18. Januar 2025
«ONE MILLION BEARS. TINA BRAEGGER»
Ausstellung im Museum Bellpark, Kriens, bis am 30. März 2025

Bild: © Tina Braegger, Powers of Horror, 2021, oil on canvas, 200 x 205 cm – Foto: Trevor Good

Bild: Portrait Tina Braegger – Foto: © Mark Peckmezian
Das Museum im Bellpark zeigt nach internationalen Ausstellungserfolgen die erste Einzelausstellung der Malerin Tina Braegger in der Schweiz. Seit 2011 erforscht die Künstlerin anhand des Motivs des «Marching Bear» die Spannung zwischen dem authentischen Original und der (angeeigneten) Kopie. Auf grossen – und wenigen kleinen – Leinwänden malt Braegger immer wieder neue phänotypische Varianten des Bären in Öl. Im Rahmen der gewählten Selbstbeschränkung auf ein Motiv kultiviert sie eine unerschrockene, maximale Ausdehnung, die in ihrer spielerischen Farbigkeit populär und gefällig erscheint, aber die Unterscheidung von «Hochkultur» und «Populärkultur» durchaus provokant in Frage stellt.
Das Motiv des «Marching Bear» geht auf den Künstler Bob Thomas zurück, der u.a. das offizielle Logo der psychedelischen Rockband Grateful Dead entwarf. In den 1970er-Jahren kopierte er die Zeichnung eines «marschierenden Bären» von einem unbekannten Künstler und platzierte eine kreisförmige Anordnung fünf solcher Bären, jeder in einer unterschiedlichen Haltung, auf der Rückseite der 1973 erschienenen Platte «History of The Grateful Dead, vol. I (Bear’s Choice)». Sie sollten auf den Tontechniker und LSD-Pionier Owsley Stanley, alias «Bear», verweisen, der die Platte produzierte. Der «Marching Bear» wurde in der Folge von der Fangemeinde der Grateful Dead, den so genannten «Deadheads», als inoffizielles Bandlogo adaptiert und auf Bootleg-Merchandise wie Aufklebern, T-Shirts, Postern usw. endlos vervielfältigt.

Bild: © Tina Braegger, It takes two to tango, 2023, oil on canvas, 144 x 241 cm – Foto: Trevor Good
Durch diesen kollektiven Prozess der intellektuellen und kreativen Aneignung wurde der Bär von seinem ursprünglichen Zweck, dem Verweis auf Owsley, im Grunde befreit: Wie ein Schwamm saugte er Merkmale auf, die ihm während seiner jahrzehntelangen Verbreitung und Kanonisierung zu Teil wurden. Braegger stellt diesen wechselseitigen Aneignungsprozess aus und führt ihn weiter, indem sie Kontexte und Situationen imaginiert und auch aus der Kunstgeschichte referenziert, mit denen die Bären in ihren Gemälden interagieren: In Kombination mit einem Fussball wirkt der Bär verspielt und dynamisch, andere scheinen militant im Gleichschritt mit ihren Kameraden zu gehen. Das typische offene Grinsen der Figur wirkt manchmal kindlich und unbeschwert, auf anderen Darstellungen kippt es in eine beunruhigende, möglicherweise psychedelisch bedingte Aufgekratztheit.
Mit ihren malerischen Umsetzungen und Bearbeitungen in verschiedenen Medien schreibt sich Tina Braegger als Künstlerin – gleichwohl als Malerin – in ein Massenphänomen und verknüpft so die Wahrnehmung von «low culture» und «high culture». Seit 2011 lässt sie den Bären in Druckgrafiken, Gemälden, als Leuchtskulptur, in illustrierten Bändern und auf handgenähten Polyesterfahnen erscheinen. Darüber hinaus hat sie zwei Romane zu der Werkreihe veröffentlicht und arbeitet derzeit an einem Katalog mit Abbildungen der über 200 bärenbezogenen Gemälde sowie an einem Gedichtband. Durch ihre Auseinandersetzung mit Originalität, Reproduktion, Authentizität, Wiederholung und Stilisierung ist sie in der Tradition der Appropriation Art, die ab den 1970er-Jahren von Elaine Sturtevant und anderen praktiziert wurde, zu verorten.

Bild: © Tina Braegger, Life’sa trip, 2019, oil on canvas, 198 x 180 cm – Foto: Adam Reich

Bild: © Tina Braegger, The Caro Kann Defense, 2024, oil on canvas, 203.5 x 173.5 cm – Foto: Gina Folly
Bio Tina Braegger
Tina Braegger, 1985 in Luzern geboren, ist eine zeitgenössische Schweizer Künstlerin. Von 2005 bis 2010 studierte sie an der Hochschule für Gestaltung und Kunst Zürich und schloss 2015 ihr Studium in Fine Arts an der ECAL in Lausanne ab. Braegger fokussiert sich auf Malerei und Installationen, wobei sie Themen wie Natur, Identität und Erinnerung behandelt.
Seit 2010 lebt und arbeitet Tina Braegger in Basel und wird von den Galerien Weiss Falk (Basel, Zürich), Société (Berlin) und Meredith Rosen Gallery (New York) vertreten. Regelmässig werden ihre Werke in nationalen und internationalen Ausstellungen präsentiert. Zu den jüngsten Ausstellungen gehören «Curiosity Killed the Cat», eine von Udo Kittelmann kuratierte Zweipersonenausstellung mit Sturtevant bei De 11 Lijnen in Belgien (2021) und eine Einzelausstellung im Neuen Essener Kunstverein (2022).
Braegger war mit «Lose Enden» (Kunsthalle Bern 2021) und «Paint by Numbers» (Galerie Eva Presenhuber 2022) in zwei wegweisenden Gruppenausstellungen aktueller Malerei vertreten. Trotz dieser zunehmenden Bedeutung ist ihr Werk im musealen Zusammenhang in der Schweiz bisher untervertreten. Nach einer ersten Zusammenarbeit mit der Künstlerin im Rahmen der Gruppenausstellung «After Bob Ross. Beauty Is Everywhere» (2021) richtet das Museum im Bellpark ihr nun die erste institutionelle Einzelausstellung in der Schweiz aus und stellt Braeggers Werk in einer repräsentativen Schau vor.
mbp
Kontakt:
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Bild: © Tina Braegger, Only one of us is real, 2024, oil on canvas, 98 × 157 x 5 cm – Foto: Trevor Good

Bild: © Tina Braegger, Ruby Tuesday, 2022, oil on canvas, 205 x 285 cm – Foto: Adam Reich
Kommentare von Daniel Leutenegger