29. Mai 2023
«WEIT WEG UND DOCH GANZ NAH – EINTAUCHEN IN DIE WELT DER STERNE»
Sommerausstellung der Stiftsbibliothek St.Gallen, bis am 29. Oktober 2023, täglich von 10 bis 17 Uhr
Bild oben: Der Astronom mit Fernrohr und Himmelsglobus, um 1770 – St.Gallen, Stiftsbibliothek, Putte bei Regal Q, © https://www.stiftsbezirk.ch/de/medien
Bild: Eine Tierkreis-Darstellung aus dem 9. Jahrhundert mit Sonne (sol) und Mond (luna) in der Mitte. Die Sonne ist entsprechend der lateinischen Sprache als Mann, der Mond als Frau gezeichnet. Rund um sie herum sind die zwölf Tierkreiszeichen angeordnet. – St.Gallen, Stiftsbibliothek, Cod. Sang. 250, S. 515, Pergament, 645 Seiten, 24.7 × 18 cm, Kloster St.Gallen, 875/900, © https://www.e-codices.unifr.ch/de/csg/0250/515
Sterne ziehen die Menschen in ihren Bann. Vom Himmel scheinend, boten sie seit jeher Orientierung, Inspiration und Hoffnung. Manchmal verbreiteten sie aber auch Furcht und Schrecken. Die Sommerausstellung der Stiftsbibliothek verfolgt den Weg dieser hellen Punkte am Firmament von der Antike bis in die Frühe Neuzeit. Sie ist der erste Teil einer Ausstellungstrilogie zum Themenkreis «Mensch und Universum» im Kulturmuseum, Naturmuseum und in der Stiftsbibliothek.
In den Handschriften der Stiftsbibliothek St.Gallen sind zahlreiche Texte zu den Gestirnen überliefert. Sie enthalten archaische Erzählungen, die bis heute faszinieren. Prominent ist die Idee, dass die Seelen der Menschen nach dem Tod zu Sternen werden. «Wir erkennen sie heute noch auf dem Hollywood Boulevard in Los Angeles, auf dem die Stars des Showbiz mit Sternen verewigt werden», sagt Stiftsbibliothekar Cornel Dora, der die Ausstellung zusammen mit Ruth Wiederkehr konzipiert hat. «Diese schicksalshafte Verbindung von uns Menschen mit den Sternen findet sich auch in einem von Platon überlieferten Mythos, wonach jeder menschlichen Seele ein Stern entspricht«, sagt Dora.
Sterne im Barocksaal
Nicht nur die Bücher, sondern auch der Barocksaal selbst kann mit Sternen aufwarten. So sind auf den Deckengemälden Darstellungen zu sehen, in denen Maria mit zwölf Sternen bekränzt ist. Dieses Motiv stammt aus dem biblischen Text der Apokalypse. Später verschmolz es in der Kunst mit der Gottesmutter Maria.
St.Gallen sah den hellsten Stern
Die Mönche von St.Gallen waren sternkundig. Sie hielten ihre Beobachtungen fest und tradierten Wissen über den Lauf von Mond, Sonne und Planeten sowie zum Tierkreis. Besonders um die Wende zum Jahr 1000 sind viele Aufzeichnungen zu Seuchen, Erdbeben und ungewöhnlichen Himmelsereignissen erhalten. Sie wurden genau beobachtet, denn anknüpfend an diverse Bibelstellen konnte all dies die Wiederkunft des Messias ankündigen.
Und so hat sich in St.Gallen ein Bericht über die Supernova von 1006 erhalten, die damals über dem Säntis beobachtet werden konnte. «Es war die hellste Supernova, die wir aus historischer Zeit kennen», sagt Ruth Wiederkehr. Diese Sternexplosion lässt sich bis heute im Universum nachweisen und regt Astronominnen und Astronomen an auf ihrer Suche nach den letzten Zusammenhängen.
Einzigartiges Zeugnis der Wissenschaft: der Notker–Globus
Die Ausstellung zeigt neben Handschriften und Drucken aus der Bibliothek eine weitere Besonderheit: einen Nachbau eines Globus von etwa 1020. Notker der Deutsche (um 950–1022) berichtet, dass in St.Gallen vor 1000 Jahren ein Erdglobus hergestellt wurde. Notker gibt dabei so viele Einzelheiten preis, dass er selbst als Entwerfer dieser spera anzunehmen ist. Anhand seines Beschriebs und weiterer Hinweise aus Handschriften gelang es, einen Nachbau anzufertigen. «Notkers Globus ist der einzig explizit bezeugte Erdglobus aus dem Jahrtausend zwischen der Antike und dem Ausgang des Mittelalters», sagt Cornel Dora.
ssg
Kontakt:
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Bild: Maria mit Kind. Maria ist mit Sternenkranz dargestellt, der auf eine Stelle in der Apokalypse zurückgeht – Deckengemälde im Barocksaal der Stiftsbibliothek St.Gallen, Joseph Wannenmacher, 1763 (Detail), © https://www.stiftsbezirk.ch/de/medien
Kommentare von Daniel Leutenegger