1. März 2014
«Körperspiele: die Sammlung des MAHF»
Ausstellung im Espace Jean Tinguely - Niki de Saint Phalle, Freiburg / Fribourg, bis am 24. August 2014
Bild: Niki de Saint Phalle (1930-2002), «La femme [Portrait of Mimi or Clarissa]», 1995 Lithographie MAHF 2010-053 © MAHF/ Primula Bosshard – ftp://ftp.fr.ch/mahf/corpsenjeu/
Der Körper – ob männlich oder weiblich, ästhetisch oder politisch, unversehrt oder geschunden – fasziniert die KünstlerInnen seit jeher. Die Ausstellung «Körperspiele» zeigt Werke aus der Sammlung des MAHF (Musée d’art et d’histoire Fribourg) – vor allem von Niki de Saint Phalle, aber auch von freundschaftlich verbundenen oder verwandten Kunstschaffenden (Eva Aeppli, César, Keith Haring, Alfred Hofkunst, Bernhard Luginbühl, Daniel Spoerri, Rico Weber).
Für Niki de Saint Phalle ist die Beziehung zum Körper zentral. Sie definiert ihren Status als Frau, als Lebensgefährtin, Mutter und immer wieder als Künstlerin. Sie inspiriert ihre entscheidenden Kämpfe gegen Krankheit und Aids und für den Sport, die Bewegung, den Tanz oder das Lachen.
Die präsentierten Objekte stehen im Dialog mit der Tradition vergangener Jahrhunderte, die durch Gemälde, Skulpturen und Objekte der angewandten Kunst des 16. bis 19. Jh.s in Erinnerung gerufen werden. Sie zeigen, dass die Beziehung zum Körper das Leben schon immer bestimmt hat. Von der Geburt bis zum Tod definiert er die Bindung zum Sakralen, zu den Anderen und zu sich selbst.
Die Ausstellung
Untere Galerie
Die untere Galerie zeigt den – männlichen und weiblichen – geschundenen Körper, etwa die Figur des Hl. Sebastian, den von Pfeilen durchbohrten Märtyrer, dessen Name und Schicksal Niki de Saint Phalle für eines ihrer berühmtesten Schiessbilder übernimmt. Beim Hl. Sebastian, aber auch bei Bildern des leblosen oder gepeinigten Christus, wird die religiöse Ikonografie des Leidens oft mit einer ästhetischen Komponente verbunden.
Weibliches Leiden und weibliche Komplexität sind das Thema in «La femme / Portrait of Mimi or Clarissa» von Niki de Saint Phalle, deren Körper sowohl versteckte als auch sichtbare Qualen vereinigt. In diesem Werk schwingt das traditionelle Bild der christlichen Mater dolorosa mit, der archetypischen Figur des weiblichen Schmerzes, verbunden mit Fruchtbarkeit und Verlust, Leben und Tod.
Die liegende Grabfigur Rico Webers versinnbildlicht den fehlenden Leib. Das Werk ist ein Gipsabguss des lebendigen Künstlers und verkörpert nun auf geheimnisvolle Weise seine Abwesenheit und die existentielle Leere der körperlichen Hülle.
Obere Galerie
Die obere Galerie ist dem fragmentierten Körper gewidmet. In seiner kultischen oder künstlerischen Auffassung repräsentiert er die Abwesenheit und die Spuren derjenigen, die nicht oder nicht mehr da sind. Man begegnet dem zerstückelten Körper in Werken der angewandten Kunst, die ursprünglich eine bedeutungsvolle rituelle Funktion besassen.
So konservieren und präsentieren Reliquiare die Relikte (Knochen, Haare …) von Heiligen, die so eine geheimnisvolle Gegenwart entfalten und den Gläubigen die Hoffnung derjenigen weitergeben, die für ihren Glauben gestorben sind. Im Falle der Haarandenken wurden Haarsträhnen eines geliebten Verstorbenen kunstvoll zu Kränzen geflochten oder in Blumen verwandelt.
Die Kunst des 20. Jh.s interessierte sich immer wieder für das Fragment. Man denkt natürlich an Jean Tinguely, der in seinen Werken Bruchstücke von Maschinen, aber auch Tierknochen benutzte. César inszenierte das Körperfragment in vergrösserten Abgüssen seines eigenen Daumens. So auch das ausgestellte Exemplar, ein essbares Werk aus Zucker, das Jean Tinguely gehörte.
Die Hand ist auch im Zentrum des Werks von Bernhard Luginbühl, der seine eigene Hand in einer seiner Radierungen integrierte. Daniel Spoerri liebte es, den zerstückelten Körper immer wieder neu zusammenzusetzen, indem er sich vor allem auf den Kopf, die Füsse oder andere Gliedmassen konzentrierte, um ihnen einen neuen Sinn zu geben.
Für Alfred Hofkunst war der weibliche Körper eine unvergleichliche Inspirationsquelle. Er stellte ihn in seiner erotischen Kraft dar, unter ausgesuchten Blickwinkeln und in verschiedenen Techniken.
mahf
Kontakt:
http://www.fr.ch/mahf/de/pub/espace_jean_tinguely/temporaere_ausstellungen/aktuell.htm
Kommentare von Daniel Leutenegger