10. November 2024
DER DEUTSCHE LYRIKER, PROSAIST UND HÖRSPIELAUTOR JÜRGEN BECKER IST GESTORBEN
Der am 10. Juli 1932 in Köln geborene deutsche Lyriker, Prosaist und Hörspielautor Jürgen Becker (Bild) ist am 7. November 2024 ebenda gestorben. Jürgen Becker trat in den 1960er-Jahren mit einer stark experimentellen Art von Literatur hervor, die vor allem aus Opposition zum herkömmlichen Erzählen auf die offene Form setzte. In späteren Texten ist dieser Impuls zurückgenommen, während die Landschaft nach wie vor in Beckers Lyrik eine wichtige Rolle spielt. Neben den Gedichten, die sein Hauptwerk bilden, verfasste Becker auch Erzählungen und Hörspiele. In der Begründung des Georg-Büchner-Preises, der Becker 2014 zuerkannt wurde, wird er als «eine massgebliche Stimme der zeitgenössischen Poesie» gewürdigt, der «die deutschsprachige Dichtung über Generationen entscheidend geprägt» hat. (*)
Bild: Jürgen Becker, 2009 – Foto: Hpschaefer, https://commons.wikimedia.org/wiki/User:Hpschaefer, www.reserv-art.de – Lizenz: https://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/deed.en – Datei: https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Becker,_Juergen-Schriftsteller-1109.jpg
Grosse Trauer in Köln
Jürgen Becker war bis in die letzten Monate literarisch aktiv gewesen. Noch in diesem Jahr ist der Band «Nachspielzeit. Sätze und Gedichte» erschienen; die Buchvorstellung im Literaturhaus Köln, die Ende August geplant war, musste er allerdings aus gesundheitlichen Gründen absagen.
Der Titel «Nachspielzeit» war der Tatsache geschuldet, dass zwei Jahre zuvor der voluminöse Band mit «Gesammelten Gedichten – 1971 bis 2022» erschienen war (mit Collagen seiner 2021 verstorbenen Ehefrau Rango Bohne sowie mit Fotografien seines Sohnes Boris Becker). Doch für einen Schlussstrich war es da noch zu früh.
https://www.express.de/koeln/schriftsteller-juergen-becker-ist-tot-er-wurde-92-jahre-alt-895747
Chronist des Alltäglichen
Er war ein Erforscher unserer Bewusstseinslandschaften und hat ein vielgestaltiges Werk geschaffen: Gedichte, Romane, Erzählungen und Hörspiele. Jetzt ist Jürgen Becker im Alter von 92 Jahren gestorben.
Dieser Satz aus seinem Prosaband «Im Radio das Meer» aus dem Jahr 2009 könnte über dem gesamten literarischen Schaffen Jürgen Beckers stehen: «Wenn eine Geschichte anfing, wusste er nie so recht, wo sie hinführen sollte.»
Der stetigen Suche nach neuen Ausdrucksformen galt sein Schreiben. Mit jedem neuen Buch habe er versucht, sich als Schriftsteller neu zu definieren, sagte er einmal in einem Interview.
https://www1.wdr.de/nachrichten/nachruf-auf-juergen-becker-100.amp
Die Wiedergabe der Augenblicke
«Nie hört die Nachkriegszeit auf»: Das ist eine dieser beiläufig kunstvollen Zeilen des Lyrikers Jürgen Becker, die unvergesslich bleiben werden. Dabei macht sie, typisch für diesen Autor, keinerlei Aufhebens von sich.
Norbert Hummelt
Farbiges Land hinter verschlossenen Fenstern
Jürgen Becker wurde 1932 geboren. Damit zählte er zur sogenannten skeptischen Generation, die den Nationalsozialismus und den Krieg in der Kindheit oder Jugend erlebte und danach Ideologien nur noch mit Vorsicht begegnete. Beckers Werk, das aus Hörspielen, journalartigen Erzählungen und vor allem Gedichten besteht, kommt tatsächlich ohne starke Überzeugungen oder gar Glaubenssätze und überhaupt ohne Aufwallungen aus. Seine Skepsis reichte aber noch weiter und richtete sich auch gegen überlieferte literarische Formen: Seine Gedichte sind ungereimt und verzichten auf besondere Metaphern, die Erzählungen leben nicht vom Plot oder von den Figuren, sondern von intensiven und erhellenden Beobachtungen.
Dirk von Petersdorff
Chronist der Augenblicke
Er gehörte einer Generation an, die, als Kinder zum Strammstehen erzogen, den Rest ihrer Zeit Distanz zu ihrer Gegenwart hielt. Die Jüngeren können von ihm lernen.
Insa Wilke
Er schrieb die nachdenklichste und menschenfreundlichste Annäherung an die Deutschen und ihre Wiedervereinigung
Bewusstseins-Topograf, Chronist deutscher Verhältnisse und Befindlichkeiten, lyrische Stimme der «skeptischen Generation»: Der am 7. November in Köln verstorbene Schriftsteller Jürgen Becker gehörte zu den angesehensten Autoren der Bundesrepublik. Sein Werk, obwohl einem kleinen Themenkreis verpflichtet, ist immer aufregend geblieben, ein «Journal der Wiederholungen», das in allen Varianten poetisch zündete. Die Kritik verlor nicht das Staunen über einen Autor, der die sprachskeptische Bewegung selbst zu Klang werden liess, doch konnte sie nicht verhindern, dass ihn die breitere Öffentlichkeit im Bild eines Experimentators festhielt, der er im strengen Sinn nie gewesen ist.
Andreas Nentwich
Audios / Videos:
https://www.dichterlesen.net/suche/?tx_solr%5Bq%5D=j%C3%BCrgen+becker
https://www.lyrikline.org/de/gedichte/schlaf-der-geschichte-die-karten-ansichten-und-prospekte-467
Erlebte Geschichten: Jürgen Becker (01.11.2009)
https://www1.wdr.de/av/audio-erlebte-geschichten-juergen-becker–100.amp
Jürgen Becker: «Da wagt einer, mich zu verreißen? Das muss ich aber genauer wissen.»
Jürgen Becker: NEW YORK 1972, hrg. von Boris Becker
Jürgen Becker & Durs Grünbein (Sommerfest 2017)
Mehr:
http://www.juergen-becker.com/
https://portal.dnb.de/opac.htm?method=simpleSearch&query=118508091
https://www.perlentaucher.de/autor/juergen-becker.html
https://www.literaturport.de/lexikon/juergen-becker/
https://www.suhrkamp.de/person/juergen-becker-p-263
https://www.adk.de/de/akademie/mitglieder/?we_objectID=52985
(*) https://de.wikipedia.org/wiki/J%C3%BCrgen_Becker_(Schriftsteller)
#JürgenBecker #CHcultura @CHculturaCH ∆cultura cultura+
Kommentare von Daniel Leutenegger