10. Juli 2011
Ein Vergessener der Schweizer Reportagefotografie der Nachkriegszeit
«Albert Winkler Fotografien 1950 – 1975», Fotoausstellung im Kornhausforum Bern im Stadtsaal, noch bis am 7. August 2011
Foto: Albert Winkler
Nach der Retrospektive des Fotoreporters und Lokalchronisten Walter Nydegger 2009 und den Reportagen von Margrit und Ernst Baumann im vergangenen Jahr zeigt das Kornhausforum in seiner Sommerausstellung das Werk eines weiteren Berner Fotografen: Albert Winkler, 1923 in Zürich geboren, 1978 in Bern gestorben, ist ein Vergessener der Schweizer Reportagefotografie der Nachkriegszeit.
Berühmt wurden Albert Winklers Bilder von der Rettung des Italieners Claudio Corti 1957 aus der Eigernordwand. Die Aufnahme eines Retters mit dem verletzten Corti auf dem Rücken, wenige Meter unter der Bergspitze fotografiert, wurde weltweit veröffentlicht.
Zur Hauptsache arbeitete Winkler jedoch für die «Schweizer Illustrierte», «Femina», «Meyer’s Modeblatt» und die «Schweizerische Radiozeitung». Wie Margrit und Ernst Baumann besuchte auch Winkler die Kurse von Hans Finsler, dem legendären Fotolehrer und Vertreter der Neuen Sachlichkeit, an der Kunstgewerbeschule Zürich. 1953 eröffnete er an der Berner Gerechtigkeitsgasse sein erstes Atelier, später zog er ins Kirchenfeld.
Winklers Schaffen als selbständiger Fotograf fiel in die Zeit des Übergangs von der Reportage- zur Werbefotografie. Die Aufträge für Reportagen waren die schöne Zugabe, der Alltag war bestimmt von Sach- und Industriefotografie, Werbe- und Imagebildern.
Die Ausstellung im Kornhausforum zeigt in rund 140 Neuabzügen Winklers schwarz-weisse Reportagefotografie vornehmlich aus den 1950er- und 1960er-Jahren. Sie entstand in der Schweiz und im jungen Nachkriegseuropa, in Italien und Spanien, in Schweden und Norwegen.
In der Schweiz folgten Albert Winklers Reportagen dem klassischen Katalog der Bildberichterstattung: Alltag, Volksbräuche, Kultur, Gesundheit, Mensch und Technik, Mensch und Natur.
Es hat darunter Reportagen über das Käseteilen im Justistal und den Bau einer Wasserleitung hoch oben am Fels im Turtmanntal, es hat Reportagen über die Sanitäts-Kontrolle der italienischen Fremdarbeiter an der Grenze in Brig und die Schulung von behinderten Kindern in Berner Heimen. Und es hat, immer wieder, Blicke auf Bern und noch tiefere Blicke auf Berns Kulturleben. Winklers in der Schweiz realisierte Reportagen sind atmosphärisch dichte Berichte aus dem Innern des Landes.
Albert Winkler war ein poetischer Realist. In seiner Arbeit fühlte er sich zutiefst einem humanistischen Weltbild verpflichtet. Den Bildern ist anzumerken, dass er vertraut war mit den Menschen, die er fotografierte, den Berglern ebenso wie den Leuten in der Stadt. Aber er hat diese Nähe nicht ausgenutzt, er fotografierte mit Respekt, auch wenn es zuweilen einfach gewesen wäre, reisserische Bilder zu machen.
Winklers Fotografie steht – ohne dass er das selber so für sich beansprucht hätte – in der Tradition des italienischen Neorealismus und der Magnum-Fotografie. Die vom amerikanischen Fotografen Edward Steichen in den 1950er-Jahren zusammengestellte Ausstellung «The Family of Man» war für Winklers Schaffen wegweisend.
Die Ausstellung im Kornhausforum ist, über 30 Jahre nach dem Tod des Fotografen, die erste grössere Retrospektive von Albert Winklers Reportagefotografie. Realisiert wird sie, wie bereits bei Walter Nydegger, in Zusammenarbeit mit dem Staatsarchiv des Kantons Bern, in dessen Sammlung sich der Nachlass des Fotografen seit 2001 befindet. Zur Ausstellung erscheint eine von Markus Schürpf herausgegebene Publikation.
kfb
Freier
Eintritt
Öffnungszeiten:
Di/Mi/Fr 12:00 – 17:00 Uhr
Do 12:00 – 20:00 Uhr
Sa/So 11:00 – 16:00 Uhr
Kontakt:
http://www.kornhausforum.ch/index.php?id=76&evt=170&step=4&pos=0
Kommentare von Daniel Leutenegger