10. Januar 2014
Das Bundesamt für Kultur (BAK) vergibt die Schweizer Literaturpreise
Urs Allemann, David Bosc, Roland Buti, Rose-Marie Pagnard, Matteo Terzaghi, Urs Widmer und Vera Schindler-Wunderlich sind die sieben Gewinnerinnen und Gewinner der Schweizer Literaturpreise, die für Werke aus dem vergangenen Literaturjahr verliehen werden. Die Preisverleihung findet im Beisein von Bundesrat Alain Berset am 20. Februar 2014 in der Nationalbibliothek in Bern statt. Bei dieser Gelegenheit werden auch zwei Grand Prix Literatur für ein Gesamtwerk sowie der Spezialpreis Übersetzung vergeben.
Foto: © Sébastien Agnetti, http://www.bak.admin.ch/
Zum zweiten Mal verleiht das Bundesamt für Kultur (BAK) Preise für Werke, die zwischen Oktober 2012 und Oktober 2013 veröffentlicht wurden. Auf Empfehlung der Eidgenössischen Jury für Literatur, die von Dominik Müller präsidiert wird, hat das BAK folgende Preisträgerinnen und Preisträger nominiert:
- Urs Allemann, In sepps welt. Gedichte und ähnliche dinge. Wien, Klever Verlag, 2013.
- David Bosc, La claire fontaine. Lagrasse, Verdier, 2013.
- Roland Buti, Le Milieu de l’horizon. Genf, Zoé, 2013.
- Rose-Marie Pagnard, J’aime ce qui vacille. Genf, Zoé, 2013. ·
- Matteo Terzaghi, Ufficio proiezioni luminose. Macerata, Quodlibet, 2013.
- Urs Widmer, Reise an den Rand des Universums. Zürich, Diogenes, 2013.
- Vera Schindler-Wunderlich, Dies ist ein Abstandszimmer im Freien. Gedichte. Erstfeld, edition pudelundpinscher, 2012.
Sie alle erhalten einen Betrag von je 25’000 Franken und kommen in den Genuss von spezifischen Förderungsmassnahmen, die ihre Werke auf nationaler Ebene bekannt machen sollen.
Öffentliche Lesungen, die in der ganzen Schweiz veranstaltet werden, sollen ihren Bekanntheitsgrad jenseits der Sprachgrenzen steigern. Das Programm der Lesungen ist auf http://www.literaturpreise.ch verfügbar.
Die Preisverleihung findet in Anwesenheit von Bundesrat Alain Berset am 20. Februar 2014 in der Nationalbibliothek in Bern statt. An diesem Anlass werden auch die Grand Prix Literatur und der Spezialpreis Übersetzung verliehen. Diese mit 40’000 Franken dotierten Preise werden auf Empfehlung der Jury vergeben und würdigen Gesamtwerke.
Förderpolitik für die gesamte Branche
Mit den Schweizer Literaturpreisen unterstützt der Bund die Laufbahn der Autorinnen und Autoren. Die Preise werden in zwei Kategorien ausgerichtet: Für die erste Kategorie können in einer Wettbewerbsausschreibung im Vorjahr publizierte Werke angemeldet werden, in der zweiten Kategorie wird aufgrund der Jurynominierung ein Gesamtwerk ausgezeichnet.
Grössere Sichtbarkeit in der Schweiz und im Ausland
Alle Literaturpreise werden neu an einer einzigen Preisverleihung am Anfang des Jahres verliehen und die Bezeichnung der Preise wurde angepasst. Auf diese Weise will der Bund die Vernetzung der Preisträgerinnen und Preisträger über die Sprachgrenzen hinaus stärken und ihre Sichtbarkeit sowohl in der Schweiz als auch im Ausland verbessern.
bak
Kontakt:
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Urs Allemann – Foto: © Sébastien Agnetti
Urs Allemann
Wird 1948 in Zürich geboren. Er studiert Germanistik und Anglistik in Marburg, Soziologie und Sozialpsychologie in Hannover. 1986-2004 ist er Feuilleton-Redaktor der «Basler Zeitung». Urs Allemann lebt seit Juli 2013 in Goslar/Deutschland. Letzte Bücher: «Holder die Polder. Oden Elegien Andere» (2001), «schœn! schœn! Gedichte» (2003), «im kinde schwirren die ahnen. 52 gedichte» (2008), «in sepps welt. gedichte und ähnliche dinge» (2013). Für seine Werke erhält er den Preis des Landes Kärnten (1991) und den Heimrad-Bäcker-Preis (2012).
«In sepps welt. Gedichte und ähnliche dinge.»
Wien, Klever Verlag
ISBN 978-3-902665-55-3
In dieser Summe seines literarischen Schaffens der letzten zwanzig Jahre bestätigt Urs Allemann, was seine früheren Gedichtbände offenbarten: Da spricht oder singt, nein: jauchzt, knurrt und spottet eine der originellsten Stimmen der literarischen Avantgarde deutscher Sprache. Er verfügt auf virtuose Weise über das Instrumentarium der Tradition ebenso wie aller Versuche des Bruchs mit ihr. Er aber bricht nicht einfach, er bricht um in ebenso vertraut wie verstörend wirkende Verse und Strophen. Seine Ver- und Zersetzungen von Silben und Lauten verführen uns dazu, neu hinzuhören auf das, was Dichtung ausmacht: Sie muss Laut werden, damit eine Bedeutung sich einstellt.
David Bosc – Foto: © Sébastien Agnetti
David Bosc
Geboren 1973. David Bosc wuchs in der Provence auf und studierte in Aix und
Siena (Italien) politische Wissenschaften. Er lebte in Paris und Warschau,
bevor er sich vor acht Jahren in Lausanne niederliess, wo er seither bei Les Editions Noir sur Blanc tätig
ist.
Am Anfang seiner literarischen Tätigkeit stand die Veröffentlichung von Essays und Übersetzungen (u.a. Briefwechsel von Jonathan Swift, Gedichte von Dino Campana, beide erschienen bei den Editions Allia). «Sang lié», sein erster Roman, erschien 2005, gefolgt 2009 von «Milo», der für den Prix Dentan und den Prix Amila-Meckert nominiert wurde.
«La Claire Fontaine»
Lagrasse, Verdier
ISBN 978-2-86432-726-4
La Claire Fontaine von David Bosc ist ein Roman über den Maler Gustave Courbet; es ist ein Roman über den Genfersee aus der Sicht des Malers; und es ist eine Art Exilroman. Als Mitglied der Pariser Kommune wurde Courbet verfolgt und musste Ornans 1873 in Richtung Schweiz verlassen, wo er vier Jahre später starb. Der Roman über Courbets letzte Jahre widerspiegelt die spannungsgeladene «revolutionäre» Freude, die den Künstler ergriffen hatte. David Bosc schreibt in einer bildhaften Sprache, die dem Maler selbst entliehen sein könnte. Sie ist grosszügig, prickelnd, amüsant, und sie zeichnet in grossen, farbenfrohen, humorvollen Pinselstrichen Courbets Leben in der Schweiz nach.
Roland Buti – Foto: © Sébastien Agnetti
Roland Buti
Geboren 1964 in Lausanne. Sein Studium der Literaturwissenschaften und Geschichte schloss Roland Buti 1996 mit einer Dissertation ab, die Aufsehen erregte: «Le refus de la modernité: la Ligue vaudoise, une extrême droite et la Suisse (1919-1945)», erschienen in der Reihe Payot Histoire. Er unterrichtet am Gymnasium und widmet sich daneben Forschung und Literatur. 1990 veröffentlichte er bei den Editions Zoé den Erzählband «Les âmes lestées». 2004 erschien sein erster Roman, «Un Nuage sur l’œil», der mit dem Prix Bibliomedia 2005 ausgezeichnet wurde. «Luce et Célie» (2007) wurde in die Sélection Lettres frontière 2008 aufgenommen.
«Le Milieu de l’horizon»
Genève, Zoé
ISBN 978-2-88182-894-2
Mit seinem Roman «Le Milieu de l’horizon» lässt Roland Buti uns eintreten in die kleine Welt eines Bauernhofs im Welschland. Er tut dies mit einer Kraft, die an gewisse Werke von William Faulkner erinnert. Hinter den Kulissen sind seltsame Mächte und Kräfte am Werk. Durch sie gerät das Familienleben des 13jährigen Gus aus den Fugen. Er ist der ohnmächtig verschreckte Beobachter eines mannigfachen Zerfalls, des Zerfalls der traditionellen Landwirtschaft, der Paarbeziehung seiner Eltern und der kindlichen Unschuld.
Die Ereignisse konzentrieren sich auf den Sommer 1976 und seine legendäre Trockenheit. Alles dreht sich in der Gluthitze dieses Hochsommers und seiner Gewitter. Dass die alte Stute stirbt, ist nur noch eine Bagatelle. Die Leidenschaft brennt: Alles verbrennt. Die nüchterne Sprache des Autors trifft auf Glut.
Rose-Marie Pagnard – Foto: © Sébastien Agnetti
Rose-Marie Pagnard
Geboren 1943 in Delémont (Jura), lebt und arbeitet in Les Breuleux. Nach dem Lehrerseminar wandte sich Rose-Marie Pagnard dem Journalismus zu. Sie verfasste zunächst literarische Kolumnen für das Wochenmagazin «Coopération» und schreibt seither Beiträge für die Zeitschriften «Ecriture» und «Le Passe-Muraille» und Zeitungen wie «Le Nouveau Quotidien» und «Le Temps». Daneben widmet sie sich der Literatur. Ihre Romane handeln vom gewöhnlichen Leben, das durch das Hereinbrechen verheerender oder märchenhafter Ereignisse, durch die Zerstörung von Gewissheiten über den Wahnsinn und die Vorstellungskraft fremd wird und ins Wanken gerät.
«J’aime ce qui vacille»
Genève, Zoé
ISBN 978-2-88182-883-6
Sigui und Ilmar haben ihre drogenabhängige Tochter verloren – zwei Jahre später irrt Sigui auf der Suche nach der Wahrheit oder einer Erklärung herum. Ilmar, Kostümbildner im Theater, will sie von dieser sterilen Suche losreissen und plant einen Maskenball, zu dem er alle Nachbarn einladen möchte. Von diesem Zeitpunkt an pendelt der Roman zwischen Realismus, Märchen und Komödie und öffnet sich für zahlreiche überraschende Figuren, die vom Leben ins Wanken gebracht wurden. Mit ihrem Stil und ihrer Vorstellungskraft überträgt Rose-Marie Pagnard eine persönliche Trauer und wächst über sie hinaus – es ist, als ob all ihre vorherigen Bücher den Weg zu diesem ergreifenden und schillernden Roman gewiesen hätten.
Vera Schindler-Wunderlich – Foto: © Sébastien Agnetti
Vera Schindler-Wunderlich
Wird 1961 in Solingen (D) geboren und lebt in Allschwil bei Basel. Sie studiert Musikwissenschaften und Anglistik in Köln, Aberdeen und Freiburg im Breisgau. Ihre wissenschaftliche Abschlussarbeit schreibt sie über die Gedichte von Gerard Manley Hopkins. Sie ist fünf Jahre Redaktorin bei der schweizerischen Literaturzeitschrift «orte». Heute arbeitet sie als Redaktorin und Protokollführerin bei den schweizerischen Parlamentsdiensten in Bern. Ihr Debüt «Dies ist ein Abstandszimmer im Freien» erscheint Ende 2012. Sie wird in diversen Zeitschriften und Anthologien veröffentlicht.
«Dies ist ein Abstandszimmer im Freien». Gedichte.
Erstfeld, edition pudelundpinscher
ISBN 978-3-906061-00-9
Genuin und gelehrt kommen die Gedichte von Vera Schindler-Wunderlich daher: vor allem aber schwungvoll. Rhythmus und Treffsicherheit prägen ihre Verse; sie erzählen Geschichten, die uns wie Bilder- und Worträtsel begegnen. Zeichen und Wunder. Solche Rätsel wollen aufgeschlüsselt sein. Nach und nach geben sie Teile von Sinn preis, voller Ernst und – auch – Humor. Sprachspiel und Sprachkritik verfliessen in der Musik dieser Lyrik. Das «Abstandszimmer im Freien», von dem aus sie singt und spricht, schwebt inmitten der jahrtausendealten heutigen Welt. Im Kosmos, samt seinen Planeten und unserem Alltag.
Matteo Terzaghi – Foto: © Sébastien Agnetti
Matteo Terzaghi
Geboren 1970 in Bellinzona, aufgewachsen in Lugano. Studium der Philosophie in Genf, Abschluss mit dem Lizentiat (1995); lebt in Bellinzona, Arbeit beim Verlag Casagrande. Beginn der schriftstellerischen Laufbahn mit zwei Kinderbüchern: «Ina, la formica dell’alfabeto» und «Undici gatti paracadutisti: una storia», erschienen bei AER 1998 resp. 2001; später ein philosophischer Essai «Il merito del linguaggio» (Casagrande, 2006). Er realisiert zahlreiche Ausstellungen und Publikationen in Zusammenarbeit mit dem Künstler und Grafiker Marco Zürcher; zu erwähnen insbesondere «The Tower Bridge e altri racconti fotografici» (Periferia, 2009), «Appunti per una grande enciclopedia dello spazio scritta e illustrata senza uscire di casa» (Periferia, 2012) und «Hotel Silesia» (Czytelnia Sztuki, 2013).
«Ufficio proiezioni luminose»
Macerata, Quodlibet
ISBN 978-88-7462-536-9
Der Schweizer Literaturpreis wird Matteo Terzaghi für dessen Werk «Ufficio proiezioni luminose» verliehen – ein Buch, das neue Wege in der Prosaliteratur der italienischsprachigen Schweiz auslotet und in dem auf kleinstem Erzählraum autobiographische Erzählung, philosophische Mikroaufsätze und Reflexionen über die Beziehung zwischen Bild und Text im Dialog stehen. Das Ganze ist in eine direkte Sprache und einen ebenso deutlichen Stil verpackt, die in den besten Momenten an grosse Meister wie Robert Walser oder Italo Calvino erinnern.
Urs Widmer – Foto: © Sébastien Agnetti
Urs Widmer
Geboren 1938 in Basel, studierte Germanistik, Romanistik und Geschichte in Basel, Montpellier und Paris. Danach arbeitete er als Verlagslektor im Walter Verlag, Olten, und im Suhrkamp Verlag, Frankfurt. 1968 wurde er mit seinem Erstling, der Erzählung «Alois», selbst zum Autor. In Frankfurt rief er 1969 zusammen mit anderen Lektoren den Verlag der Autoren ins Leben. Widmer lebt als Schriftsteller in Zürich. Zuletzt wurde er für sein umfangreiches Werk mit dem Friedrich-Hölderlin-Preis 2007 der Stadt Bad Homburg ausgezeichnet.
«Reise an den Rand des Universums»
Zürich, Diogenes
ISBN 978-3-257-06868-9
«Kein Schriftsteller, der bei Trost ist, schreibt eine Autobiographie». Gegen die Angst, damit ans Ende seiner Stoffe zu gelangen, hilft das Wissen, dass eine Erzählung des eigenen Lebens dieses immer auch aus Erinnertem erfindet. Dies führt Urs Widmer in einer leichtfüssig verspielten, ironischen und zugleich melancholischen Erzählung seiner Jugend vor, in der ihm fast alles entweder glücklich zufällt oder unglücklich zustösst. Die Gattung parodierend beginnt er mit seiner Zeugung, die er so genüsslich erdichtet wie seinen ganzen Weg zur Literatur: vom Kleinkind im Schlaggeprassel der Schreibmaschine des Vaters, bis zum Moment, da die eigene Schreibmaschine von selber zu schreiben beginnt.
Quellen:
http://www.literaturpreise.ch/de/aktuell/
Kommentare von Daniel Leutenegger