13. März 2023
ZUM TOD DES JAPANISCHEN SCHRIFTSTELLERS KENZABURŌ ŌE
Der am 31. Januar 1935 in Ōse geborene japanische Schriftsteller Kenzaburō Ōe (Bild) ist am 3. März 2023 in Tokio gestorben, wie jetzt bekannt wurde. In seinem Heimatland zählt er zu den wichtigsten Schriftstellern seiner Generation. Er erhielt 1994 den Nobelpreis für Literatur. Der Autor, Pazifist und Atomkraftgegner war bis ins hohe Alter ein steter Mahner und Warner – und er zögerte nicht, gegen Bestrebungen der regierenden Konservativen nach Änderung der pazifistischen Nachkriegsverfassung klar Stellung zu beziehen.
Bild: Kenzaburō Ōe, 2012 – Foto: Thesupermat, https://commons.wikimedia.org/wiki/User:Thesupermat – Lizenz: https://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/deed.en – Datei: https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Paris_-_Salon_du_livre_2012_-_Kenzaburō_Ōe_-_003.jpg
Nobel-winning Japanese novelist Kenzaburo Oe dies at 88
He won the Nobel Prize in 1994 as he was working on the «A Flaming Green Tree» trilogy. The prize was awarded for works including the novel «A Personal Matter» — which was dedicated to his son, the composer Hikari Oe — solidifying his place in contemporary literature.
The Nobel Prize committee cited him as one «who with poetic force creates an imagined world, where life and myth condense to form a disconcerting picture of the human predicament today.»
Kathleen Benoza
https://www.japantimes.co.jp/news/2023/03/13/national/kenzaburo-oe-obit/
Kenzaburo Oe, Nobel Laureate and Critic of Postwar Japan, Dies at 88
With his powerful novels and essays, Mr. Oe tried to ensure that Japan learned the lessons of its 20th-century militarism.
Daniel Lewis
https://www.nytimes.com/2023/03/13/books/kenzaburo-oe-dead.html
Fiction and essays tackled subjects including militarism and nuclear disarmament, innocence and trauma
Kenzaburo Oe, a giant of Japanese writing and winner of the Nobel prize in literature, has died aged 88.
Spanning fiction and essays, Oe’s work tackled a wide range of subjects from militarism and nuclear disarmament to innocence and trauma, and he became an outspoken champion for the voiceless in the face of what he regarded as his country’s failures. Regarded by some in Japan as distinctly western, Oe’s style was often likened to William Faulkner; in his own words, in his writing he would «start from my personal matters and then link it up with society, the state and the world».
Sian Cain
https://www.theguardian.com/world/2023/mar/13/kenzaburo-oe-nobel-prize-winning-japanese-writer-dies
Muere el Nobel Kenzaburo Oé, ‘niño terrible’ de las letras japonesas
El escritor, fallecido a los 88 años, fue una de las grandes voces críticas de un país con pocas disonancias
Gonzalo Robledo
https://elpais.com/cultura/2023-03-13/muere-kenzaburo-oe-premio-nobel-japones-de-literatura.html
Kenzaburo Oe, morto lo scrittore premio Nobel: i suoi libri e il suo mondo
Ritratto d’autore del romanziere scomparso a 88 anni. Tra pacifismo, Dante e traumi familiari.
Paolo Di Paolo
Mort de l’écrivain Kenzaburo Oe, de la forêt à la lumière
Pacifiste fasciné par la violence, conscience de gauche touchée par le nationalisme, il laisse une œuvre marquée par les ambiguïtés de son pays.
Arnaud Vaulerin
Une incarnation de l’histoire intellectuelle du Japon de l’après-guerre, dans ses espoirs comme ses désillusions
Il fut d’abord un homme fidèle. Fidèle en amitié et fidèle à lui-même: aux valeurs et aux idées (démocratie, pacifisme) sur lesquelles s’est refondé le Japon au lendemain de la défaite de 1945. Lucide et discret, il resta un veilleur indigné et irrévérencieux à l’égard des «vérités» et du jour. Parfois Don Quichotte émouvant par son entêtement à défendre des causes émoussées par l’air du temps, il était habité par un humanisme qui s’efforçait de neutraliser le venin de l’oubli.
Philippe Pons
Wie fremd, wie schön
Man hat den japanischen Erzähler Kenzaburō Ōe gelegentlich mit Günter Grass verglichen, um seine Stellung in der Literatur seines Landes zu beschreiben. Und wirklich gibt es einige Analogien, die es erlauben, sich das für westliche Leser Fremde dieser Figur zu erschließen: Ein Nationalklassiker der Gegenwart, dessen Ausgangspunkt das katastrophale Ende des Zweiten Weltkriegs wurde – ähnlich in den beiden verbündeten und gleichermaßen restlos besiegten Ländern. Beide wurden zu moralischen Instanzen, beide waren sozialdemokratisch-pazifistisch eingestellt, und beiden wurde auch als politischen Zeitgenossen der Nobelpreis für Literatur zuteil.
Gustav Seibt
https://www.sueddeutsche.de/kultur/kenzaburo-oe-literaturnobelpreis-nachruf-1.5767821?reduced=true
Gegen den kollektiven Wahnsinn des Krieges
Kenzaburo Oe verband in seinen Büchern die Schicksale der Figuren mit dem Wettstreit zwischen Tradition und Moderne, zwischen Glauben und Wissenschaft in Japan. Geht er in «Der stumme Schrei» (1967) dem Verhältnis zum Sterben durch Krankheit oder Selbsttötung nach, beschäftigt ihn im 1993 erschienenen Roman «Grüner Baum in Flammen» der Umgang mit Religion, Aberglaube und Gesundheitssystem. Dabei sind die großen Fragen stets ins Individuelle rückübersetzt.
Öffentlich nahm er wiederholt Stellung, indem er von seinem Land eine eindeutige pazifistische Haltung forderte und vor den Gefahren der Atomenergie warnte.
Cornelia Geissler
Der groteske Existenzialist
Der frühe Oe, der als 23-Jähriger mit seiner Erzählung «Der Fang» über die letzten Weltkriegstage in einem japanischen Dorf mit dem Akutagawa-Preis sofort die angesehenste Auszeichnung des Landes erhielt, fühlte sich noch einer Ästhetik des Hässlichen verpflichtet. Sein Sinn für Ekel und Gewalt wich aber zusehends einem Sinn für das Groteske, wie er ihn bei François Rabelais oder Grimmelshausen bewunderte, dem sich auch sein Freund Günter Grass verwandt fühlt. Der Briefwechsel der beiden füllt einen eigenen Band.
Gregor Dotzauer
Protest und Kritik
Geboren 1935 in Uchiko auf der Insel Shikoku im Südwesten Japans, wurde Ōe früh zum Pazifisten. Davon kündet bereits die Erzählung «Der Fang» (1958) über einen US-Piloten, dessen Flieger nahe einem abgelegenen Dorf abgeschossen wird. Ōe wurde dafür als einer der jüngsten Gewinner jemals mit 23 Jahren mit dem Akutagawa-Preis ausgezeichnet. Auch der Atombombenabwurf auf Hiroshima, als er zehn Jahre alt war, sollte ihn sein Leben lang prägen. Hiroshima sei «eine Katastrophe, die noch dramatischer als Naturkatastrophen ist, weil sie von Menschen gemacht ist», sagte er.
https://www.derstandard.at/story/2000144424749/japans-nobelpreistraegerkenzaburo-oe-gestorben
Japans Gewissen
Zeitlebens trat Kunzaburo Oe als Warner und Mahner auf. Auch im hohen Alter schreckte er nicht davor zurück, die Bestrebungen der regierenden Konservativen nach Änderung der pazifistischen Nachkriegsverfassung heftig zu kritisieren. Gleichzeitig setzte er sich an die Spitze der Antiatomkraftbewegung, die sich im Zuge der Katastrophe von Fukushima vor zwölf Jahren bildete.
Michael Luisier
Ein Vermesser geografischer und gesellschaftlicher Randgebiete – mit Kenzaburo Oe ist ein leuchtender Stern am japanischen Literaturhimmel erloschen
Nur wenige kannten im Westen den Namen Kenzaburo Oes, als dieser 1994 den Literaturnobelpreis erhielt. Untypisch für Japan war nicht nur der stark westlich geprägte Stil seines Schreibens, sondern auch sein gesellschaftspolitisches Engagement.
Leopold Federmair
Videos:
Kenzaburo Oe, Nobel Prize in Literature 1994: Nobel Lecture
https://www.youtube.com/watch?v=MBKbvt9pnKE&t=4s
Kenzaburo Oe – Conversations with History
https://www.youtube.com/watch?v=o9_gamHX6mA&t=61s
Japanese Nobel Laureate Kenzaburo Oe on 70th Anniv. of US Atomic Bombings of Hiroshima and Nagasaki
https://www.youtube.com/watch?v=Az4Px2_3Kmc&t=2s
Mehr:
https://www.nobelprize.org/prizes/literature/1994/summary/
https://www.nobelprize.org/prizes/literature/1994/oe/biographical/
https://openlibrary.org/authors/OL2781343A/Kenzaburō_Ōe
https://isfdb.org/cgi-bin/ea.cgi?136691
https://www.imdb.com/name/nm0644192/
https://portal.dnb.de/opac.htm?method=simpleSearch&query=118735969
https://de.wikipedia.org/wiki/Kenzaburō_Ōe
#KenzaburoOe #CHcultura @CHculturaCH ∆cultura cultura+
Kommentare von Daniel Leutenegger