11. Dezember 2024
«UM DIE MEDIENKOMPETENZ DER SCHWEIZER BEVÖLKERUNG STEHT ES NICHT ALLZU GUT»
Das Berner Political-Research-Network Politools hat heute die Ergebnisse seiner Studie zur Medienkompertenz der Schweizer Bevölkerung vorgestellt. Die Studie von Jan Fivaz und Daniel Schwarz wurde in Zusammenarbeit mit dem Kompetenzzentrum für Public Management (KPM) der Universität Bern und dem Institut Public Sector Transformation (IPST) der Berner Fachhochschule Wirtschaft erstellt. Sie wurde unterstützt durch einen Medienforschungsbeitrag des Bundesamts für Kommunikation (BAKOM). Die Studie nimmt erstmals für die Schweiz eine Erhebung der Medienkompetenz – im Sinne einer digitalen Nachrichten- und Informationskompetenz – der erwachsenen Gesamtbevölkerung vor. Die Erhebung ist repräsentativ für die deutsch- und französischsprachige Schweizer Bevölkerung nach den Merkmalen Geschlecht, Alter und Bildung. Die Ergebnisse basieren auf einer Online-Befragung von rund 3’000 Personen.
Bild: © Jugend und Medien, https://www.jugendundmedien.ch/ueber-uns/medienmitteilungen
Die Analyse der Medienkompetenz nach klassischen soziodemografischen Merkmalen zeigt gemäss der Studie, «dass Deutschsprachige, Männer und höher Gebildete über eine höhere Medienkompetenz verfügen als Französischsprachige, Frauen und Personen mit niedrigem Bildungsstand. Ebenso zeigt sich, dass jüngere Altersgruppen höhere Kompetenzwerte aufweisen als ältere. Dieser Befund (…) liefert für die Frage der Ausrichtung der Medienbildung wichtige Hinweise, da im Gegensatz zur landläufigen Meinung es nicht primär die jüngsten Altersgruppen sind, welche die grössten Kompetenzdefizite aufweisen.»
In Bezug auf die Mediennutzung geben 60% an, dass sie sich mindestens einmal täglich und 90% mehrmals pro Woche über politische Ereignisse informieren. Ebenfalls hoch ist die Nutzung ausländischer Medien: In der Deutschschweiz informieren sich 60%, in der französischsprachigen Schweiz sogar 80% auch via ausländische Medien. Rund ein Drittel gibt an, dass sie ausländische Medien in einer anderen Sprache als deutsch resp. französisch nutzen.
Zentrale Informationsquellen sind nach wie vor Fernsehen, Zeitungen und der direkte Austausch mit Freunden oder Familienmitgliedern. Digitale Informationskanäle spielen insofern eine Rolle, als dass z.B. die Zeitungen primär online oder via Apps gelesen werden. Der Konsum von Fernseh- oder Radionachrichten über Websites (Mediatheken) oder Podcasts fällt hingegen deutlich geringer aus. Nicht unterschätzt werden darf in diesem Zusammenhang, dass auch Plattformen und Social Media-Kanäle (WhatsApp wird z.B. von 90%, YouTube von 73% oder Facebook von 61% benutzt) Zugang zu TV- und Zeitungsbeiträgen bieten.
Recht erfreulich sind die Befunde im Spezialbereich der Social Media-Kompetenz sowie dem verantwortungsbewussten Umgang mit dubiosen Nachrichten-Posts: Im Durchschnitt haben die Befragten 60% der Fragen bezüglich der Social Media-Kompetenz korrekt beantwortet. Gar 87% der Befragten entschieden sich in einem fiktiven Beispiel einer übereilt via WhatsApp weitergeleiteten Falschnachricht für eine verantwortungsbewusste Reaktionsmöglichkeit.
Dieses Resultat zeigt zumindest, dass die Bevölkerung wüsste, wie mit einer solchen Situation umzugehen wäre. Ob in der Realität auch entsprechend vorgegangen wird, lässt sich aufgrund der Studie nicht eruieren.
Ein bedeutender Faktor der Medienkompetenz ist die Frage nach der persönlichen Überforderung aufgrund einer «Nachrichtenflut» sowie der daraus folgenden Strategie der Informationsvermeidung («News Avoidance»), was zu tieferer Informiertheit und entsprechend geringeren Kenntnissen und Kompetenzen führt. In der Befragung geben 73% an, von der Masse an verfügbaren Informationen ganz oder zumindest teilweise überfordert zu sein, während 50% bewusst den Kontakt mit politischen Nachrichten ganz oder teilweise vermeiden.
Aus den Ergebnissen der Studie werden die folgenden Schlussfolgerungen und Handlungsempfehlungen abgeleitet:
● Mit der vorliegenden Pilotstudie konnte erfolgreich ein auf den Schweizer Kontext angepasstes Konzept der Medienkompetenzerhebung umgesetzt werden. Sowohl für Vergleiche über die Zeit als auch für den Vergleich mit dem Ausland wäre eine regelmässige und inhaltlich weiterentwickelte Datenerhebung begrüssenswert.
● Um die Medienkompetenz der Schweizer Bevölkerung steht es nicht allzu gut, was allerdings nicht den jüngeren Bevölkerungsgruppen anzulasten ist. Vielmehr sind es die älteren Befragten, die verstärkte Defizite aufweisen. Die entsprechenden Bemühungen im Rahmen der Schulbildung der vergangenen Jahre scheinen durchaus gefruchtet zu haben und sollten unbedingt beibehalten bzw. gezielt ergänzt werden. Von zentraler Bedeutung ist aber, dass zwingend niederschwellige Wege gefunden werden, die Medienkompetenz der älteren Bevölkerungsgruppen zu verbessern, wie z.B. über die Möglichkeit eines Online-Selbsttests, der neben der Messung der eigenen Medienkompetenz auch praktische Tipps zur Verbesserung der Kompetenzen bietet. Generell sollten Lösungen für ein «lifelong learning» in diesem Bereich erarbeitet werden. Sich nur auf die Kompetenzvermittlung während der Schulzeit zu verlassen, genügt nicht, zumal die heute 20-Jährigen ebenfalls älter werden und mit neuen Herausforderungen im digitalen Medienbereich konfrontiert sein werden.
● Die Studie liefert Hinweise, dass die Deklaration von Kommentaren, «Paid content», «Advertorials» oder Faktencheck-Warnhinweisen kaum wahrgenommen oder gar nicht verstanden werden. Es bietet sich daher an, diese Thematik in zukünftigen wissenschaftlichen Studien gezielt mittels eines spezifisch dafür entwickelten methodischen Ansatzes (…) zu untersuchen.
Zur Studie:
Die Medienkompetenz der Schweizer Bevölkerung
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Kommentare von Daniel Leutenegger