12. April 2022
«CAROLINE ACHAINTRE – SHIFTINGS»
Ausstellung / Exposition Kunsthaus Centre d'art Pasquart Biel/Bienne, bis/jusqu'au 12. Juni/juin 2022
Bild: Caroline Achaintre, Alberich., 2022, Handgetuftete Wolle und Stofffutter, 250 x 215 cm, Courtesy the artist – Foto: Annabel Elston
Caroline Achaintre (*1969, FR/DE) arbeitet mit verschiedenen Medien wie Tapisserie, Zeichnung und Keramik, die sie in konzeptueller wie prozessbasierter Arbeitsweise kombiniert. Sie überführt traditionelle Techniken in die Gegenwart und erkundet dabei die Grenzen zwischen Abstraktion und Gegenständlichem. Ihre Keramiken und Aquarelle sowie die grossformatigen Wandteppiche lassen animalisch wirkende Figuren und maskenhafte Formationen in Erscheinung treten und schaffen eine spielerische und absurde Atmosphäre.
Die erste museale Einzelausstellung in der Schweiz von Caroline Achaintre gibt Einblick in das einprägsame Werk der deutsch-französischen Künstlerin. Sie bietet einen Blick auf ein künstlerisches Schaffen, das sich durch Präzision, Experimentierfreude und Unkonventionalität auszeichnet.
Der Ausstellungstitel «Shiftings» – dt. Verschiebungen, Verlagerungen, Umverteilungen – spielt nicht nur darauf an, dass Achaintre tradierte Techniken wie etwa die Tapisserie oder die Keramik in die Gegenwart überführt, sondern auch auf das ständige Ausloten der Grenzen zwischen Abstraktion und Gegenständlichem. In ihren Arbeiten treten geometrische, maskenhafte Formationen und wundersame, scheinbar animalische Figuren in Erscheinung, die unseren vorgeprägten Blick in Frage stellen und klassische Zuordnungen verschieben. Der Zauber von Achaintres hybriden Kreaturen verbirgt sich in ihrer Doppeldeutigkeit, ihre Schönheit liegt in ihrer Irritation.
Ihre kraftvollen Tapisserien entwickelt Achaintre mit der Technik des Tuftens, bei der einzelne Wollfäden mit Hilfe einer Druckpistole von hinten durch die Leinwand geschossen werden. Durch die differierende Länge der Fäden und deren Elastizität mischen sich die weichen Fasern und formen sich zu einer reliefartigen Fläche, auf der Linien und Farben ineinanderfliessen. Form, Linie und Material verbinden sich zu einem bildhaften Erlebnis, bei dem die Erkennbarkeit und die Unschärfe der Konturen in einem effektvollen Spannungsfeld stehen und Assoziationen freien Lauf lassen.
Sowohl die Farbe wie auch das Material bestechen durch ihre Eigenständigkeit und wirken in ihrer ureigenen Substanz. Die Werke muten wie geheimnisvolle Relikte einer unbekannten Kultur an und entfalten sowohl eine starke physische wie auch sinnliche Präsenz.
Achaintres Keramiken rufen Assoziationen zu Zellgeweben, Tierhäuten und Masken hervor, aber auch zu menschlichen Gesichtern. Ihre intimen Papierarbeiten erinnern wiederum an Vexierbilder oder an das tiefenpsychologische Verfahren des Rorschachtests. Meist sind es mehrere Charaktere, multiple Identitäten, die die einzelnen Arbeiten zu bevölkern scheinen.
Achaintres Inspirationsquellen sind Bilder sowohl aus der Hoch- als auch aus der Popkultur. Neben kunsthistorischen Bezugspunkten u.a. zum deutschen Expressionismus, Primitivismus und zur Arts-and-Crafts-Bewegung ist das Horror-, Heavy Metal- und Science-Fiction-Genre für sie ebenso von Bedeutung wie der subversive Geist mitteleuropäischer Karnevals- und Fastnachtsbräuche.
Das Lebendige, Farbmächtige und Humorvolle kennzeichnet Achaintres Werk ebenso wie das Archaische, Dunkle und Geheimnisvolle. An der Grenze zum «Unheimlichen» (Sigmund Freud) lässt sich in vermeintlich Gewohntem Fremdartiges entdecken; ein Wandteppich wird zur animistischen Gestalt oder Wolle zum Haar. Handelt es sich um abstrakte Formen oder um anthropomorphe Wesen? Sind es Muster, Rechtecke und Kreise oder Kleidungsstücke, Fell, Federkleid, Münder und Augen? Und schliesslich: betrachten wir oder werden wir beobachtet?
Die Ausstellung ist eine Kooperation mit dem Kunstmuseum Ravensburg, DE.
Kuratorinnen:
Stefanie Gschwend und Felicity Lunn
cap
Kontakt / Contact:
https://www.pasquart.ch/fr/actuel/
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Kommentare von Daniel Leutenegger