6. Dezember 2015
«KLEE IN BERN»
Ausstellung im Zentrum Paul Klee Bern, bis am 12. Januar 2016
Bild: Paul Klee, Paukenspieler, 1940, 270, Kleisterfarbe auf Papier auf Karton, 34,6 x 21,2 cm, Zentrum Paul Klee, Bern
Nach einer grossen Karriere in Deutschland, u.a. als Lehrer am Bauhaus, sah sich Paul Klee 1933 aufgrund der politischen Entwicklungen und als «entarteter Künstler» gezwungen, in seine Heimatstadt Bern zurückzukehren, wo er sein einmaliges Spätwerk schuf.
Die Ausstellung vermittelt einen Überblick über Klees künstlerisches Gesamtwerk und hält bei seinen Berner Motiven, Berner Sammlern und den wichtigen Berner Ausstellungen inne. Daneben werden Klees Auswirkungen auf Berner Kunstschaffende sichtbar. Das letzte Atelier von Paul Klee am Kistlerweg 6 in Bern wird rekonstruiert und erlaubt einen authentischen Einblick in die beeindruckend bescheidene Arbeitssituation eines der bedeutendsten Künstler des 20. Jahrhunderts.
Berner Ansichten
Bereits als Gymnasiast füllte Paul Klee seine Skizzenbücher mit Schweizer Landschafts- und Stadtansichten nach Kalenderblättern. Später zeichnete er in der freien Natur auf seinen Ausflügen und Wanderungen, die ihn ins Berner Oberland, nach Luzern oder bis nach Lugano führten. Verwandte von Klee besassen ein Hotel in Beatenberg, wo er sich regelmässig aufhielt und die Gelegenheit zum Skizzieren der grandiosen Aussicht nutzte. In Bern besuchte er gerne den nahegelegenen Dählhölzliwald und die Elfenau und spazierte hier der Aare entlang. Auch die Stadt Bern hielt er mehrmals fest: den Zytgloggeturm, das Münster oder Ausblicke auf die Altstadt vom Rosengarten aus. In den Jahren 1909 und 1910 schuf er verschiedene Ansichten des Berner Mattequartiers und experimentierte mit Verzerrung und Verfremdung des Sujets. Daneben hielt er sich gerne zum Zeichnen und Malen im Steinbruch von Ostermundigen auf, dessen Pächter – Alfred Bürgi – er kannte.
Die Familie Klee
Paul Klee wurde am 18. Dezember 1879 in Münchenbuchsee bei Bern als Sohn des aus Deutschland stammenden Hans Wilhelm Klee (1849-1940), Musiklehrer, und Ida Maria Frick (1855-1921), Sängerin und Pianistin, geboren. Im folgenden Jahr zog die Familie, obwohl Hans Klee weiterhin am Lehrerseminar in Hofwil tätig war, nach Bern um. Hier wuchs Klee umgeben von Musik zusammen mit seiner drei Jahre älteren Schwester Mathilde (1876-1953) auf. Die Familie Klee wohnte ab 1880 vorerst an der Aarbergergasse, danach an der Hallerstrasse 32 und 26 im Länggassquartier und von 1889-1897 an der Marienstrasse 8 im Kirchenfeldquartier. 1897 erwarb sie ein neu gebautes Reihenhaus am Obstbergweg 6, welches über viele Jahre zum Mittelpunkt der Familie wurde. Ab 1899 war die Mutter gelähmt und konnte ihren Beruf nicht weiter ausüben. Während Klee im selben Jahr in München sein Kunststudium begann, blieb Mathilde unverheiratet und kümmerte sich um die Mutter bis zu deren Tod. Klee heiratete im September 1906 die Pianistin Lily Stumpf, die er bereits sieben Jahre früher in München kennengelernt hatte, und zog mit ihr nach München. In den folgenden Jahren verbrachte er regelmässig mit seiner Frau und seinem 1907 geborenen Sohn Felix (1907-1990) die Sommerferien im Elternhaus.
Berner Sammler
In Bern hatte Klee seine ersten und vielleicht auch
treuesten Sammlerinnen und Sammler. Zu ihnen zählte Hanni Bürgi (1880-1938), Ehefrau
des Bauunternehmers Alfred Bürgi. Sie widmete sich neben der Familie der
Musik, Literatur und bildenden Kunst. Klee lernte sie über
ihren Gesangsunterricht bei seinem Vater kennen, woraus
eine lebenslange Freundschaft entstand. Nach dem frühen Tod ihres
Mannes setzte sie, trotz Kritik ihrer Familie, die Sammelleidenschaft
fort. Sie erwarb insgesamt rund fünfzig Werke von Klee. Daneben engagierte
sie sich in der Berner Kunstszene. Ihr Sohn Rolf (1906-1967) setzte
die Sammlungstätigkeit fort und unterstützte Klee auch
in juristischen Belangen. Nach Klees Rückkehr nach Bern 1933 fand das
Ehepaar Klee rasch im Freundes- und Bekanntenkreis von Hanni Bürgi
Aufnahme.
Der Merceriehändler und Kunstkritiker Hermann Rupf (1880-1962) und seine Frau Margrit (1887-1961) erwarben bereits 1914 eine erste Werkgruppe mit drei Zeichnungen. In den folgenden Jahren kaufte Rupf regelmässig bei Klee weitere Werke. Hermann und Margrit Rupf wurden in Klees Berner Exil zu wichtigen Bezugspersonen des in der Schweiz weitgehend isolierten Künstlers. Gemeinsam mit Rolf Bürgi beriet Hermann Rupf Lily Klee nach dem Tod ihres Mannes. Nach Lilys Tod 1946 gründeten Hermann Rupf und Rolf Bürgi die Klee-Gesellschaft, aus der ein Jahr später die Paul-Klee-Stiftung hervorging. 1954 errichtete das Sammlerehepaar die Hermann und Margrit Rupf-Stiftung, die ungefähr 300 bedeutende Werke der klassischen Moderne umfasst – darunter 17 Werke von Klee.
Berner Ausstellungen
Erstmals konnte Klee 1910 in seiner Heimatstadt in einer Ausstellung seine Werke präsentieren. 56 seiner Arbeiten wurden im Kunstmuseum Bern ausgestellt. Danach ging die Ausstellung nach Zürich, Winterthur und Basel weiter. Die Reaktionen in der Presse waren sehr zurückhaltend oder von Unverständnis gegenüber dem Schaffen von Klee geprägt.
Die Kunsthalle Bern zeigte insgesamt in acht Ausstellungen Klees Werke. Zur Ausstellung von 1921 schrieb Hermann Rupf in der «Berner Tagwacht»: «Alle die fabelhaften Qualitäten seines riesigen Talents aufzuzählen, können wir uns auch für diesmal ersparen, denn Klee gehört einigermassen uns Bernern, und gewiss werden wir noch öfters Gelegenheit haben, zu seinen Werken Stellung zu nehmen.» 1931 wurden ebenfalls in der Kunsthalle Bern 108 Werke ausgestellt, die vorwiegend aus dem Besitz von wichtigen Berner Sammlerinnen und Sammlern stammten, darunter Hanni Bürgi, Hermann Rupf oder Victor Surbek. Über 270 Werke konnte Klee 1935 in der Kunsthalle zeigen – mit Schwerpunkt auf den letzten fünf Schaffensjahren. Neben Klees Werken waren bei dieser Gelegenheit Kleinplastiken seines Jugendfreundes Hermann Haller zu sehen. Ende 1940 richtete die Kunsthalle Bern die erste Gedächtnisausstellung für Paul Klee mit 233 Werken aus dem Nachlass aus.
Klees Berner Freunde
Mit keinem anderen Ort war Klee über langjährige Freundschaften so eng
verbunden wie mit Bern. Nach seiner Studienzeit in München und der
anschliessenden Italienreise traf Klee 1902 in Bern seine Schulfreunde
Hans Bloesch, Fritz Lotmar und Louis Moillet wieder. Inzwischen studierte
Fritz Lotmar (1878-1964)
Medizin und war Klee ein kompetenter Partner in Gesprächen über
Kunst, Literatur und Philosophie. Gemeinsam musizierten sie in einem
Streichquartett. Lotmar betreute Klee auch während seiner schweren
Krankheit ab 1935.
Mit Hans Bloesch
(1878-1945), dem späteren Bibliothekar und Oberbibliothekar der Stadt- und
Hochschulbibliothek Bern, verband ihn die gemeinsame Gymnasialzeit, die
sie mit der Herausgabe der satirischen Schülerzeitung «Die Wanze»
abschlossen. Später arbeiteten sie wieder zusammen an zwei Buchprojekten,
wobei Klee jeweils Illustrationen beisteuerte, während Bloesch sich um den
Text kümmerte: 1902 bis 1905 entwickelten sie «Das Buch», mit Gedichten
von Bloesch und grotesken Illustrationen von Klee. Mit dem 1908 entstandenen
Versepos «Der Musterbürger» nahmen sie das Berner Bundesbeamtentum auf
die Schippe. Bloesch redigierte zwischen 1902 und 1906
die Zeitschrift «Berner Fremdenblatt», für die Klee Kritiken
zu Konzerten und Theateraufführungen verfasste. Zwischen 1910 und
1913 betreute Bloesch zudem die Zeitschrift «Die Alpen». Hier steuerte Klee
Ausstellungsberichte aus München bei.
Besonders verbunden war Klee mit seinem Schulfreund Louis Moilliet (1880-1962), denn
dieser war selbst Maler geworden und hatte sich in Worpswede, Düsseldorf
und Weimar zum Künstler ausbilden lassen. 1903 trafen sich die
Freunde in Bern wieder und arbeiteten zusammen, besuchten anatomische
Kurse und reisten nach Paris. Obwohl sie sich künstlerisch sehr
unterschieden, traten sie 1914 mit August Macke die bekannte Reise nach Tunesien
an.
Marguerite Frey-Surbek
(1886-1981) war eine der ersten Schülerinnen von Klee. Er unterrichtete
sie ab 1904 zwei Jahre lang wöchentlich privat. Als er 1906 Werke von ihr
in einer Ausstellung im Kunstmuseum Bern sah, war er erstaunt über
ihren Fortschritt als Malerin und erwähnte: «Sie lernt malen und das zwar
bei mir! Es ist unerhört, weil ich’s doch nicht kann. Aber ich verstehe
doch sehr viel davon!!!» Klee selber rang noch einige Jahre mit
dem Umgang mit Farbe, wohingegen er als Zeichner bereits auch für ihn
selber gültige Resultate erzielte.
Die in Zürich geborene Petra Petitpierre (1905-1959) studierte ab 1929 am Bauhaus in Dessau bei Josef Albers und Wassily Kandinsky. Im folgenden Jahr wechselte sie zur freien Malklasse von Klee und folgte diesem 1931 an die Staatliche Kunstakademie in Düsseldorf. 1934 heiratete sie den Architekten Hugo Petitpierre und zog nach Murten. Sie konnte nur noch wenig Zeit für ihre künstlerische Tätigkeit aufwenden. Erst nach einem erneuten Treffen mit Klee 1937 nahm sie ihre Arbeit wieder auf. Nach Klees Tod restaurierte sie zahlreiche seiner Bilder und half bei der Pflege des Nachlasses.
Klees Atelier am Kistlerweg 6
Aufgrund der Machtübernahme der Nationalsozialisten wurde Klee 1933 von seiner Lehrtätigkeit in Düsseldorf suspendiert. Ende Dezember desselben Jahres emigrierten Paul und Lily Klee nach Bern. Kurze Zeit lebten sie am Obstbergweg im Elternhaus von Klee, dann in einer Mansardenwohnung am Kollerweg 6. Erst ab Juni 1934 bezogen sie eine Dreizimmerwohnung am Kistlerweg 6. In der bescheidenen Wohnung richtete sich Klee im Wohnzimmer sein Atelier ein. Hier entstand sein beeindruckendes und umfangreiches Spätwerk mit fast 3’000 Werken. Die Wohnung blieb bis ins Jahr 2005 in ihrem Originalzustand erhalten und wurde dann sanft renoviert. Auf Initiative von Osamu Okuda und Walther Fuchs konnten die Fenster und Türrahmen sowie die Beschläge des Wohnzimmers gesichert und in eine originalgetreue Rekonstruktion des Ateliers integriert werden.
Klees Nachwirkung
Nicht nur in Klees langjähriger Arbeit als Dozent am Bauhaus in Weimar und
Dessau sowie an der Kunstakademie in Düsseldorf wirkte er auf andere
Kunstschaffende, vielmehr interessierten sich auch in Bern immer
wieder Künstlerinnen und Künstler für sein Werk.
Der in Berlin geborene Maler und Dichter Otto
Nebel (1892-1971) war ab Mitte der 1910er-Jahre Teil des
Kreises um Herwarth Waldens Berliner Galerie Der Sturm. Über seine
Frau, die als Assistentin am Bauhaus tätig war, und durch einen Aufenthalt
am Bauhaus 1924/25 lernte er die Bauhäusler Kandinsky, Muche und Klee
kennen. Nach der Emigration in die Schweiz 1933 hielt sich Nebel ab 1935
in Bern auf und hatte regen Kontakt zu Klee. Er und seine Frau
unterstützten die Klees etwa bei der Wohnungssuche.
Bruno Wurster
(1939-2003) kam in seinem Elternhaus früh mit Musik, bildender Kunst und
im Speziellen mit dem Schaffen von Klee in Berührung. Wursters Familie war
mit der Familie von Felix Klee befreundet, wodurch Bruno Wurster ein
Spielgefährte von Felix› Sohn Alexander (geb. 1940) wurde. Wursters frühes
Schaffen zeigt Spuren der Beschäftigung mit Paul Klees Werk. In späteren
Jahren entwickelte er zunehmend ein eigenständiges Œuvre
in Auseinandersetzung mit der abstrakten Kunst und Kunstschaffenden
seiner Zeit.
Zwischen 1958 und 1965 studierte Peter Somm (geb. 1940) Medizin und war bis 1999 als Narkosearzt tätig. Früh begann er, sich autodidaktisch die Malerei anzueignen. Noch während seines Studiums setzte er sich mit dem Schaffen von Paul Klee und Johannes Itten auseinander, später auch mit demjenigen der Konkreten.
zpk
Kontakt:
http://www.zpk.org/de/ausstellungen/aktuell/klee-in-bern-968.html
Kommentare von Daniel Leutenegger