26. Dezember 2013
Themen: Interview und Informationsfreiheit
Zwei neue Stellungnahmen des Schweizer Presserats

Autorisieren ja, Zensieren nein
Stellungnahme 65/2013 (http://presserat.ch/_65_2013_htm)
Parteien: X. c. «Südostschweiz»
Thema: Interview
Beschwerde abgewiesen
Zusammenfassung
Darf eine Zeitung ein autorisiertes Zitat gegen den Willen des Interviewten als Frontschlagzeile verwenden? Ja, sagt der Presserat. Die Autorisierung soll sicherstellen, dass die veröffentlichten direkten und indirekten Zitate dem tatsächlich Gesagten entsprechen. Sie darf jedoch nicht missbraucht werden, um einer Redaktion die Platzierung eines Zitats oder die Stossrichtung eines Artikels vorzuschreiben.
Im Vorfeld der Abstimmung über die Revision des Epidemiengesetzes veröffentlichte die «Südostschweiz» ein Porträt über einen Bündner, welcher im Referendumskomitee die Fäden ziehe und um jeden Preis einen Impfzwang verhindern wolle. Der Porträtierte beschwerte sich beim Presserat, die Redaktion habe entgegen den Vereinbarungen die aus dem Zusammenhang gerissene Aussage «Geimpfte sind Sondermülldeponien» als Frontschlagzeile gesetzt und zudem weitere Bestimmungen des Journalistenkodex verletzt.
Der Presserat erinnert daran, dass Journalismus im Gegensatz zu Public Relations nicht Selbst-, sondern Fremddarstellung ist. Wer sich auf ein Interview oder ein Recherchegespräch mit einem Journalisten einlässt, muss damit rechnen, dass der daraus resultierende Bericht ein kritisches Bild zeichnet, das unter Umständen erheblich von der eigenen Wahrnehmung abweicht. Interviewte dürfen aber erwarten, dass die Medien sie korrekt zitieren und mithin das «Recht am eigenen Wort» respektieren. Sie dürfen das Autorisieren jedoch nicht dazu missbrauchen, um einer Redaktion die Platzierung eines Zitats oder gar die Stossrichtung eines Artikels vorzuschreiben.
Informanten haben kein Weisungsrecht
Schweizer Presserat 66/2013 (http://presserat.ch/_66_2013_htm)
Parteien: X. c. «La Regione»
Thema: Informationsfreiheit
Beschwerde abgewiesen
Zusammenfassung
Sind Medienschaffende an inhaltliche Weisungen von Informanten gebunden? Der Presserat verneint dies in aller Deutlichkeit. Redaktionen sind frei, wie sie ihnen zugespielte Informationen publizistisch verwerten.
«La Regione» berichtete im August 2013 über zwei Unterschriftensammlungen von Anwohnern wegen Nachtlärms und weiterer Immissionen von Nachtlokalen in Biasca. Der Koordinator einer der Petitionen, welcher der Redaktion die Information gesteckt hatte, beschwerte sich daraufhin beim Presserat, der Artikel sei einseitig und enthalte Falschinformationen.
Der Presserat weist die Beschwerde ab. Wer Medienschaffenden Informationen anvertraut, darf nicht erwarten, dass diese sie in Umfang und Stossrichtung unverändert veröffentlichen. Die Redaktion war deshalb nicht verpflichtet, dem Wunsch des Beschwerdeführers zu entsprechen und in ihrem Bericht insbesondere die Untätigkeit der Gemeindebehörden herauszustreichen. Hingegen sind die faktischen Beanstandungen der Beschwerde für den Presserat teilweise nachvollziehbar. Die gerügten Falschinformationen erscheinen für das Verständnis der Leserschaft aber nicht genügend relevant, um daraus eine Verletzung des Journalistenkodex abzuleiten.
ots
Kontakt:
SCHWEIZER PRESSERAT CONSEIL SUISSE DE LA PRESSE CONSIGLIO SVIZZERO DELLA STAMPA
Sekretariat/Secrétariat: Martin Künzi, Dr. iur., Fürsprecher
Postfach/Case 201, 3800 Interlaken
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Kommentare von Daniel Leutenegger