1. Mai 2009
In Zürich: Originales originelles aus China
Das Museum Rietberg Zürich zeigt in Zusammenarbeit mit dem New Yorker Metropolitan Museum of Art bis zum 12. Juli 2009 eine Ausstellung, die dem chinesischen Maler Luo Ping (1733–1799) gewidmet ist.
In China wird Luo Ping als einer der originellsten Künstler seiner Zeit gefeiert. Er galt als Experte des Übernatürlichen, der Geister sah und malte. Ziel der Ausstellung ist es, einem der grossen Meister der chinesischen Kunst den längst verdienten internationalen Auftritt zu verschaffen
Einige Zeitgenossen beschrieben Luo Ping als tugendhaften Gelehrten, liebevollen Gatten, treusorgenden Familienvater und frommen Buddhisten, andere sahen in ihm einen frechen Sonderling und charmanten Partygänger. Der Facettenreichtum seiner Persönlichkeit spiegelt sich auch in Luo Pings vielfältigem Œuvre.
Es ist das erste Mal überhaupt, dass Luo Pings Meisterwerke in dieser Vielzahl im Westen gezeigt werden. Hochkarätige Leihgaben aus dem Palastmuseum in Beijing und dem Shanghai Museum gehören zu den Höhepunkten dieser Ausstellung.
Luo Ping wurde 1733 in der florierenden Kultur- und Wirtschaftsmetropole Yangzhou geboren. Bereits in jungen Jahren machte er mit seinen künstlerischen und literarischen Talenten von sich reden und erweckte das Interesse von Jin Nong (1687–1763), einem der führenden Vertreter der Yangzhouer Bohème, der den 23-jährigen Luo als Schüler aufnahm. Bis zu Jins Tod verband die beiden eine ungewöhnlich enge Beziehung, die innerhalb der Geschichte der chinesischen Kunst einmalig ist. Jin wie Luo zählen zu den «Acht Exzentrikern von Yangzhou», einer losen Gruppe individualistischer Maler, die mit ihrer Kunst die chinesische Malerei revolutionierten.
In seiner zweiten Lebenshälfte wirkte Luo Ping vor allem in Beijing. Anders als in Yangzhou, der mondänen, südlichen Metropole des Mandschu-Reiches, bestimmte ein konservativer Geist das intellektuelle Klima der Hauptstadt. Literarische Altertumsforschung und kunsthistorische Studien, kurz, der Blick zurück in die Vergangenheit, beschäftigten die Gelehrten und hohen Beamten. Dies blieb nicht ohne Wirkung auf Luo Ping, der in seinen Bildern vermehrt Bezug nahm auf die Kulturgeschichte.
Aufsehen erregte er unter den Beijinger Intellektuellen mit dem sehr originellen und persönlichen Werk «Die Geisterbelustigung». In acht einzelnen Szenen schildert er die Welt der Geister, die er, eigenen Worten zu Folge, selbst gesehen habe.
Bis ins frühe 20. Jahrhundert inspirierten Luo Pings Visionen die Betrachter zu Kommentaren und Interpretationen, die sie um die Bilder herum schrieben. Heute misst das Werk über 25 Meter und verzeichnet mehr als 160 Aufschriften: ein einmaliges Zeugnis in der Geschichte der Kunst. Die «Geisterrolle», wie das Werk auch genannt wird, ist denn auch ein Höhepunkt der Ausstellung.
Fotos: Museum Rietberg, Zürich
Nicht weniger eindrücklich sind Luo Pings unkonventionellen Porträts. Mit feiner Ironie nähert er sich seinen Modellen und schafft damit Bildnisse, die weit mehr sind als Charakterstudien damals berühmter Persönlichkeiten. Sie wirken auch heute noch modern.
Neben der öffentlichen Aufmerksamkeit erfreute sich Luo Ping auch eines von Liebe geprägten Familienlebens. Bereits mit neunzehn Jahren hatte er die Dichterin und Malerin Fang Wanyi (1732–1779) geheiratet. Gemeinsam mit seinen Kindern spezialisierte sich das Künstlerpaar auf Darstellungen der symbolträchtigen Pflaumenblüten. Dank einiger Bildaufschriften und Gedichte wissen wir, dass die Beziehungen innerhalb der Familie von tiefer Zuneigung geprägt waren.
Virtuosität und Vielfalt zeichnen Luo Pings Kunst aus. Sein Umgang mit dem Pinsel ist meisterhaft, aber es gefiel ihm ebenso, mit seinen Fingern zu malen. Er liebte das Experiment und begeisterte sich für Neues (er rezipierte sogar europäische Vorlagen), vergass darüber jedoch nie die eigene Tradition, die er in seiner unvergleichlichen Art weiterführte.
Ausstellung
Die Schau versammelt bekannte und unbekannte Meisterwerke, die zum grössten Teil selten oder nie öffentlich ausgestellt waren. Viele der Leihgaben aus chinesischen Museen zählen zu den «Nationalschätzen ersten Ranges». Ergänzt werden Luo Pings Werke durch Arbeiten seines berühmten Lehrers Jin Nong, seiner Frau, seiner Kinder sowie seiner Freunde. Diese breite Auswahl ermöglicht es, das Umfeld des Künstlers in seiner ganzen Vielfalt auszuloten und erlebbar zu machen. Die Entdeckung dieses faszinierenden Künstlers ist ein einmaliges Erlebnis: Sein anrührend-menschliches Werk führt uns ein China vor Augen, das wir so noch nicht kannten.
Im Herbst 2009 wird die von Museum Rietberg konzipierte Ausstellung auch im Metropolitan Museum of Art in New York gezeigt werden.
Film
Die wundersame Welt des Luo Ping
Ein Film von Albert Lutz und Guy Fässler, 2009
Dauer: 30 Minuten
Katalog
Zur Ausstellung erscheint ein reich bebildeter Katalog in einer deutschen und einer englischen Version. Er enthält Beiträge von namhaften chinesischen und westlichen Malereispezialisten. Der Katalog stellt einen wichtigen Beitrag zur Erforschung der späteren chinesischen Malerei dar und wird als neues Referenzwerk zu Leben und Werk von Luo Ping gelten.
Luo Ping (1733–1799) – Visionen eines Exzentrikers
Herausgegeben von K. Karlsson, A. Murck und M. Matteini; ca. 300 Seiten, zahlreiche Farb-Abbildungen, 24,5 x 30 cm
ISBN 978-3-907077-41-2
Subskriptionspreis (bis 12. Juli 2009): ca. CHF 58 (zzgl. Porto und Verpackung)
Zahlreiche Rahmenaktivitäten
(Konzerte, Workshops, Vorträge, Führungen etc.)
mrz
Kontakt:
http://www.stadt-zuerich.ch/kultur/de/index/institutionen/museum_rietberg.html
Kommentare von Daniel Leutenegger