24. Oktober 2024
«GRÖNLAND. ALLES WIRD ANDERS»
Ausstellung im ALPS Alpines Museum der Schweiz, Bern, vom 25. Oktober 2024 bis am 16. August 2026
Bild: Grönlands Eis schmilzt heute sechs Mal schneller als noch vor 40 Jahren – Kind in Kullorsuaq – Foto: © Julian Jonas Schmitt
Mit seiner neuen Hauptausstellung führt das ALPS Alpines Museum der Schweiz mitten in die Transformationen unserer Zeit – mit all ihren Brüchen, Dilemmas und Widersprüchen.
Die filmische Ausstellung vertieft über zwei Stockwerke die grossen Themen unserer Zeit mit den damit verbunden Fragen: Klimawandel – was lässt sich verhindern, wo müssen wir uns anpassen? Sind Globalisierung und selbstbestimmte Modernisierung gleichzeitig denkbar? Lässt der zunehmende Sog von Städten Dörfern eine Zukunft? Wann wird Tourismus zu Overtourismus? Rechtfertigt die Energiewende dank seltenen Erden massive Eingriffe in die arktische Natur?
Bild: Kullorsuaq – Foto: © Julian Jonas Schmitt
Bild: Mehr Infrastruktur, mehr Tourist:innen: Tourismus-Hotspot Iulissat – Foto: © Julian Jonas Schmitt
Grönlands Gegenwart ist eine Gegenwart der Widersprüche und Dilemmas. Raumgreifende Projektionen stehen rund dreissig Interviews gegenüber, in denen Grönländer:innen – vom Fischer über die Schauspielerin, von der Politikerin zum Flughafenmanager, zum Studenten, zum Jäger und zur Influencerin – ihre Erfahrungen und ihre persönliche Sicht auf Grönland teilen.
Auch der lebendigen grönländischen Musikszene widmet die Ausstellung einen eigenen Schwerpunkt. Die Vielfalt an Sichtweisen fordert immer wieder heraus, Widersprüchliches auszuhalten, (vor)schnelle Urteile zu hinterfragen. Uns damit auseinanderzusetzen, dass vermeintliche Antworten immer wieder zu Fragen werden, wie es die Schauspielerin Aka Niviâna Mørch Pedersen Im Interview sinngemäss formuliert.
«Grönland. Alles wird anders» steht für eine Welt, die auch in der Schweiz existiert und uns herausfordert.
Bilder: Die Arktis erwärmt sich bis zu vier Mal schneller als der Rest der Welt – Fotos: © Gian Suhner
Begleitende Veranstaltungen und ein hochwertiges, 200-seitiges Magazin bieten weitere Vertiefung und visuelle Perspektiven – etwa jene des jungen grönlandischen Fotografen Inuuteq Storch, der mit seiner Arbeit für den dänischen Pavillon an der aktuellen Biennale von Venedig Aufsehen erregte.
Die Filmaufnahmen zu «Grönland. Alles wird anders» entstanden während drei Grönlandreisen zwischen Sommer 2023 und 2024 mit einem Team rund um Ausstellungsmacher Beat Hächler und Co-Kurator und Filmemacher Gian Suhner, das bereits die erfolgreiche Nordkorea-Ausstellung «Let’s Talk about Mountains» realisierte (ab
2020 im ALPS).
Grönland – die «horizontalen Alpen»
«Ich behaupte: Grönland steht für viele Menschen in der Schweiz für Schnee und Eis, unberührte Natur, aber auch für die Auswirkungen des Klimawandels, der der Arktis besonders zusetzt», sagt Beat Hächler. Darin gleiche die Arktis durchaus hoch-alpinen Zonen – nicht umsonst wurde Grönland zu Beginn des 20. Jahrhunderts von Schweizer Polarforschern wie Alfred de Quervain als «die horizontalen Alpen» wahrgenommen. Die Verbindung zwischen der Schweiz und Grönland in der Klimaforschung ist bis heute eng.
«Auch wir starteten mit vereinfachenden Vorstellungen in die Dreharbeiten», ist sich Beat Hächler bewusst, «und wir trafen auf Menschen in einem vielfältigen, oft widersprüchlichen Umfeld. Wir realisierten: Es ist die Welt, in der wir leben, die uns in Grönland verdichtet begegnet. Das möchten wir in der Ausstellung zeigen.»
Dafür öffnet sie vor allem Raum für grönländische Stimmen – ohne Kommentare und vorschnelle Bewertung. «Facts und Figures» finden sich konzentriert in einem eigenen Raum.
Bild: Der Eisbär – in Grönland vor allem als Vermarktungssujet auf Maskottchen, Klubfahnen oder Glacen omnipräsent. In den Boxen finden sich Fakten und Zahlen zu Grönland – Foto: © Julian Andrea Rupp
Mit, nicht über Menschen in Grönland sprechen
Haltung und Vorgehen des Filmteams machen «Grönland. Alles wird anders» zu einer Ausstellung mit, nicht über Menschen, die in Grönland leben. Die Zusammenarbeit vor Ort war für das Projekt entscheidend. Gian Suhner: «Mit der Zeit fingen wir an zu verstehen, was wir nicht verstehen», was zu immer weiteren Gesprächen und neuen Perspektiven geführt habe. Das Publikum soll auf eine ähnliche Reise eingeladen werden, in dem es frei wählt, welchen Stimmen es sich über Kopfhörer zuwenden möchte.
Alberte Parnuuna, die als grönländische Filmemacherin das Filmteam mitberaten hat, formuliert ihre Wünsche und Erwartungen so: «Ich will einfach, dass die Leute wissen, dass wir in Grönland Menschen sind, wie sie auch in der Schweiz Menschen sind. Viel stärker als geografische Unterschiede und Differenzen in kulturellen Codes sind nämlich unsere gemeinsamen Erfahrungen.» Und diese seien nicht so verschieden – in der heutigen Welt, in der wir alle leben.
Ökologischer Fussabdruck
Für das Ausstellungsprojekt «Grönland. Alles wird anders» reiste das vierköpfige Filmteam aus Berlin und Bern dreimal nach Grönland und war mit Flugzeug, Helikopter und Boot unterwegs, Strassenverbindungen gibt es keine. In der Postproduktion kamen Reisen zwischen Bern, Berlin und Wien dazu. Der CO2-Ausstoss der Dreharbeiten in Grönland und für die Postproduktion beläuft sich auf rund 27 Tonnen. Das entspricht etwa einer Kreuzfahrtreise von 20 Tagen für eine vierköpfige Gruppe in Zweier-Kabinen. Das Filmteam hielt sich insgesamt 10 Wochen in Grönland auf und gab in dieser Zeit rund 90’000 CHF aus für Transportdienstleistungen, Unterkünfte, Lebensmittel, Restaurants, Kulturangebote und Filmproduktionskosten.
Im Ausstellungsbau und -betrieb wurde auf Nachhaltigkeit geachtet: Das ALPS nutzt ausschliesslich Strom aus nachhaltiger Produktion. Für die Beleuchtung wird ein stromsparendes LED-Lichtsystem, für die Projektionen energieeffiziente Laser-Beamer eingesetzt. Für die Schnurbespannung der Raumwände wurde Ocean Yarn verwendet, der aus rezykliertem Meeresplastik gewonnen wird.
cp
Kontakt:
https://alps.museum/ausstellungen?tab=vorschau
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Bild: Die Silent Disco im Schlussraum bietet ein «Best of» grönländischer Musik aus Pop, Rock, Rap, Reggae und Klassikern – ausgewählt von den Grönländer:innen, die am Projekt mitgewirkt haben – Foto: © Julian Andrea Rupp
Kommentare von Daniel Leutenegger