29. September 2022
SCHLIMME VORWÜRFE ZUM BALLETT BERN: «ES HERRSCHT EIN KLIMA DER ANGST»
In der Ballettkompanie am Stadttheater Bern (Bühnen Bern) soll ein Probenleiter Tänzerinnen sexuell belästigt haben. «Für ihn blieb das folgenlos, doch die Hälfte des Ensembles musste gehen. Der Fall zeigt, was in der Schweizer Ballettszene schiefläuft.», schreiben Barbara Achermann und Ana Scheu Amigo in der Schweizer Ausgabe der deutschen Wochenzeitung «Zeit». «Diese Geschichte zeigt, dass manche Häuser noch immer oft erst ihren Ruf, dann den Täter und erst ganz am Schluss ihre TänzerInnen schützen. Es herrscht ein Klima der Angst.», so die Redaktion von «ENSEMBLE», dem Online-Magazin von Szene Schweiz-Scène Suisse-Scena Svizzera, dem Berufsverband Darstellende Künste.

Bild: Stadttheater Bern, 2015 – Foto: 500px, naethu, https://500px.com/photo/129077055/bern_stadttheater-by-naethu – Lizenz: https://creativecommons.org/licenses/by/3.0/deed.de – Datei: https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Bern_Stadttheater_(129077055).jpeg?uselang=de
«ENSEMBLE» fasst zusammen: «Der Probenleiter des Ensembles Bühnen Bern fiel immer wieder durch verbale Entgleisungen auf, auch körperliche Übergriffe wurden genannt. In den Lokalredaktionen von ‹Der Bund› und ‹Berner Zeitung› wusste man schon länger von den Vorkommnissen.»
Zitat «Tagesanzeiger/Der Bund» heute, 29.09.22: «Recherchen im Umfeld des Ballettensembles haben verschiedene Überschreitungen des Probenleiters zutage gebracht. Der Redaktion liegen mehrere Dokumente vor, die das nahelegen. Es geht um unangebrachte Avancen, verbale sexuelle Belästigungen und körperliche Übergriffe.»
«ENSEMBLE» schreibt:
«Wenn eine solche Geschichte bereits in den Redaktionen bekannt ist, dann bedeutet das, dass man innerhalb der betroffenen Branche meist schon viel länger davon wusste. Und da liegt das Problem.
Wieso wurde nicht früher veröffentlicht? Der Probenleiter ist eine wichtige Persönlichkeit in diesem Setting. Tänzerinnen, die sich gegen Übergriffe wehren, müssen mit Konsequenzen für ihre Karriere rechnen. So fürchten sie sich, an die Öffentlichkeit zu gehen. Und damit haben sie auch Recht, solange sich nichts ändert.
Im vorliegenden Fall hat sich eine Betroffene an die Leitung gewandt. Der Probenleiter wurde während der Untersuchung für zwei Monate freigestellt. Der Untersuchungsbericht einer externen Beraterfirma kam gemäss der ‹Zeit› zum Schluss, dass es zu verbalen Belästigungen gekommen sei. Der Verdacht, dass es auch körperliche Übergriffe gegeben habe, lasse sich allerdings nicht erhärten, heisst es weiter. Im Tanzberuf seien, anders als in einem Bürojob, ‹körperliche Berührungen und Umarmungen normal›. Der Bericht hatte keine einschneidenden Konsequenzen zur Folge. Der Täter blieb an der Macht.
Nach Abschluss der Untersuchung wurde der Probenleiter verwarnt, durfte aber an seinen Arbeitsplatz zurückkehren. Wieso jemand im Jahre 2022, nachdem ihm verbale sexuelle Übergriffe nachgewiesen wurden und körperliche Übergriffe im Raum standen, seinen Job behalten durfte, ist nicht nur den betroffenen jungen Frauen ein Rätsel. Aber man kommt vielleicht darauf, wenn man erfährt, dass die Betroffenen, die (den) Abschlussbericht der Beraterfirma anschauen wollten, einen ‹Knebelvertrag›, also eine Stillschweigevereinbarung unterzeichnen mussten.
Dass die ganze Geschichte trotzdem den Weg an die Öffentlichkeit fand, ist ehemaligen Ensemble-Mitgliedern zu verdanken, die die Aussagen der Betroffenen gegenüber der ‹Zeit› bestätigten. Dies braucht, selbst anonym, Mut. Die Szene ist nicht so gross, so dass sich immer Rückschlüsse auf die Personen ziehen lassen. Und das kann auch bei anderen Häusern zu einem Zögern führen, da diese Tänzer*innen dann als ’schwierig› gelten. Weil sie sich in einem traditionell streng hierarchischen Arbeitsumfeld für ihre Rechte wehren. Eine Geisteshaltung aus dem letzten Jahrhundert.»
Quelle / Mehr:
SRF: «Trotz Belästigungsvorwürfen: Ballett-Probeleiter arbeitet weiter»
Es geht um Sätze wie: «Du erregst mich mit deinem Tanz.» – «Mit solchen Brüsten solltest du ein engeres T-Shirt tragen.» – «Ich möchte dich heute wirklich anfassen.» Zudem soll es zu körperlichen Belästigungen gekommen sein – von Begrapschen und auf den Schoss nehmen ist die Rede. Mehrere ehemalige Tänzerinnen sprechen gegenüber der Wochenzeitung «Zeit» über ihre Erlebnisse mit dem Probeleiter von Bühnen Bern.
Die Gewerkschaft der Tänzerinnen zeigt sich empört, dass der Probeleiter weiterhin bei Bühnen Bern arbeitet. Salva Leutenegger vom Verband Szene Schweiz sagt gegenüber SRF: «Wie kann man jemanden, der Machtmissbrauch betreibt, wieder einstellen.» Wenn sich an den Strukturen nichts ändere, mache er das wieder. Das System sei ein Problem: «Wer sich wehrt, dem wird gekündigt, der Vorgesetzte bleibt und es kommen frische Leute.» Gerade junge Tänzerinnen seien den Machtpersonen ausgeliefert.
Von den Berichten aus Bern sei er deshalb nicht erstaunt, sagt Franz Kasperski, der fast 20 Jahre in der Tanz- und Theaterwelt arbeitete. Dass Übergriffe jahrelang nicht ans Licht kommen, «hat mit dem Machtsystem im Theater zu tun, mit Machtmissbrauch, mit Hoffnungen, dass alles nicht so schlimm ist und dass viele die Augen verschliessen.» Für die Betroffenen stehe viel auf dem Spiel – sie könnten ihre Anstellung verlieren. «Die Erpressbarkeit der Angestellten ist zu hoch.»
gygm;kocm;aldk
«Hauptstadt»: «Mit dem Rücken zur Wand»
Der Probenleiter der Tanzcompagnie von Bühnen Bern hat Tänzerinnen belästigt. Trotzdem ist er bis heute am Haus tätig. Die Stadt Bern kritisiert, dass sie als grösste Subventionsgeberin über die interne Untersuchung von Bühnen Bern nicht informiert worden sei.
Flavia von Gunten, Marina Bolzli, Jürg Steiner
https://www.hauptstadt.be/a/buehnen-bern-belaestigung-vorwuerfe?articleId=yRIGpUMDCgetYPN1
Mehr:
«Ich möchte dich heute wirklich anfassen»
Barbara Achermann und Ana Scheu Amigo
https://www.zeit.de/2022/40/bern-ballett-sexuelle-belaestigung-schweiz
Sexuelle Übergriffe bei Konzert Theater Bern
Redaktion «ENSEMBLE»
Belästigungsvorwürfe bei Bern Ballett – Missbräuchliche Nähe im Proberaum
Der Probenleiter des Tanzensembles von Bühnen Bern soll gemäss Recherchen der «Zeit» Tänzerinnen sexuell belästigt haben. Dieser Zeitung liegen ebenfalls entsprechende Dokumente vor.
Lena Rittmeyer, Regula Fuchs, Jessica King, Martin Burkhalter
https://www.tagesanzeiger.ch/missbraeuchliche-naehe-im-proberaum-408131188836
«Ein geschützter Raum für Machtmissbrauch»
Es sei unhaltbar, dass der beschuldigte Probenleiter bei Bühnen Bern im Haus bleiben könne, sagt Salva Leutenegger vom Berufsverband für Darstellende Künste.
Sarah Sartorius
https://www.derbund.ch/ein-stadttheater-ist-ein-geschuetzter-raum-fuer-machtmissbrauch-848347084525
Bestürzung, Bedauern und eine Weiterbeschäftigung
Trotz massiver Anschuldigungen: Der Probenleiter bleibt weiterhin bei den Bühnen Bern angestellt. Das Ballett-Ensemble hat sich für ihn ausgesprochen.
Regula Fuchs, Martin Burkhalter, Jessica King
https://www.derbund.ch/bestuerzung-bedauern-und-eine-weiterbeschaeftigung-268115624913
Die Bühnen Bern haben gehandelt – aber nicht konsequent genug
Der Entscheid, den Probenleiter trotz klarer verbaler sexueller Belästigung wieder einzustellen, bedroht den Ruf dieser wichtigen Berner Kulturinstitution.
Isabelle Jacobi
https://www.derbund.ch/die-buehnen-bern-haben-gehandelt-aber-nicht-konsequent-genug-877791072998
Kontakte:
https://buehnenbern.ch/uber-uns/presse/
#BühnenBern #StadttheaterBern #BallettBern #SexuelleBelästigungBallettBern #ÜbergiffeBallettBern #CHcultura @CHculturaCH ∆cultura cultura+
—
Nachtrag vom 30.09.2022:
«Du erregst mich mit deinem Tanz» – #MeToo ist am Ballett Bern angekommen
Im Ballettensemble Bern soll der Probenleiter Tänzerinnen sexuell belästigt haben. Bern ist nicht der einzige Fall, die Schweizer Ballettszene hat jedoch schon länger ein Problem.
Philipp Meier
—
Nachtrag vom 01.10.2022:
Der Schutz von Tänzer*innen
Belästigungen im Bern Ballett 2021. Eine externe Untersuchung. Verwarnung und Anweisungen und vermuteter Frieden. Nun lassen Zeitungsartikel angebliches neues Fehlverhalten vermuten. Ohne Beleg. Bühnen Bern packt den Stier bei den Hörnern. Der Ablauf eines hektischen Donnerstags.
Christoph Reichenau
https://journal-b.ch/artikel/der-schutz-von-taenzerinnen/
—
Nachtrag vom 04.10.2022:
Verein Berner Tanzschaffender: Neue Kritik an Bühnen Bern
Der Verein Beta bezeichnet es als untragbar, dass der Probenleiter bei Bern Ballett noch angestellt ist.
Jessica King
https://www.derbund.ch/neue-kritik-an-buehnen-bern-508051077292
Kontakt: https://be-ta.ch/news/
—
Nachtrag vom 17.10.2022:
Probenleiter fristlos entlassen
Der Probenleiter, der Tänzer*innen zumindest verbal missbraucht haben soll, arbeitet nicht mehr bei Bühnen Bern. Am 6. Oktober hat er die fristlose Kündigung erhalten. Der «Hauptstadt» liegen diesbezüglich schriftliche Informationen vor, die der Redaktion von einer anonymen Quelle zugespielt worden sind.
Flavia von Gunten
https://www.hauptstadt.be/a/probenleiter-fristlos-entlassen
—
Nachtrag vom 18.102022:
Ein Desaster auf allen Ebenen
Wieder reagiert Bühnen Bern erst auf Druck von aussen, statt das Missbrauchsdossier offensiv anzugehen – und droht damit sämtlichen Goodwill zu verspielen.
Michael Feller
https://www.derbund.ch/ein-desaster-auf-allen-ebenen-629510953670
Kommentare von Daniel Leutenegger