26. August 2022
«FÜR IMMER JADE – CHINESISCHE JADEMINIATUREN AUS VIER JAHRTAUSENDEN»
Ausstellung im Museum Rietberg Zürich, vom 26. August 2022 bis am 22. Januar 2023
Bild oben: Zwei Dachse. Qing-Dynastie, Qianlong-Periode (1736–1795), 5,2 × 5,1 × 1,7 cm; Museum Rietberg, Zürich; Sammlung Reinhard J. C. Hoeppli; Depositum der Schweizerischen Eidgenossenschaft, Bundesamt für Kultur, Bern, Inv.-Nr. H 111. Fotografie © Felix Streuli
Sanft vom Licht durchschienen und matt glänzend, schmeichelnd weich in der Berührung und doch härter als Stahl, von der Natur geschaffen und vom Menschen bearbeitet – kein anderes Material wurde in China so sehr geliebt wie die Jade.
Die Ausstellung «Für immer Jade» ist eine Liebeserklärung an die chinesische Jadekunst. Sie zeigt gut 130 Jademiniaturen aus der Sammlung des Museums. Die detailreich gestalteten, nur wenige Zentimeter grossen Skulpturen sind kleine Meisterwerke. Ihre Raffinesse und Schönheit wird durch 30 grossformatige Aufnahmen des Zürcher Fotografen Felix Streuli in kongenialer Weise ins Licht gerückt. Die herausragenden Fotografien bilden ein wunderbares Ensemble mit den Jadefiguren und sind Kunstwerke an sich.
In China bezeichnet Jade vor allem den Mischkristall Nephrit. Der faszinierende Stein kommt in subtilen Farbnuancen von milchig weiss über rosa und grün bis zu fast schwarz vor. Seine Härte und Zähigkeit stellt die Handwerker vor höchste Herausforderungen. Nur durch das Schleifen mit Quarzsand kann die Jade in Form gebracht werden und erst durch tagelanges Polieren offenbart sie ihren zauberhaften Glanz. Dennoch wurde sie seit dem Neolithikum bearbeitet.
Macht und Magie
Jade ist in der chinesischen Kultur seit Jahrtausenden fest verankert. Jadeobjekte dienten als Herrschaftssymbole und als magische Amulette. Sie wurden den Toten mit ins Grab gegeben und sollten die Gesundheit der Lebenden stärken. Sie verliehen ihren Besitzern Prestige und versinnbildlichten den Liebreiz ihrer Besitzerinnen. Sie standen für Gelehrsamkeit und für das Streben nach sozialem Aufstieg. Sie waren kostspielige Spielereien und handwerkliche Bravourstücke.
Bild: Vogel mit Bambus und Litschi. Qing-Dynastie, 18. oder 19. Jahrhundert, 6,9 × 2,9 × 4,0 cm; Museum Rietberg, Zürich; Sammlung Reinhard J. C. Hoeppli; Depositum der Schweizerischen Eidgenossenschaft, Bundesamt für Kultur, Bern, Inv.-Nr. H 123. Fotografie © Felix Streuli
Sammelleidenschaft
Im 10. Jahrhundert begann man die antiken Jadeobjekte als Zeugnisse einer idealisierten Vergangenheit zu studieren und zu sammeln. Bald gehörte es unter den Mitgliedern der gebildeten Oberschicht zum guten Ton, eine exquisite Sammlung an Antiquitäten zu besitzen. Um die Nachfrage zu befriedigen, begannen die Jadewerkstätten Stücke im alten Stil nachzuahmen. Sie schufen aber auch neue Typen, die bei den wohlhabenden Schichten grossen Anklang fanden.
Ihren Höhepunkt erlebte die Sammelleidenschaft im 18. Jahrhundert. Nicht mehr nur die Elite, sondern auch die aufstrebende Mittelschicht liebte die Jadeobjekte und erwarb – je nach finanziellen Möglichkeiten – eine kleine Sammlung. Stilistisch bevorzugten sie verspielte, naturalistische Darstellungen. So entstanden Miniaturen von mythischen Wesen und Figuren, von Tieren und Pflanzen, ja sogar von Früchten und Gemüsen.
All diese Darstellungen haben eine verschlüsselte, den meisten aber bekannte, symbolische Bedeutung: Beispielsweise bilden zwei Dachse, die sich zärtlich an Schnauze und Pfoten berühren, ein Wortspiel für eheliches Glück; ein prachtvoller Paradiesvogel mit Litschi und Bambus vereint Anspielungen, die eine grosse Nachkommenschaft an talentierten Söhnen wünschen; drei niedliche Äffchen, die auf einem Pfirsich herumklettern, verheissen beruflichen Aufstieg und ein langes Leben, und zwei ineinander verschlungene Welse sind ein Rebus für «Mögest du Jahr für Jahr im Überfluss leben».
Die Jadesammlung im Museum Rietberg
Der Faszination für Jade konnte sich auch der Schweizer Mediziner Reinhard J. C. Hoeppli (1893–1973) nicht entziehen. Von 1929 bis 1952 lehrte er am Union Medical College in Beijing und erwarb in dieser Zeit auf den pulsierenden Antiquitäten– und Kunstmärkten der Hauptstadt eine Sammlung von über 200 Jadeobjekten. Seine Liebe galt vor allem den kleinen Miniaturen, den nur wenige Zentimeter grossen und äusserst raffiniert gearbeiteten Figürchen: ein Kohlkopf mit filigran gewundenen Blättern, zwei spielende Löwenbabys, in deren Mitte sich ein kleiner Ball frei bewegt, eine feingliedrige Gottesanbeterin, die starr auf einer Bambussprosse lauert. Solche lebensnahen Objekte müssen den Naturwissenschaftler begeistert haben. Als er Beijing verliess, vermachte er seine Jaden der Schweizerischen Eidgenossenschaft. Seitdem ist die Sammlung als Depositum des Bundesamtes für Kultur am Museum Rietberg beheimatet.
Zum Leben erweckt
Der Fotograf Felix Streuli hat sich ebenfalls in die chinesischen Jademiniaturen verliebt. 2019 war er auf der Suche nach Kunstobjekten, die sein Interesse an einer Inszenierung wecken könnten. Die kleinen Jaden mit ihren winzigen Details, dem durchscheinenden Material und dem subtilen Glanz waren wohl genau die Herausforderung, die er sich erhofft hatte. Mit seinen Fotografien hat er die Objekte zum Leben erweckt. Der lauernde Blick eines Raubtiers, das üppige Spriessen einer Lotospflanze, das sanfte Gemüt eines ruhenden Büffels oder auch die schwebende Transparenz einer perfekt geformten Schale – die kleinen Objekte entfalten unter dem künstlerischen Blick von Felix Streuli eine noch nie gesehene Präsenz.
Bild: Spinne und zwei Libellen. Qing-Dynastie, Qianlong-Periode (1736–1795), 2,2 x 3,9 x 2,6 cm; Museum Rietberg, Zürich; Sammlung Reinhard J. C. Hoeppli; Depositum der Schweizerischen Eidgenossenschaft, Bundesamt für Kultur, Bern, Inv.-Nr. H 95. Fotografie © Felix Streuli
Konfuzius über Jade
Die Weisen in alter Zeit fanden alle hervorragenden Qualitäten in der Jade:
Warm, weich und glänzend, steht sie für Mitmenschlichkeit;
Fein, dicht und widerstandsfähig, steht sie für Gelehrtheit;
Eckig, doch nicht scharfkantig und schneidend, steht sie für Rechtschaffenheit;
Da sie – in Perlketten vom Gürtel herabhängend – sich bis hinunter auf den Boden zu beugen scheint, steht sie für angemessenes Benehmen;
Da ihr Ton, wenn man sie anschlägt, klar und langanhaltend ist, und doch plötzlich verklingt, gleicht sie Musik;
Da ihr Glanz weder Unvollkommenheit verschleiert, noch selbst von Unvollkommenheit verschleiert wird, steht sie für Loyalität;
Weil ihre guten inneren Eigenschaften von aussen sichtbar sind, steht sie für Vertrauen;
Da Ihre Ausstrahlung dem Glanz des Regenbogens gleicht, steht sie für den Himmel;
Da sie die in Bergen und Flüssen innewohnenden Kräfte verkörpert, steht sie für die Erde;
Da bei Audienzen Ritualgegenstände aus Jade eine besondere Bedeutung haben, steht sie für Tugend;
Weil es auf Erden niemanden gibt, der sie nicht schätzt, verkörpert sie den perfekten Weg.
(aus dem Buch der Riten)
Jade als Medizin
Das deutsche Wort «Jade» kommt vom spanischen pierra de ijadas. «Lendenstein», so nannten die Spanier das Material, das in Mittelamerika seit frühester Zeit geschliffen und bearbeitet wurde. Die Eroberer des 16. Jahrhunderts waren aber weniger an dessen kultureller Bedeutung interessiert, als an der medizinischen Wirkung. Der Stein wurde in Mexiko gegen Schmerzen im Lendenbereich und Nierenleiden eingesetzt.
Die Ärzte im alten China verschrieben Jadeflocken als Stärkungsmittel und Krankheitsprophylaxe. Man glaubte, die positiven Eigenschaften der Jade würden vom Körper absorbiert werden. Zudem diente Jadeschmuck in China auch als Omen: Ist die Jade leuchtend und durchscheinend, kündigt sich Glück an; wird sie trüb und stumpf, steht Unheil bevor.
mrz
Kontakt:
https://rietberg.ch/ausstellungen
Bild: Zodiakaltier – Schwein. Qing-Dynastie, Qianlong-Periode (1736–1795), 5,9 x 3,9 x 2,6 cm; Museum Rietberg, Zürich; Sammlung Reinhard J. C. Hoeppli; Depositum der Schweizerischen Eidgenossenschaft, Bundesamt für Kultur, Bern, Inv.-Nr. H 157. Fotografie © Felix Streuli
Kommentare von Daniel Leutenegger