2. September 2024
«NOT TO GET LOST» VON JULIAN CHARRIÈRE: FINDLINGE FÜR DEN FORSCHUNGSCAMPUS
Auf dem Campus der Empa und der Eawag in Dübendorf hat der Künstler Julian Charrière eine Installation mit Findlingen unterschiedlicher Herkunft, Grösse und Zusammensetzung geschaffen. Verbunden sind die Steine durch metallische Steinkeile, die durch den Asphalt führen und sich über die Findlinge hinwegziehen – «und so auch sinnbildlich für den langen Weg von der Forschung in die Anwendung stehen», wie Empa und Eawag schreiben.
Bild: Platziert wurden die Findlinge mit einem Kran unter der Koordination des Künstlers Julian Charrière – Foto: © SAMArchitekten / Fabio Compagno
Bild: «Not to Get Lost» von Julian Charrière ist eine aus acht Findlingen zusammengesetzte monumentale Installation für den neuen Platz zwischen dem NEST und dem neuen Laborgebäude der Empa – Foto: SAMArchitekten / Fabio Compagno
Findlinge tragen etwas Mystisches an sich. Schon alleine durch ihre Präsenz faszinieren sie, wenn sie oftmals alleine oder in Gruppen inmitten einer Landschaft liegen. Deshalb galten solche Fundstätten oft als Kult-Orte oder sind beliebte Ausflugsziele. Nun lädt das Werk des international renommierten Künstlers Julian Charrière auf dem neuen Campus der Empa und Eawag dazu ein, solche Gesteinsbrocken zu erkunden, die durch das vorrückende Gletschereis weite Strecken zurückgelegt haben. Charrière hat mit «Not to Get Lost» eine aus acht Findlingen zusammengesetzte monumentale Installation für den Platz geschaffen, der sich zwischen dem NEST und dem neuen Laborgebäude der Empa ausdehnt.
Findige Findlinge
Die wuchtige Installation wird durch eine Reihe von Metallkeilen verbunden, die eine über die Steine verlaufende Linie bilden. Diese geologische Verknüpfung von Punkten verweist laut dem Künstler sowohl auf die Geschichte des Steinmetzhandwerks und des Steinbruchs als auch auf den Mythos und das wissenschaftliche Geheimnis, das diese wandernden Mineralien einst umgab. Was früher als mysteriös-religiöse Bewegung wahrgenommen wurde, wich später glaziologischen, geologischen und mineralogischen Erkenntnissen der Forschung. «Die verbundenen Felsblöcke der Installation fungieren so als Schnittstelle zwischen Natur, Kultur und Technologie. Ob es nun die Kunst ist, die Visionen skizziert, oder die Wissenschaft, die die Realität kartiert: Beide beginnen mit dem Zeichnen einer Linie», sagt Julian Charrière.
Ebenso entwickeln sich auch wissenschaftliche Projekte nicht immer linear, sondern müssen oftmals verschlungene Wege mit Hindernissen zurücklegen – wie die Metallkeile von «Not to Get Lost». »Empa und Eawag wollen mit diesem Werk einen augenzwinkernden Impuls an ihre Forschenden senden – den Weg der Wissenschaft, der manchmal auch über ‹felsiges Gelände› führen kann mit etwas Leichtigkeit zu nehmen und den spielerischen Fluss dieser Installation zu umarmen», erläutert Kuratorin Friederike Schmid, die den Prozess begleitet hat. «Zudem ist das Steinmetzhandwerk eines der Urhandwerke – etwas zu öffnen, wie man es mit diesen Keilen kann, dient der Forschung und der Idee, Erkenntnisse aus dem Inneren zu gewinnen.» Dass Charrières Installation diese und noch weitere Lesarten anbietet, sei eine Stärke seines Werks. Gerade öffentliche Werke müssten die Menschen auf verschiedenen Ebenen abholen und immer wieder Raum für weitere Entdeckungen und Entschlüsselungen bieten.
Platz mit Charakter
Die Installation «Not to Get Lost» hat sich in einem Wettbewerb auf Einladung gegen fünf eingereichte Projekte durchgesetzt. Die Jury hat sich laut Kevin Olas, Leiter Immobilien der Empa, einstimmig für das Projekt von Julian Charrière entschieden, da es «eine Dramaturgie aufbaut und den Campus verbindet, indem es den langen Weg von der Forschung in die Anwendung darstellt». Es bespiele mit einer monumentalen Installation den Raum zwischen den bestehenden und den neuen Bauten. «Das Kunstwerk gibt dem Platz Charakter. Es setzt starke Kontraste zwischen den Gebäuden, die im Gegensatz zu den brachialen Findlingen sehr technisch geprägt sind – und so eine Spannung aufbaut, die Besuchende sowie Mitarbeitende zu verschiedensten Assoziationen anregt.»
Friederike Schmid ergänzt: «Auf den ersten Blick sieht es aus wie der Garten eines Riesen, spielerisch hingeworfen als archaischer Gegenpol zur urbanen Architektur.» Aus logistischer Sicht gestaltete sich das Kunstprojekt ziemlich anspruchsvoll, da die acht Findlinge aus der ganzen Schweiz stammen – einer sogar aus dem Aushub der Neubauten des neuen Campus. Der leichteste Stein wiegt eine Tonne, der schwerste 20 Tonnen. Diese mussten verstreut von St.Gallen, Bern und Uri bis hin zum Tessin zusammengesucht und in einen Steinmetz-Betrieb transportiert werden, wo sie zuerst gescannt und dann maschinell vorbereitet wurden, um die Steinkeile einzusetzen. Präzise platziert wurden die Findlinge kürzlich vor Ort in Dübendorf mit einem Kran unter der Koordination des Künstlers. Nun warten sie darauf, erkundet zu werden.
Künstler Julian Charrière
Julian Charrière wurde 1987 in Morges, Kanton Waadt, geboren und lebt in Berlin. Er studierte Kunst an der École cantonale d’art du Valais, bevor er nach Deutschland zog, um dort seinen Abschluss beim international renommierten Künstler Olafur Eliasson an der Universität der Künste Berlin zu machen. Julian Charrière setzt sich intensiv mit wissenschaftlichen Themen auf einer ökologischen, universellen und anthropologischen Ebene auseinander. Dabei verbindet er Umweltwissenschaften und Kulturgeschichte, und seine Projekte resultieren oft aus Feldforschungen in abgelegenen Orten wie Vulkanen, Eisfeldern oder radioaktiv verstrahlten Testgeländen. Mit seinem Werk «Not to Get Lost» kann die Empa in Dübendorf an bedeutsame Arbeiten anknüpfen, wie sie beispielsweise in St.Gallen mit Roman Signer oder Jürg Altherr installiert sind.
cp
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Bild: Eine feine Linie aus handgeschmiedeten Steinkeilen zieht über den Asphalt und die Findlinge hinweg und verbindet diese so miteinander – Foto: SAMArchitekten / Fabio Compagno
Kommentare von Daniel Leutenegger