7. Juli 2018
LAND ART IM SAFIENTAL: «ZWISCHEN HORIZONTAL UND VERTIKAL»
Am 7./8. Juli 2018 ist Vernissage der zweiten internationalen Land-Art-Ausstellung Art Safiental, diesmal mit dem Titel «Horizontal-Vertikal». Im gesamten Tal verteilt - von Versam über Tenna, Safien Platz bis nach Turrahus und Wanna - werden den ganzen Sommer und Herbst lang 15 Werke zeitgenössischer Land Art (Landschaftskunst) kostenlos zu erwandern und zu erleben sein.

Bild: Bildstein | Glatz: Himmel III (2018) – Credit: Ueli Alder
Die erste Durchführung der Alps Art Academy und der Art Safiental 2016 war sowohl bei der Talbevölkerung wie auch bei BesucherInnen, der nationalen Kunstszene und den Medien ein grosser Erfolg: Das Bild des Null-Stern-Hotels ging um die Welt. Viele SafierInnen sprechen noch heute von der Wäscheleine zwischen den zwei Brücken im Versamer Tobel oder dem Stammtisch auf dem Tenner Chrüz.
Der Entschluss fiel deshalb leicht, das Kunstfestival künftig im Zweijahresrhythmus stattfinden zu lassen, ab 2018 unter der neuen Trägerschaft des Naturpark Beverin. Die diesjährige Art Safiental (7.7.-21.10.) widmet sich schwerpunktmässig dem Thema «Horizontal-Vertikal».
Der künstlerische Leiter Johannes M. Hedinger, der Biennale und Akademie 2016 gründete und seither leitet, zeichnet auch dieses Jahr für das Programm verantwortlich. Es bringt Positionen der historischen Land Art der 1970er-Jahre mit neuen zeitgenössischen Interpretationen der Landschaftskunst zusammen. «Während sich die kanonischen Positionen aus dem amerikanischen Westen oft mit der Horizontale beschäftigten, bleibt uns Vertretern der Alpenländer geographisch bedingt fast nichts anderes übrig, als uns mit der Vertikale auseinander zu setzen. In diesem Spannungsfeld zwischen Berg und Ebene positionieren sich die meisten Werke der diesjährigen Schau und loten die Landschaft neu aus» (J. Hedinger).
Kunstwerke erleben – in und mit der Natur
Viele der diesjährigen Künstlerinnen und Künstler reisten bereits letztes Jahr zur Besichtigung ins Tal, um sich einen Standort für ihre Installation und Intervention auszusuchen. Dank der Erfahrungen der ersten Durchführung, dem längeren Vorlauf und der besseren Verankerung im Tal sind dieses Jahr auch komplexere Produktionen möglich.
Im Falle des Zürchers Bob Gramsma bedeutet das etwa, einen ganzen See als Produktionsort nutzen zu können: Als die Kraftwerke Zervreila im Mai das Wasser abliessen, baute der Künstler auf dem Seegrund eine acht mal acht Meter grosse, zehn Tonnen schwere Betonschale, die nach der Flutung des Sees durch den blossen Wasserdruck gehoben wurde und als eine auf dem Wasser treibende Insel dem Egschisee ein neues Wahrzeichen gibt.
Während im hinteren Teil des Tales die monumentale Schanze «Himmel III» des schweizerisch-österreichischen Duo Bildstein/Glatz den Blick von der Horizontale in die Vertikale katapultiert, verspricht auch die Neubespielung des Tenner Chrüz ein Highlight zu werden: Die Grand Old Dame der amerikanischen Land Art, Lita Albuquerque, schafft auf diesem hochgelegenen Aussichtspunkt die Skulptur «Transparent Earth», eine auf dem Boden liegende Frau, die in die Tiefe des Planeten horcht. Und nicht nur das: Sie kommuniziert mit der anderen Seite der Erdkugel. Denn vor der Küste von Neuseeland soll in den nächsten Monaten eine weitere, identische Figur platziert und so eine grösstmögliche (vertikale) Verbindung geschaffen werden.
Auch das englische DIG Collective arbeitet in die Tiefe und gräbt in Tenna ein 2x2x2m grosses Loch, das zum Ende der Ausstellung zusammen mit Memorabilien von TalbewohnerInnen und BesucherInnen wieder gefüllt wird. Im temporären Loch-Museum in der alten Sennerei in Tenna können die künftigen Lochbeigaben bis zum Ende der Ausstellung begutachtet werden.
Gar nicht erst zu Gesicht bekommt man das Werk der Berlinerin Mirja Busch: Sie hat Steine von Originalorten weltbekannter amerikanischer Land Art-Arbeiten wie der Spiral Jetty, dem Double Negative oder den Sun Tunnels in regelmässigen Abständen auf einer Linie von zehn Kilometern Länge im Safiental vergraben, einzig kleine Tafeln kennzeichnen die Stellen.
Insgesamt 15, teils grossformatige Land Art-Werke werden heuer im Safiental zu erwandern sein, gut doppelt so viele wie 2016.
Das Spektrum reicht von kunsthistorischen Positionen der zweifachen Documenta-Teilnehmerin Ingeborg Lüscher bis hin zu den jungen Wilden der post-digitalen Ära (Paul Barsch & Tilman Hornig). Ein Wiedersehen gibt es mit der Bergkanzel von Com&Com, nur dass diese 25 Kilometer von ihrem früheren Standort installiert wird und damit einen ganz neuen Blick aufs Tal ermöglicht.
Obwohl der Grossteil der Arbeiten draussen erlebbar ist, führen einige auch in Innenräume, wie etwa in eine Kirche (Roman Signer) oder in Gasthäuser (HR Fricker).
Ganzkörperlich werden die Erfahrungen, wenn ein Safier Stall zu einer Camera Obscura für die umliegende Landschaft wird (Ueli Alder) oder wenn man den alten Acla-Tunnel betreten kann, um tief drin eine Videoarbeit der Bündner Gabriela Gerber und Lukas Bardill zu finden.
Auch forschende und ephemere Projekte sind dieses Jahr zu erleben: Der US-Amerikaner Steve Rowell thematisiert die Wasserenergie und folgt dem Wasser durch drei Täler, vom Valser Tal ins Safiental bis ins Domleschg. Das Zürcher Duo Marianne Halter und Mario Marchisella entwickelt mit einem heimischen Bienenvolk eine subtile Audio-Arbeit ganz zuhinterst im Tal. Am Talanfang beim Bahnhof Versam-Safien empfängt die US-argentinische Künstlerin Analia Saban die BesucherInnen mit einer Wandarbeit, welche die digitale Computergesellschaft in die prähistorische Felsenmalerei zurückführt.
Selbsterfahrung und einheimische Mitwirkung
Praktisch alle Kunstwerke der Art Safiental sind durch Wanderwege erschlossen, können aber auch mit den öffentlichen Verkehrsmitteln und weiter zu Fuss erfahren werden. Vereinzelt muss man eine Wanderzeit von 60 – 90 Minuten auf sich nehmen, um zu einem Werk zu gelangen.
Möchte man alle 15 Werke sehen, reicht ein Tag kaum aus. Es ist zu empfehlen, sich mindestens zwei Tage Zeit für die Besichtigung der ganzen Ausstellung zu nehmen. Die genauen Standorte erfährt man auf der kostenlosen Kunst-Wanderkarte, die ab 7.7. an allen Infostellen von Safiental Tourismus, in den Dorfläden und Gaststätten des Safientals sowie unter
erhältlich ist. Bei jedem Werk informiert eine Tafel zu Werk und KünstlerIn. Im Berghotel Alpenblick in Tenna wird zudem eine kleine Bibliothek mit Büchern zum Thema Land Art eingerichtet.
Die Art Safiental und auch die Alps Art Academy wären ohne diverse Partner und Sponsoren sowie den Goodwill und die engagierte Mitwirkung vieler Einheimischen nicht möglich. Die Ortskundigen, Landbesitzer, lokalen Handwerker und oft freiwilligen Helfer werden so Teil einer Arbeit. Für Safiental-Gemeindepräsident Thomas Buchli sind die SafierInnen ein entscheidender Erfolgsfaktor: «Durch die Alps Art Academy und Art Safiental 2016 wurde ein wunderbarer Zugang gefunden, Kunst in die Landschaft und damit raus aus den urbanen Metropolen zu bringen. Im Safiental hat sich gezeigt, dass die Welten der Kunstschaffenden und Einheimischen gar nicht so weit auseinander liegen und dass spannende, zuweilen kontroverse Dialoge entstehen können. Die Welt der Kunst ist zu Besuch im Safiental … Ich freue mich auf die nächste Runde!»
Für Jolanda Rechsteiner, Geschäftsführerin von Safiental Tourismus und Projektleiterin der Alps Art Academy/Art Safiental, sprechen die verschiedenen Kunstinterventionen sowohl Einheimische, Stammgäste wie auch neue BesucherInnen an: «Den Land-Art-Kunstinstallationen der ersten Art Safiental im 2016 ist es auf Anhieb gelungen, an alltäglichen Standorten neue Sichtweisen zu eröffnen, dem Vorhandenen einen weiteren Wert und neue Bedeutung hinzuzufügen und Impulse zu verleihen. So entstanden unverwechselbare Orte und Stimmungen in Symbiose zwischen Kunst, Natur und Begegnung. Die langsam gewachsene, in weiten Teilen archaisch und authentisch gebliebene Kulturlandschaft verband sich wunderbar mit zeitgenössischer, temporärer Land-Art-Kunst. Mit dem Projekt konnten wir ein neues Gästesegment im Bereich des Kulturtourismus ansprechen. So ist das Safiental denn für die zweite Auflage der Alps Art Academy und der anregenden Biennale Art Safiental bereit!»
Alps Art Academy mit 35 Teilnehmenden aus 20 Ländern
Unmittelbar vor der Art Safiental fand vom 28. Juni bis 7. Juli 2018 die zweite Alps Art Academy statt. Diese zehntägige Sommerakademie richtete sich an Kunststudierende, Künstlerinnen und Künstler aus aller Welt, die sich vertieft mit zeitgenössischen Land-Art-Themen auseinandersetzen wollen. Die ab Dezember 2017 ausgeschriebenen 35 Plätze waren rasch besetzt. Die Teilnehmenden reisten aus ganz Europa an, aber auch aus den USA, Kanada, Argentinien, Südafrika, Australien, Russland, Hongkong und Indien.
Öffentliches internationales Symposium in Tenna
Am ersten Akademie-Wochenende (Samstag, 30.6./Sonntag, 1.7.2018) fand als Teil der Academy in der Turnhalle von Tenna ein Symposium statt, das auch für die Öffentlichkeit zugänglich war. Unter dem Titel «New Tendencies in Land and Environmental Art: Horizontal – Vertikal» behandelten Dozierende der Akademie zusammen mit GastreferentInnen aktuelle Fragen zur Land Art und zur Kunst im öffentlichen alpinen Raum.
Events und Publikation
Zur Vernissage (7./8.7.2018), Finissage (21.10.) und während der Ausstellungsdauer finden verschiedene Aktionen und Vermittlungsinitiativen statt. An vier Sonntagen kann zusammen mit einem Künstler der Art Safiental ein Teil der Ausstellung erwandert werden. Ergänzt werden diese geführten Rundgänge mit einem Picknick (Termine: 22.7., 19.8., 23.9., 7.10.). Weitere Termine und das Programm finden sich unter http://www.artsafiental.ch. Zur Finissage soll eine kleine Publikation erscheinen.
cp
KÜNSTLERINNEN UND KÜNSTLER:
Lita Albuquerque (USA), Ueli Alder (CH), Paul Barsch & Tilman Hornig (D), Bildstein | Glatz (A/CH), Mirja Busch (D), Com&Com (CH), DIG Collective (UK), HR Fricker (CH), Gabriela Gerber & Lukas Bardill (CH), Bob Gramsma (CH/NL), Ingeborg Lüscher (CH), Marianne Halter & Mario Marchisella (CH), Steve Rowell (USA), Analia Saban (ARG/USA), Roman Signer (CH)
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Auf www.ch-cultura.ch u.a. erschienen:
https://www.ch-cultura.ch/museum-ausstellung-galerie/art-safiental-das-tal-ueberrascht-sich-selber
Kommentare von Daniel Leutenegger