27. Mai 2023
«SYLVIE FLEURY – SHOPLIFTERS FROM VENUS»
Ausstellung im Kunst Museum Winterthur | Beim Stadthaus, vom 3. Juni bis am 20. August 2023
Bild: Sylvie Fleury, First Spaceship on Venus, 1995, Aluminum and metal, 180 x 70 x 70 cm – Galerie Mehdi Chouakri, Berlin
Wenn sich die ehrwürdigen Hallen eines Kunstmuseums in eine Fashion Show verwandeln, dann ist Sylvie Fleury zu Gast. Das Kunst Museum Winterthur präsentiert nach 15 Jahren erstmals in der Schweiz wieder eine umfassende Einzelausstellung der bedeutenden Künstlerin. Neben ikonischen frühen Arbeiten werden neue, eigens für die Ausstellung realisierte Werke gezeigt.
«Shoplifters from Venus», so der verführerische Titel der Sommerausstellung im Kunst Museum Winterthur, verweist auf einen Akt des Diebstahls zum einen, zum andern auf den Herkunftsort der Diebin, die Venus, gleichermassen Planet wie römische Göttin der Liebe. Geradezu programmatisch fasst der Titel die Strategie der 1961 in Genf geborenen Künstlerin Sylvie Fleury zusammen, indem sie die Bildfindungen der Moderne buchstäblich entwendet, um sie aus einer dezidiert feministischen Perspektive zu hinterfragen und inhaltlich umzudeuten: «Ich betrachte mein Werk nicht als Appropriation. Ich sehe sie eher als Personalisierung.» (Sylvie Fleury)
Bild: Sylvie Fleury, Walking on Carl Andre, 1997, Filmstill – Kunst Museum Winterthur, Ankauf mit Mitteln aus der Schenkung Heinz Toggenburger, 2019
Seit rund 25 Jahren spielt die Genfer Künstlerin Sylvie Fleury ironisch mit Geschlechterklischees und Stereotypen der Konsumgesellschaft. Berühmt wurde sie durch ihre raffinierten Inszenierungen von Glamour, Mode und Lifestyle: Ihre «Shopping Bags» sorgten in den 1990er-Jahren für Aufregung. Jede der Taschen, darunter viele von international bekannten Modelabels, enthielt den Gegenstand, den die Künstlerin damit erworben hatte.
Kunst und Kommerz so hemmungslos miteinander zu verbinden schien damals anrüchig. Mehr noch irritierte die Tatsache, dass eine Künstlerin sich dem beinahe obsessiven Einkaufen von Luxusgütern widmete und sich damit scheinbar kritiklos dem Glamour und Lifestyle hingab. Indes weist der Tausch zwischen valorisierten Archivalien der Kultur und dem profanen Raum seit Marcel Duchamp eine lange Tradition in der bildenden Kunst auf.
Diese Tradition verbindet Sylvie Fleury konsequent mit der Dekonstruktion von überlieferten Geschlechterklischees – und zwar ebenso ironisch wie lustvoll, wenn sie beispielsweise Models in High Heels über die Bodenplatten von Carl Andre stolzieren lässt. Im Bezug zu den bedeutenden Beständen der klassischen Moderne und der amerikanischen Nachkriegskunst wird der historische Kontext von «Shoplifters from Venus» im Kunst Museum Winterthur besonders augenfällig.
In Sylvie Fleurys künstlerischer Praxis, die Skulptur, Performance, Installation und Malerei umfasst, verwendet sie Strategien, die insbesondere auch mit dem frühen Konzeptualismus, der Pop–Art und dem Minimalismus in Verbindung gebracht werden und einen kritischen Blick auf die weitgehend männlich geprägte Kunstgeschichte eröffnen.
Sylvie Fleurys Schaffen wurde seit ihrer ersten institutionellen Einzelausstellung im Zürcher Migros Museum 1998 international breit wahrgenommen. Es folgten zahlreiche Einzelausstellungen, u.a. 2001 im Zentrum für Kunst und Medien (ZKM) in Karlsruhe und im Le Magasin – Centre national d’art contemporain, Grenoble, 2007 im Schinkel Pavillon, Berlin, 2008 im Musée d’art moderne et contemporain (MAMCO) in Genf sowie 2016 in der Villa Stuck, München. 2018 wurde der Künstlerin der Schweizer Grand Prix Kunst / Prix Meret Oppenheim verliehen.
Kurator: David Schmidhauser
kmw
Kontakt:
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Bild: Sylvie Fleury, Acne, 2014, Shopping bags with content, 60 x 103 x 91 cm – Galerie Mehdi Chouakri, Berlin
Kommentare von Daniel Leutenegger