forschte in England, Frankreich und Österreich und arbeitete
am SFB Medien und kulturelle Kommunikation mit. Zurzeit ist er als Privatdozent
und Heisenberg-Stipendiat an der Universität zu Köln. 2010/2011 hatte er
Vertretungsprofessuren an der Universität zu Köln und Universität Heidelberg
inne.
Pius Knüsel
studierte Germanistik, Philosophie und Literaturkritik an der Universität Zürich.
Er war als Kulturredaktor beim Schweizer Fernsehen, Programmleiter des Jazz
Clubs MOODS und Mitglied des Direktoriums des Europe Jazz Networks und
Programmleiter des ersten Jazznojazz-Festivals in Zürich. Von 1998 bis 2002 war
er als Leiter des Kultursponsorings der Credit Suisse tätig und ist seit 2002
Direktor der Schweizer Kulturstiftung Pro Helvetia. Sporadisch nimmt er eine
Lehrtätigkeit im Fach Kulturmanagement u. a. an der Zürcher Hochschule
Winterthur, den Universitäten von Basel, Neuchâtel, Fribourg, Lausanne und im
Ausland wahr. Zudem ist er Mitbegründer des Forums Kultur und Ökonomie.
Walter Leimgruber
leitet das Seminar für Kulturwissenschaft und Europäische Ethnologie der
Universität Basel. Davor war er Redaktor beim Schweizer Fernsehen und
Projektleiter verschiedener Ausstellungen. Er ist Forschungsrat des
Nationalfonds, wo er die Abteilung Geistes- und Sozialwissenschaften
präsidiert, Vorstandsmitglied der Schweiz. Akademie der Geistes- und
Sozialwissenschaften und Mitglied der Steuerungsgruppe von Bund und Kantonen
zur Umsetzung der UNESCO-Konvention für das immaterielle Kulturerbe. Seine
Forschungsgebiete umfassen Kulturtheorie und -politik, Migration und
Transkulturalität, visuelle und materielle Kultur.
Olivier Lugon
ist Kunsthistoriker und Professor an der Universität Lausanne. Sein
Forschungsgebiet ist die Geschichte der Fotografie, vor allem die Fotografie in
Deutschland und den USA sowie die Problematik der Fotoarchive. Derzeit leitet
er das Forschungsprojekt des SNF «L’exposition moderne de la photographie,
1920-1970» und bereitet eine Publikation zu diesem Thema vor.
Nora Mathys
studierte Geschichte, Politikwissenschaften und Staatsrecht in Bern und Prag
und promovierte nach einem Forschungsaufenthalt am Laboratoire d’histoire
visuelle contemporaine der École des hautes études en sciences sociales in
Paris am Seminar für Kulturwissenschaft und Europäische Ethnologie der
Universität Basel zur privaten Fotografie. Sie arbeitete in verschiedenen
Bildarchiven und für das Büro für Fotografiegeschichte in Bern. Zurzeit leitet
sie im Staatsarchiv Aargau das Projekt Ringier Bildarchiv.
Andreas Ritter
studierte Rechtswissenschaften an der Universität Zürich und promovierte am
Lehrstuhl für Immaterialgüter-, Medien-, Arbeitsrecht und Rechtssoziologie.
Nach dem Erwerb des Anwaltspatentes im Jahre 1996 und mehrjähriger Tätigkeit in
einer grösseren wirtschaftsrechtlich orientierten Kanzlei in Zürich gründete er
im Jahre 2001 seine eigene Kanzlei. Neben seiner Tätigkeit als Anwalt mit einer
Spezialisierung in den Bereichen Kunstmarkt und Unterhaltungsindustrie ist er
Präsident des Kunstvereins Walcheturm und Stiftungsrat der Stiftung für
konkrete und konstruktive Kunst in Zürich. Er verfasste verschiedene
Publikationen zum Kunstmarkt.
Carole Sandrin
ist Fotohistorikerin und Co-Kuratorin. Sie ergänzte ihre Ausbildung 2010 mit
einem Master Fachfrau für präventive Konservierung von Kulturgut an der
Universität Paris 1 Panthéon-Sorbonne. Letzten Juni wurde sie zur
Vizepräsidentin der Société Française de Photographie (SFP) ernannt, für deren
Sammlungen sie von 2005 bis 2011 verantwortlich war. Seit April 2011 ist sie
Konservatorin des Musée de l’Elysée in Lausanne und für den Fotobestand Charlie
Chaplin verantwortlich sowie mit der präventiven Konservierung beauftragt.
Markus Schürpf
absolvierte die Fachklasse Freie Kunst in Luzern und studierte Kunstgeschichte,
Ethnologie und Architekturgeschichte in Bern. Seit 1999 führt er in Bern das
Büro für Fotografiegeschichte. Neben den Projekten, die das Büro realisiert,
ist er als Autor, Ausstellungsmacher und Berater tätig.
Madeleine Schuppli
ist Direktorin des Aargauer Kunsthauses in Aarau. Sie studierte Kunstgeschichte
an den Universitäten Genf, Hamburg und Zürich und absolvierte den Master of
Advanced Studies in Kulturmanagement an der Universität Basel. Von 1996 bis
2000 war sie Kuratorin in der Kunsthalle Basel und von 2000 bis 2007 Direktorin
des Kunstmuseums Thun.
Elodie Texier-Boulte
ist Fotorestauratorin. Sie erhielt eine Ausbildung als Fotohistorikerin bei
Michel Frizot (École du Louvre) und bei Michel Poivert (Universität Paris 1,
Panthéon Sorbonne). Anschliessend erwarb sie 2002 den Master in Konservierung
und Restauration von Kulturerbe an der Universität Paris 1, Panthéon Sorbonne.
Ein einjähriges Praktikum führte sie in die USA und nach Schottland. Seit 2003
arbeitet sie freiberuflich und hat seither Restaurierungsprojekte für das Musée
d’Orsay, das Musée du Quai Branly, die Cinémathèque française, die Société
Française de Photographie, das Centre Pompidou und das Musée Lalique
durchgeführt.
Andrea Voellmin
absolvierte die Höhere Pädagogische Lehranstalt Zofingen und war danach als
Primarlehrerin tätig, bevor sie Allgemeine Geschichte mit Schwerpunkt
Wirtschaftsgeschichte, Volkswirtschaft und Osteuropäische Geschichte an der
Universität Zürich studierte. 1995/96 war sie Leiterin des Firmenarchivs der
Schweizerischen Kreditanstalt und anschliessend stellvertretende Leiterin des
Firmenarchivs der Credit Suisse Group. Seit 1999 ist sie Staatsarchivarin des
Kantons Aargau.
Bernd Weise
studierte Visuelle Kommunikation in Essen sowie Publizistik, Geschichte und
Politologie in Berlin. Ab 1981 war er freier wissenschaftlicher Mitarbeiter der
Photographischen Sammlung/Berlinische Galerie und ab 1989 Geschäftsführer des
Bundesverbandes der Pressebild-Agenturen und Bildarchive in Berlin. Er ist
Lehrbeauftragter für Fotojournalismus an der FU Berlin und Autor zu
Pressefotografie und -geschichte. Seit 2001 ist er Sachverständiger für Presse-
und Illustrationsfotografie, Fotobewertung und Fotovergütung für Gerichte und
ehrenamtliches Mitglied des Wissenschaftlichen Beirats der Stiftung
Preussischer Kulturbesitz. Er arbeitet seit 2010 als freiberuflicher Publizist
und Gutachter in Berlin.
Jean-Marc Yersin
war Werbe-, Handels- Reportage- und Medizinalfotograf sowie Fotograf an den
Musées d’art et d’histoire in Genf. Heute ist er Konservator und teilt die
Leitung des Schweizer Kameramuseums in Vevey mit der Archäologin Pascale
Bonnard Yersin. Er ist Mitglied des Netzwerkes für die Erhaltung audiovisueller
Kulturgüter Memoriav.
mgt
Kontakt:
http://wertderfotografie.blogspot.com/
Bild: Bildarchivar Ringier Bilderdienst, um 1970 (Staatsarchiv Aargau / Ringier Bildarchiv)
Kommentare von Daniel Leutenegger