16. November 2022
«HEIMAT. AUF SPURENSUCHE IN MITHOLZ»
Ausstellung im Alpinen Museum der Schweiz in Bern, vom 19. November 2022 bis am 30. Juni 2024
Bild: Fast jede Familie besitzt Gegenstände, die an die Explosionskatastrophe von 1947 erinnern – Foto: © Olivier Rüegsegger / Alpines Museum der Schweiz
Ein partizipatives Projekt mit Menschen aus dem Bergdorf Mitholz über Heimat, Erinnerung, Risiko und Verantwortung.
Am 25. Februar 2020 erhalten die Bewohnerinnen und Bewohner des Berner Oberländer Dorfs Mitholz eine Nachricht, die ihr Leben verändert: In zehn Jahren sollen sie ihren Heimatort für zehn Jahre verlassen.
So lange braucht der Bund für die Räumungsarbeiten im ehemaligen Munitions-Depot unter der «Fluh». Hier kam es nach dem 2. Weltkrieg zu einer Explosions-Katastrophe, die die meisten Häuser zerstörte und neun Menschen in den Tod riss.
Seit der Mitteilung vom Februar 2022 leben die Bewohnerinnen und Bewohner von Mitholz zwischen Ohnmacht und Aufbruch.
Was Heimat bedeutet, zeigt sich meist erst dann, wenn man sie verliert.
Persönliche und gesellschaftliche Perspektiven
In einem gemeinsamen Projekt setzten sich Menschen aus Mitholz und das Alpine Museum der Schweiz mit der Bedeutung von «Heimat» und mit der ungewissen Zukunft auseinander.
Die Spurensuche führt von der Explosionsnacht 1947 bis in die Zukunft. Die Ausstellung eröffnet Zugänge über informative, sinnliche und installative Elemente. Sie gibt dem persönlichen Erleben der MitholzerInnen ebenso Raum wie gesellschaftlichen Fragen unserer Zeit.
Das Alpine Museum der Schweiz versteht sich als diskursive Plattform für Gegenwarts- und Zukunftsfragen. Mit «Heimat» will es Raum für Reflexion und Dialog bieten – über die Ausstellung hinaus auch mit dem Magazin «Über Heimat nachdenken» und einem begleitenden Veranstaltungsprogramm.
Zusammenstehen im Abschiedschor
«Aufräumen und weiterleben» hiess es für die MitholzerInnen nach der verheerenden Explosion vor 75 Jahren. Fast jede Familie hat Gegenstände aufbewahrt, die davon erzählen. Die Ausstellung beginnt bei der Erinnerung an das, was war. Sie führt weiter, etwa in das mit allen Sinnen erlebbare «Archiv Mitholz« oder mitten in eine begehbare Musikinstallation, den »Abschiedschor». Für die Ausstellung komponierte Kathrin Künzi, Musikerin mit Wurzeln in Mitholz, das Lied «Läb wohl Mitholz» und spielte es mit einem Chor aus Projektbeteiligten und Freiwilligen ein.
In persönlichen Aussagen wird das Erleben der DorfbewohnerInnen explizit: «Ich bin hier geboren und aufgewachsen. (…) Es hat mich fast ‹verschrissen›, als ich erfuhr, dass ich wegmuss. Ich wollte hier alt werden, bis sie mich im ‹Truckli› raustragen.» Neben den individuellen Perspektiven stehen die mess- und kontrollierbaren technischen Prozesse der geplanten Räumungsarbeiten. So etwa die umfangreiche Variantenevaluation des Departements für Verteidigung, Bevölkerungsschutz und Sport (VBS) auf der Suche nach dem richtigen Umgang mit der Munition. Für die Ausstellung wurden die geprüften Möglichkeiten illustriert und aufgearbeitet, so dass sich interaktiv erkunden lässt: räumen, überdecken, fluten oder sprengen?
Mitholz geht uns alle an
Noch während der Ausstellungskonzeption wurde klar, dass die Evakuierung von Mitholz nicht alle BewohnerInnen in gleichem Mass betrifft. Die Behörden verkleinerten den Sicherheitsperimeter: 51 Personen müssen wegziehen, 87 weiteren ist der Entscheid freigestellt.
Neue Wendungen sind auch während der Laufdauer zu erwarten und werden als Chronologie der Ereignisse in die Ausstellung integriert. Die grossen Fragen aber bleiben. Sie stellen sich in Mitholz radikal, wie unter dem Brennglas: Wie prägen uns Erinnerungen? Als Individuen, als Gesellschaft? Welche Risiken wollen wir eingehen? Was bedeutet Heimat? Sie werden in der Ausstellung direkt an die Besuchenden gerichtet und es wird klar: Mitholz geht uns alle an.
amb
Kontakt:
https://www.alpinesmuseum.ch/de/ausstellungen/heimat
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Bild: Aufräumarbeiten nach der grossen Explosion 1947.
Kommentare von Daniel Leutenegger