8. April 2025
«OTTO DIX – ADOLF DIETRICH. ZWEI MALER AM BODENSEE»
Ausstellung im Museum zu Allerheiligen Schaffhausen, bis am 17. September 2025

Bild: Adolf Dietrich, Landschaft über Berlingen im Vorfrühling, 1933, Privatbesitz
Mit Otto Dix (1891–1969) und Adolf Dietrich (1877–1957) vereint die Ausstellung im Museum zu Allerheiligen Schaffhausen erstmals zwei bedeutende Künstler der Moderne, deren Werke trotz ihrer unterschiedlichen Lebenswelten überraschende Gemeinsamkeiten aufweisen. Beide Maler zählen zur Strömung der Neuen Sachlichkeit, die vor exakt hundert Jahren durch die epochale Ausstellung in der Kunsthalle Mannheim zur prägendsten Bewegung der 1920er-Jahre wurde.
Otto Dix, ein Kind der Grossstadt, fand sich nach seiner Entlassung als Professor der Kunstakademie Dresden durch die Nationalsozialisten 1933 in der ländlichen Idylle der Bodenseegegend wieder – zunächst in Randegg nahe der Schweizer Grenze und ab 1936 in Hemmenhofen am Untersee. Hier begann er Landschaften zu malen.
Adolf Dietrich, ein Autodidakt, lebte nur dreieinhalb Kilometer Luftlinie entfernt auf der gegenüberliegenden Seeseite im thurgauischen Berlingen. Der tief mit der Natur verbundene Maler fand seine Inspiration ebenfalls in den einfachen Landschaften seiner Heimat.
Die Ausstellung bringt die Perspektiven der beiden Künstler auf dasselbe Landschaftsgebiet am Bodensee zusammen und beleuchtet verschiedene zentrale Aspekte ihres Werks. Auf rund 500 Quadratmetern werden 100 Gemälde, Zeichnungen und Druckgrafiken präsentiert. Neben den Landschaftsbildern von Otto Dix und Adolf Dietrich, die um den Untersee, den südwestlichen Arm des Bodensees, entstanden, sind auch Werke anderer Kunstgattungen zu sehen, wie Porträts und Selbstportraits, Tier- und Walddarstellungen, aber auch Bilder, die im Kontext der beiden Weltkriege entstanden sind.
Insgesamt acht thematisch strukturierte Werkgruppen vertiefen die Verbindungen und Unterschiede zwischen den beiden Künstlern. Ein 16 Meter langer Zeitstrahl stellt mit Text und Bild ihre Biografien in den Kontext der historischen Ereignisse von 1877 bis 1969.
Selbstbildnisse
Otto Dix’ zahlreiche Selbstbildnisse zeichnen sich oft durch einen herausfordernden, durchdringenden Blick aus, der den Eindruck erweckt, den Künstler zu enthüllen. In den 1930er-Jahren erklärte er: «Ich bin nicht gewillt, dem staunenden Bürger die ‚Tiefen‘ meiner Seele zu offenbaren. Wer Augen hat zum Sehen, der sehe!» Im Gegensatz dazu wirken Adolf Dietrichs Selbstbildnisse ruhig und authentisch. Er zeigt sich in alltäglicher Kleidung mit einer beinahe unschuldigen Haltung. Trotz der unterschiedlichen Herangehensweisen an die Darstellung ihrer Person, offenbaren beide Künstler eine tiefgehende Auseinandersetzung mit ihrem inneren Selbst.

Bild: Einrichtung der Ausstellung «Otto Dix – Adolf Dietrich. Zwei Maler am Bodensee» – Foto: © Museum zu Allerheiligen
Nachbarn am See
Sowohl Dix als auch Dietrich entdeckten die Landschaften rund um den Bodensee für sich. Während Dietrich in seinen Gemälden eine harmonische, ruhige Verbindung zur Natur ausdrückte, war Dix’ Blick auf die Landschaft oft kritisch und düster. Die Idylle, die ihn umgab, stellte er nicht als ungetrübte Schönheit dar, sondern als eine Natur, die mit einer gewissen Unnahbarkeit behaftet war.
Gefrorene Landschaften
In ihren Winterbildern fangen beide Künstler die Kälte und Erstarrung der Natur ein. Für Dietrich spiegeln die winterlichen Szenen nicht nur die Jahreszeit, sondern auch die inneren Ängste und Verunsicherungen in einer politisch aufgeladenen Zeit wider. Dix’ Winterlandschaften wirken ähnlich existenziell, oft einsam und verlassen, als ob die Natur selbst in einem Zustand der Lähmung verharrte.
Werke des Ersten Weltkriegs
Die Erlebnisse des Ersten Weltkriegs hinterliessen tiefe Spuren in der Kunst von Otto Dix. Seine Darstellungen des Krieges sind brutal und unverhüllt, was von den Nationalsozialisten als wehrmachtszersetzend diffamiert wurde. Dietrich hingegen zog sich in die Einsamkeit der Natur zurück, dennoch spiegeln sich in dramatischen Lichtstimmungen die Herausforderungen der Kriegsjahre wider. Beide Künstler reflektieren auf ihre Weise die traumatischen Erfahrungen ihrer Zeit.
Werke des Zweiten Weltkriegs
Während des Zweiten Weltkriegs zeigt sich in Werk von Dix und Dietrich erneut die Dramatik der Zeit. Dietrichs Werke sind von Nebel und Eis geprägt und strahlen eine kühle Distanz aus. Dix malte sturmgepeitschte Landschaften und brennende Himmel, suchte in christlichen Motiven nach einer menschlichen Vernunft in den finsteren Kriegsjahren. Beide Künstler schufen Werke, die die brutale Realität ihrer Zeit auf ihre eigene Weise in Frage stellten.

Bild: «Gemalte Wehrsabotage des Malers Otto Dix». Seite aus Kaiser Fritz, München / Propagandaleitung, Amtsleitung Kultur / Verlag für Kultur- und Wirtschaftswerbung, Berlin: Führer durch die Ausstellung «Entartete Kunst» (1938). Der berühmt-berüchtigte Münchner Ausstellung von 1937 folgte von 1938 bis 1941 eine Wanderschau unter demselben Titel, die in zwölf Städten Station machte, jedoch teilweise andere Exponate zeigte. – Quelle: https://www.peterharrington.co.uk/blog/entartete-kunst-degenerate-art/ – Lizenz: https://creativecommons.org/licenses/by-sa/4.0/deed.de – Datei: https://commons.wikimedia.org/wiki/File:65483_15_Kaiser_ENTARTETE_KUNST_
Bilder des Menschen
In seinen Porträts kritisierte Dix die Ambivalenz der Grossstadtgesellschaft, indem er die Menschen in überzeichneten, oft entlarvenden Darstellungen zeigte. Dietrich malte Menschen aus seinem Umfeld meist mit einem stillen, beinahe idealisierten Blick. In seinen Kinderbildern sah er die Harmonie zwischen Mensch und Natur und eine Unschuld, die im Alltag der Erwachsenen verloren geht.
Stillleben, Tierbilder, Walddarstellungen
Dietrichs Stillleben und Tierbilder sind Ausdruck einer tiefen Verbundenheit zur natürlichen Welt. Dix’ Werke dieser Gattungen hingegen sind oft düster und entfremdet, sie zeigen eine Distanz zur Natur und spiegeln eine kühle, kritische Haltung wider, die sein Werk durchgängig prägt.
Zeichnung und Druckgrafik
Beide Künstler schufen zahlreiche Zeichnungen, Aquarelle und Pastelle, die eigenständige Werke innerhalb ihres Gesamtwerks darstellen. Beiden dienten sie der Erfassung der Natur, wie sie sich ihnen zeigte. Während Dix diese als Mittel zur künstlerischen Befreiung nutzte, waren sie für Dietrich ein Ausdruck seiner Freude am Zeichnen und seiner Entfaltung als Künstler. Im Gegensatz zu Dietrich fand Dix in der Druckgrafik, Anfang der 1920er-Jahre in der Radierung und Aquatinta, sowie später in der Lithografie, zahlreiche Ausdrucksmöglichkeiten, um Menschen und ihre existenziellen Erfahrungen darzustellen.
Die Ausstellung ist eine Entdeckungsreise zu zwei Künstlern, deren Werke durch Kontraste in Herkunft und Perspektive geprägt sind, aber dennoch gemeinsame Themen und Herausforderungen ihrer Zeit teilen. Sie eröffnet überraschende Wahlverwandtschaften zwischen zwei Malern, die auf ihre Weise die Moderne in der Kunst ihrer Zeit prägten und grossen Erfolg erzielten. Nicht zuletzt deshalb wurden sie in den Jahren um 1930 mehrfach nebeneinander in Ausstellungen präsentiert – ein Grund mehr, die beiden Künstler in einer umfassenden Schau miteinander zu verbinden.

Bild: «Dix/Dietrich», von Museum zu Allerheiligen (Herausgeber), Andreas Rüfenacht (Autor), Deutscher Kunstverlag
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Begleitpublikation
Zur Ausstellung erscheint im Deutschen Kunstverlag eine Begleitpublikation mit 87 Werkabbildungen beider Künstler aus allen Schaffensjahren. Erhältlich im Museumsshop für CHF 38 oder über den Buchhandel.
Begleitveranstaltungen
Die Ausstellung wird zudem von zahlreiche Führungen, Tagesexkursionen ins Adolf Dietrich-Haus und ins Museum Haus Dix, Kunstwanderungen etc. ergänzt.
Mitmachheft für Kinder
Für Kinder von 6 bis 10 Jahren mit vielen spannenden Aufgaben zur Ausstellung und über die beiden Künstler. Das Heft ist kostenlos an der Museumskasse erhältlich.
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Kontakt:
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Kommentare von Daniel Leutenegger