12. März 2014
Überwachen, blockieren, zensieren: die Aktivitäten der «Feinde des Internets»
Anlässlich des «Welttags gegen Internetzensur» vom heutigen 12. März 2014 veröffentlicht Reporter ohne Grenzen (ROG) den Bericht «Feinde des Internets». Er zeigt auf, wie diese 32 «Feinde» den Informationsfluss im Internet behindern, blockieren, manipulieren – und wie sie das Internet nutzen, um die Bevölkerung zu überwachen.

Bild: ROG
Der Bericht «Feinde des Internets» von Reporter ohne Grenzen (ROG) benennt 32 der «Feinde» – Behörden, Staaten, Geheimdienste, aber auch Internetanbieter und Unternehmen im Bereich Internettechnologie.
Drei der Organisationen, die ROG auf dieser Liste führt, sind Teile von demokratischen Staaten, die für sich beanspruchen, die Informationsfreiheit zu verteidigen: die «National Security Agency» (NSA) in den USA, das «Government Communications Headquarters» (GCHQ) in Grossbritannien und das «Centre for Development of Telematics» in Indien.
Diese Organisationen setzen im Bereich Internet flächendeckend Überwachungsmethoden ein, wie sie auch autoritäre Staaten wie etwa Iran, China, Turkmenistan und Saudiarabien anwenden. Der Iran kann dabei auf die Unterstützung von China zählen und lässt sich von China bei der Schaffung eines vom Rest der Welt abgeschotteten nationalen Internets beraten.
Auch Russland gibt sein Internet-Kontrollwissen weiter und hat sein SORM-Überwachungssystem nach Weissrussland exportiert.
«Umschlagplätze» für Überwachungstechnologie
Regimes, die sich auf den aktuellsten Stand der Online-Überwachungstechnologie bringen und entsprechende Systeme einkaufen wollen, müssen sich dafür aber nicht unbedingt an andere Staaten wenden.
Sie können dies auch an Messen tun, die unter anderem in Westeuropa stattfinden, so etwa die drei internationalen Messen ISS World, Technology Against Crime und Milipol. Dort treffen Vertreter autoritärer Regimes auf die Anbieter, die oft aus demokratischen Staaten stammen.
ROG legt in diesem Jahr ein besonderes Augenmerk auf diese «Umschlagplätze» von Internet-Überwachungstechnologie, nachdem letztes Jahr vor allem die Anbieter von Überwachungstechnologie thematisiert worden waren (http://surveillance.rsf.org/en/) – Anbieter wie Messen zeigen auf, welch wichtige Rolle privatwirtschaftliche Unternehmen bei Überwachung, Filterung und Zensur des Internets spielen.
Vorwand «nationale Sicherheit»
Vielerorts dient das Schlagwort «nationale Sicherheit» als Vorwand für eine massive Internet-Überwachung oder Internet-Zensur – dies in so unterschiedlichen Staaten wie Grossbritannien, Äthiopien, Weissrussland, Saudiarabien, USA, Sudan und Russland. Regimes, die ihre Bevölkerung von unliebsamen Informationen fernhalten wollen, setzen dabei auf die Blockierung von Websites und Filterung von Inhalten. In den Vereinigten Arabischen Emiraten etwa hat die «Telecommunications Regulatory Authority» (TRA) eine Liste von sieben Kategorien von unerwünschten Websites aufgestellt, in Pakistan sind aktuell zwischen 20’000 und 40’000 Seiten blockiert.
Nach Bedarf: Internetverkehr stoppen
In manchen Ländern, so etwa in Turkmenistan, Bahrein, Vietnam, Syrien, Iran und China kontrolliert der Staat die Internet-Infrastruktur und kann so die Online-Kommunikation nicht nur überwachen, sondern sie auch unterbinden. In Syrien und Iran wird beispielsweise nach Protesten die Internet-Bandbreite begrenzt, um so zu verhindern, dass Bilder und Filme der Demonstrationen zirkulieren.
Syrien, China und der Sudan haben in solchen und ähnlichen Situationen verschiedentlich den Internetverkehr für kurze Zeit gänzlich gestoppt. In Kuba hat sich die Netz-Zugangsmöglichkeit der Bevölkerung – nicht zuletzt durch die Installation eines unterseeischen Glasfaserkabels aus Venezuela – etwas verbessert, von einem freien Netzzugang kann jedoch nach wie vor überhaupt nicht die Rede sein.
Mehr Möglichkeiten, mehr Behinderung
Im Vergleich zu anderen Medien, die eine aufwändigere Infrastruktur wie Druckmaschinen oder Sender benötigen, ist das Medium Internet eigentlich leicht zugänglich und vereinfacht die Verbreitung von Informationen. Doch – so zeigt auch die diesjährige Liste der «Feinde des Internets» – wird diese einfache Zugänglichkeit vielerorts durch Regimes und Behörden behindert oder verunmöglicht, oft mit Hilfe von privatwirtschaftlichen Unternehmen.
Gleichzeitig dient das Internet als Überwachungshilfsmittel etwa für Geheimdienste; es verliert damit seine Offenheit. ROG fordert deshalb die UNO, die EU, die einzelnen Staaten sowie die im Bereich Internettechnologie tätigen Unternehmen dazu auf, alles zu unternehmen, um das Recht auf Informationsfreiheit im Online-Bereich durchzusetzen und zu schützen. (Die ausführliche Liste der ROG-Forderungen findet sich im Bericht «Feinde des Internets»).
rog / bb
Link zum Bericht «Feinde des Internets 2014»:
– Internationale ROG-Seite mit dem vollständigen Bericht «Feinde des Internets 2014»: http://12march.rsf.org (englische Version, wird am 12. März 2014 um Mitternacht freigeschaltet)
Links zu weiteren Informationen:
– Vollständiger ROG-Bericht «Feinde des Internets 2014» als PDF (Englisch): http://bit.ly/1ghpamA (wird in Kürze freigeschaltet)
– Weltkarte der Internetzensur: http://bit.ly/1ivj0hz
– Frühere Berichte über die «Feinde des Internets»: http://bit.ly/1oGnh3r
– Internationale Grundsätze für die Anwendung der Menschenrechte in der Kommunikationsüberwachung: http://bit.ly/IR3Ma4
– ROG-Stellungnahme zu Exportkontrollen für Überwachungstechnologie: http://bit.ly/1elRhNh
Kontakt:
Bettina Büsser
Koordinatorin Reporter ohne Grenzen (ROG) Deutschschweiz
Freie Journalistin BR
Presseladen, Postfach 294, 8042 Zürich
www.rsf-ch.ch – www.presseladen.ch
044 368 40 88 / 078 728 10 94
Kommentare von Daniel Leutenegger