28. Mai 2012
MATHIEU MERCIER: «DÉSILLUSION D’OPTIQUE»
Exposition Fri Art, Fribourg, jusqu'au 19 août 2012
Bild: «Sans titre» (vase / disque
chromatique), 2011-2012.
Vase, plexiglas, eau, sublimation sur socle en Corian,
120 x 60 x 60 cm. Photographie André Morin.
Die Werke von Mathieu Mercier haben eine besondere Eigenschaft, die auf ihre ausdrückliche Unbeweglichkeit zurückzugehen scheint: Die Beständigkeit ihrer Präsenz im Zentrum der Ausstellung scheint mit subtiler Beharrlichkeit dazu aufzufordern, über ihren ästhetischen Wert, ihren Status, ihre mögliche Funktion sowie das kulturelle Umfeld nachzudenken, auf die sie verweisen.
In
diesem von ihnen erzeugten Spannungsfeld augenscheinlicher Andersartigkeit
laden sie auf natürliche Weise dazu ein, sich dessen bewusst zu werden, was
geschieht bzw. was zu tun der Besucher angesichts der offensichtlich fehlenden
Interaktivität eingeladen ist.
Die «optische Enttäuschung» wäre demnach nicht nur Titel der
Ausstellung, sondern auch eine eigene Methode, um Objekte, Werke und
Zeichensysteme, die sie vermitteln, einer Neubetrachtung zu unterziehen, und
zwar indem man sich den üblichen Verständnis- und Wahrnehmungsmustern verweigert,
die das Verhältnis zur Welt und zu den Werken der Kunst bestimmen.
Die Ausstellung stellt eine Form der Begegnung dar, bei der es implizit um die
Weitergabe von Wissen geht. Die dazu eingesetzten Mittel sind vielfältig; neben
den üblichen Abbildungen gibt es das der Geschichte und den Weltwundern
gewidmete Kuriositätenkabinett, das Diorama des naturkundlichen Museums, die
Konvention des an die Wand gehängten Gemäldes oder des Objekts auf einem
Sockel.
Im weiteren Sinne impliziert das Leben der Objekte in der realen Welt, ob es
sich dabei um den öffentlichen, privaten oder kommerziellen Raum handelt, eine
Daseinsform, die sich mit dieser Art der Ausstellung in Verbindung bringen
liesse, wollte man denn seine Bereitschaft zeigen, diese Objekte neu zu betrachten.
Die Ausstellung spielt ganz offensichtlich mit den Methoden der Präsentation. Während sich das Werk von Mathieu Mercier ansonsten durch eine minimalistisch geprägte Ästhetik charakterisieren liesse, spielt hier das Lebendige eine besondere Rolle.
Die Figur des Homunculus, der die Proportionen des
menschlichen Körpers je nach Sensibilität der verschiedenen Regionen deformiert
und wiederherstellt, so bei der Verwendung von Tieren in Aquarien
(«Holothurie», 2000), scheint eine einmalige Lesart des Werkes von
Mathieu Mercier zu bieten.
In einer Mischung aus Zoo- und Museumsexponat ist in einem Terrarium/einer Vitrine ein Axolotl-Paar zu sehen, aussergewöhnliche Tiere, deren durchscheinender Rosaton ihren Dauerzustand als Larve verrät.
Die Empathie mit dem Lebenden bietet viele verschiedene Interpretationsmöglichkeiten und verstärkt zugleich die metaphorische Aussagekraft dieser Arbeit; im Übrigen scheint die einzigartige Fähigkeit dieser Tiere, ihre Organe und zahlreiche Gewebe zu regenerieren, auf die Evolution selbst und die Anpassung an die Umgebung anzuspielen.
Die verschiedenen Exkurse der Kunst ins Leben – und die
jeweils mehr oder weniger ruhmreichen Erwiderungen – waren schon häufiger
Gegenstand von Kommentaren zum Thema des Werkes von Mathieu Mercier. Die
Präsenz der «larvalen Unendlichkeit» und die Rätsel ihrer Evolution
müssen demnach eine Bedeutung haben.
Der Rundgang endet mit einer Geste, mit einem einfachen weissen Zylinder auf einem schwarzen Bord, wie ein mentales Bild, das zwischen dem Paar aus schwarzem Tablett und weisser Schulkreide und dem im Halbdunkel platzierten Zauberstab wechselt. Ein vieldeutiges Bild, das daran zu gemahnen scheint, dass der Akt des Benennens im Bereich einer Ausstellung etwas mit dem Akt der Wiederverzauberung zu tun haben könnte.
faf
Kontakt:
Fri Art – Fribourg
Centre d’art de Fribourg
Kunsthalle Freiburg
Petites Rames 22
CH-1701 Fribourg
T: +41 26 323 23 51
F: +41 26 323 15 34
info@fri-art.ch
http://www.fri-art.ch
Kommentare von Daniel Leutenegger