20. Januar 2014
Der italienische Dirigent Claudio Abbado ist gestorben
Der am 26. Juni 1933 in Mailand geborene italienische Dirigent Claudio Abbado (Bild) ist am heutigen 20. Januar 2014 in Bologna gestorben. Unter anderem leitete Abbado die Berliner Philharmoniker, war für die Staatsoper in Wien tätig und an der Mailänder Scala. In Luzern arbeitete er beim Aufbau des Festival-Orchesters mit.
Foto: © Peter Fischli / Lucerne Festival, 2011
Als das Lucerne Festival Orchestra, das Claudio Abbado zusammen mit dem Luzerner Festspiel-Intendanten Michael Haefliger ins Leben gerufen hatte, im Sommer 2003 zum ersten Mal auftrat, begann ein neues Kapitel in der Geschichte des Orchesterspiels. So klangschön, so aufeinander bezogen in den einzelnen Gesten und Farben, so geheimnisvoll und zugleich ausdrucksmächtig hatte in Luzern zuvor kein Orchester je gespielt – auch nicht das aus Berlin, das mit Abbado jedes Jahr gekommen und bewundert worden ist. Was gab es da nicht alles zu entdecken und zu erleben, von Mahler und von Bruckner – die Summe erfüllten Künstlertums.
Peter Hagmann
http://www.nzz.ch/aktuell/feuilleton/uebersicht/musik-als-akt-der-kommunikation-1.18225237
Immer wieder musste das Lucerne Festival in den letzten Jahren kurzfristige Programmänderungen durchgeben – weil Abbado sich nicht mit der Pianistin Hélène Grimaud fand, oder weil er Mahlers 8. Sinfonie eben doch nicht dirigieren mochte (dass der Mahler-Zyklus damit unvollendet blieb, nahm er in Kauf).
Aber eigentlich war jeweils gar nicht so wichtig, was Abbado schliesslich spielte. Aber wie er es spielte – wie er das Orchester einzubeziehen verstand, wie er das Publikum ansteckte, wie er den sonst oft kühl wirkenden KKL-Saal zum Klingen, Leuchten, Glühen brachte -, das waren musikalische Erlebnisse, die man nicht so schnell vergass.
Susanne Kübler
http://www.derbund.ch/kultur/kunst/Wenn-der-Saal-ploetzlich-gluehte/story/17139590
Er war ja ein suchender Mensch, der Weg war für ihn nie abgeschlossen. Er liess sich gern inspirieren und war bis zum Schluss ein Lernender. Auch seine Interpretationen waren ja nie abgeschlossen oder absolut wie die mancher Kollegen. Das führte auch beim Orchester manchmal zu Überraschungen.
Michael Haefliger im Interview von Martin Ebel
http://www.derbund.ch/kultur/klassik/Wenn-er-sich-verbeugte-dann-nie-vom-Podium-aus/story/25366039
Bild: Claudio Abbado und das LUCERNE FESTIVAL ORCHESTRA – Foto: © Peter Fischli, LUCERNE FESTIVAL
«Wanderer, es gibt keinen Weg. Was zählt, ist allein das Gehen.« Dieses Zitat, welches Claudio Abbados langjähriger Weggefährte, der italienische Komponist Luigi Nono, an der Mauer eines Klosters in Toledo fand, mag auch sinnbildlich für das Leben Claudio Abbados gewesen sein. Das Leben nicht durch Wege zu bestimmen, sondern vielmehr zu gehen, zu leben und Neues offen zu erfahren. Also das vermeintlich weglose Wandern und Suchen. Genau so suchte Claudio Abbado scheinbar «weglos» in seinem Schaffen immer wieder das Neue und Unbekannte, und er tat dies bis zu der letzten Sekunde seines so erfüllten und faszinierenden Lebens.
Nun ist dieser Weg eines der grössten Künstlers unserer Zeit zu einem irdischen Ende gekommen und LUCERNE FESTIVAL bedankt sich zutiefst bei Claudio Abbado für all das Grossartige, Unvergessliche und in Worten Unbeschreibliche, was wir mit ihm in den vergangenen 47 Jahren erleben durften. Seinem künstlerischen Weg und Glauben wollen wir auch in der Zukunft treu bleiben und ihm und seiner grossen Kunst ein ewiges Andenken schaffen.
Michael Haefliger, Intendant LUCERNE FESTIVAL
http://www.lucernefestival.ch/documents/AbschiedvonClaudioAbbado.pdf
Sein Tod wird die Dichter unter den Musikjournalisten abermals beflügeln. Auch für sie war Abbado ein grosser Inspirator, für dessen aussergewöhnliche musikalische Interpretationen das gängige sprachliche Repertoire immer wieder neu erfunden werden musste.
Jenny Berg
http://www.tageswoche.ch/de/2014_03/kultur/629649/claudio-abbado-zur-stille-heimgekehrt.htm
Am Pult der erste Zuhörer
Zuhören war der entscheidende Punkt, das Nachspüren der Melodie, der Harmonie, die ein Stück im Innersten zusammenhält. Abbado versuchte, diesen Kern des Ausdrucks mit seinem Orchester zu erforschen, aus Überzeugung, vor allem aber aus Neugier gegenüber den Möglichkeiten der Gestaltung.
Ralf Dombrowski
Das Ideal der Kammermusik war seine Maxime: Claudio Abbado suchte mit leisen Tönen den Dialog. Die Welt hat einen schweigsamen und doch wortreichen Maestro verloren.
Corina Kolbe
http://www.zeit.de/kultur/musik/2014-01/claudio-abbado-nachruf
Unter Claudio Abbados Dirigierhänden wurden neue Werke durchgesetzt, altbekannte zu aufregenden Offenbarungen.
Gerhard R. Koch
Abschied von einem Jahrhundert-Musiker
Claudio Abbado war einer der Größten seines Fachs.
http://www.sueddeutsche.de/kultur/italienischer-star-dirigent-claudio-abbado-ist-tot-1.1866865
È morto Claudio Abbado, il rivoluzionario del podio
http://www.repubblica.it/spettacoli/musica/2014/01/20/news/claudio_abbado-75604884/
Alla luminosa carriera artistica Abbado aveva aggiunto l’impegno per la divulgazione e la conoscenza della musica in special modo a favore delle categorie sociali tradizionalmente più emarginate. Ha avuto la responsabilità della direzione stabile e musicale delle più prestigiose istituzioni musicali del mondo come il Teatro alla Scala e i Berliner Philharmoniker; ha ideato istituzioni per lo studio e la conoscenza della nuova musica.
Il n’aura eu peut-être, pour seul concurrent, que l’autrichien Karajan. Jamais une fausse note. Jamais un mauvais comportement. Claudio Abbado a été le plus prestigieux et le plus électrisant chef d’orchestre européen du siècle dernier. Ce Milanais d’origine sarde, né en 1933, a permis à la musique classique de se moderniser, n’oubliant jamais qu’il fallait préparer la relève.
http://www.parismatch.com/Culture/Musique/Mort-du-chef-d-orchestre-italien-Claudio-Abbado-544923
Claudio Abbado était un miracle de la musique, un chef d’orchestre inspiré, profond, cultivé, exceptionnel à l’opéra comme au concert et ouvert aux musiques de son temps.
Renaud Machart
The awards and honours garnered throughout the conductor’s life would be as impossible to list as the number of truly outstanding performances with orchestras and opera companies throughout the world. What remains are the films and the discs, equalling in their mastery and outshining in their breadth those of his equals, Furtwängler and Toscanini.
David Nice
http://www.theguardian.com/music/2014/jan/20/claudio-abbado
Claudio Abbado, a Conductor With Global Reach
Mr. Abbado disdained the trappings of a modern, media-driven conducting career. As communicative as his podium manner was, he seemed slightly awkward coming on and off the stage. Explaining this in a 1973 interview, he compared himself to the conductor Hans Knappertsbusch, whose habit was to refuse curtain calls.
«I used to be somewhat like that,» he said. «Now I take the time to be polite. Look, I like the reaction of the audience. I’m not sincere if I don’t say that, but it still embarrasses me to take bows. I’m not a showman.»
Allan Kozinn
http://www.nytimes.com/2014/01/21/arts/music/claudio-abbado-italian-conductor-dies-at-80.html?_r=0
Audios:
Regionaljournal Zentralschweiz Radio SRF 1: Michael Häfliger zum Tod von Claudio Abbado / Wie Claudio Abbado in Luzern wirkte (20.1.2014):
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«Rendez-vous» SRF 1:
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«Echo der Zeit» SRF 1:
Audio «Claudio Abbado – magische Momente in Luzern» in externem Player öffnen.
Videos:
Mahler Symphony No 1 D major The Titan Claudio Abbado Lucerne Festival Orchesta
https://www.youtube.com/watch?v=VmozblR_9Pk
Mehr:
http://de.wikipedia.org/wiki/Claudio_Abbado
http://www.deutschegrammophon.com/en/artist/abbado/biography
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Eine Würdigung zum Tod des Orchestermagiers Claudio Abbado
Radio SRF 2 Kultur, «Reflexe» vom Dienstag, 21. Januar 2014, 10.03 Uhr / Wiederholung um 22.06 Uhr:
http://www.srf.ch/sendungen/reflexe/eine-wuerdigung-zum-tod-des-orchestermagiers-claudio-abbado
Kommentare von Daniel Leutenegger