6. Januar 2022
57. SOLOTHURNER FILMTAGE 2022: «RENCONTRE» MIT JÜRG HASSLER
Sechs Filme als Regisseur, 17 als Cutter, 30 als Kameramann: Die 57. Solothurner Filmtage widmen ihr Spezialprogramm «Rencontre» einem der vielfältigsten Schweizer Filmschaffenden der letzten fünfzig Jahre. In Jürg Hasslers (Bild) Schaffen spiegeln sich nicht nur die Strömungen des Schweizer Films seit 1970, sondern auch Lebensthemen wie das politische Engagement und die Suche nach unverbrauchten Bildern. Die diesjährigen Solothurner Filmtage finden vom 19. bis 26. Januar 2022 statt.
Foto: https://www.solothurnerfilmtage.ch/de/magazin/rencontre-juerg-hassler
Der Zürcher Jürg Hassler darf als einer der vielseitigsten Schweizer Filmschaffenden der letzten fünfzig Jahre bezeichnet werden. Eine Auswahl von zehn Filmen, zwei längere Gespräche und eine Ausstellung mit Schachskulpturen bieten Gelegenheit, Jürg Hasslers Werk im Rahmen der diesjährigen «Rencontre» kennen zu lernen.
Jürg Hassler kam relativ spät zum Film. Als er sich 1967 an der Zürcher Kunstgewerbeschule für den ersten Filmkurs der Schweiz einschreibt, hat der 29–Jährige bereits ausgedehnte Versuche als Bildhauer, eine Ausbildung zum Fotografen und Wanderjahre als Fotoreporter hinter sich. Auch politisch ist Hassler schon aktiv, bevor er 1970 mit seinem ersten Film «Krawall» an den Solothurner Filmtagen schweizweit bekannt wird. «Krawall» ist ein packender Montagefilm voller ironischer Spitzen, in dem die Ereignisse um den Globuskrawall verdichtet werden.
Poetisches und politisches Filmschaffen gehen bei Hassler Hand in Hand. Zwischen seinen klassischen Autorenfilmen beteiligt er sich als Regisseur an einem Kollektivfilm gegen das Kernkraftwerk Gösgen (1978) und als Kameramann am Achtziger–Bewegungsfilm «Züri brännt» (1980). Mit «Josephsohn – Stein des Anstosses» (1977) schafft er ein intimes Porträt seines väterlichen Freundes und Mentors, des Bildhauers Hans Josephsohn, den er bei der Entwicklung seiner eigenen Formensprache begleitet.
Eine ganz eigene Bildsprache sucht auch Jürg Hassler in seiner fast vergessenen Regiearbeit «Welche Bilder, kleiner Engel, wandern durch dein Angesicht» (1986). Traumwandlerisch fängt Hassler hier die Inspiriertheit, Lebensfreude und die Konzentration eine Gruppe spielender und musizierender Kinder ein – Momente eines paradiesischen Zustands, den er mit schillernd verrätselten Naturaufnahmen kontrastiert. Die vermeintliche Kehrtwende des Politfilmers Hassler zum Filmpoeten wird bei den Solothurner Filmtagen 1986 von einigen Fans sogar ausgepfiffen – heute erscheint der Film wie eine prophetische Verschwörung einer verlorenen Zeit.
Als Cutter wie als Kameramann hat Hassler ab den mittleren achtziger Jahren eine Vielzahl
unterschiedlicher Aufträge. Das Spektrum reicht vom intuitiven Grenzgang zwischen Spiel– und Dokumentarfilmen («Lüzzas Walkman», 1989), über die assoziative Montagearbeit («Tanz der blauen Vögel«, 1993) bis zum gross angelegten Musikfilm (»Ur–Musig», 1993). Viermal arbeitet er für den politischen Rechercheur Richard Dindo, zuletzt als Tonmann bei «Ernesto Che Guevara« (1994), dem Film über sein politisches Idol.
Den konventionellen und den innovativen Pol von Hasslers Werk verkörpern die beiden Regisseure Saint Pierre Yameogo und Thomas Imbach, mit denen er zwischen 1991 und 2012 vorzugsweise arbeitet. Für das Erzählkino von Saint Pierre Yameogo führt Hassler fünfmal die Kamera in Burkina Faso, für die experimentierfreudige Bildsprache von Thomas Imbach erprobt Hassler bei sieben Filmen die Möglichkeiten der neuen Handycams und rasanten seriellen Schnittkadenzen.
«Ich sehe mich», sagt Jürg Hassler, «gar nicht als Künstler, nur als künstlerischen Menschen.» In diesem Sinn habe er in den letzten fünfzehn Jahren auch wieder zurückgefunden zu seinen Anfängen als Plastiker und experimentiere mit Materialien und Formen. KritikerInnen nennen das Kunst. Hassler, der Bescheidene, nennt es Spielerei.
Zum ersten Mal wird nun Jürg Hasslers Werk umfassend gezeigt und geehrt. Zur «Rencontre» der Solothurner Filmtage gehört ein Film– und Diskussionsprogramm, ebenso wie eine Aussstellung in der Freitagsgalerie in Solothurn.
«RENCONTRE»
Das Spezialprogramm «Rencontre» ehrt jährlich eine Persönlichkeit des Schweizer Films und zeigt ausgewählte Werke ihres Schaffens. Das Programm vermittelt einen Einblick in die Arbeit der gewürdigten Person und ermöglicht dem Publikum, ihr live zu begegnen. Zu den bisherigen Ehrengästen der Solothurner Filmtage gehören u.a. die Regisseurinnen und Regisseure Heidi Specogna, Christoph Schaub, Peter Liechti, Silvio Soldini, Léa Pool, Paul Riniker, Jacqueline Veuve, Alexander J. Seiler, Claude Goretta, Reni Mertens und Walter Marti sowie Alain Tanner oder die Schauspielerinnen und Schauspieler Bruno Todeschini, Ursina Lardi, Marthe Keller, Walo Lüönd, Maximillian Schell, Bruno Ganz und Jean–Luc Bideau.
Quelle:
https://www.solothurnerfilmtage.ch/de/
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Kommentare von Daniel Leutenegger