8. Januar 2025
LEUCHTENDE PILZE IN DER SCHWEIZ FASZINIEREN KUNSTSCHAFFENDE UND WISSENSCHAFT
Durch Zufall haben zwei Kunstschaffende in der Schweiz die Biolumineszenz eines Pilzes entdeckt. Gemeinsam mit einer Pilzexpertin der Eidgenössischen Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft (WSL) beschreiben sie das wenig erforschte Phänomen.
Bild: M. crocata im Licht (links) und in der Dunkelheit (rechts). Die Biolumineszenz des Myzels lässt das Holz leuchten. (Foto: Baggenstos/Rudolf)
Bei leuchtenden Pilzen denkt man oft an tropische Regionen, aber auch in der Schweiz kommen sie vor. Die Zürcher Künstler:innen Heidy Baggenstos und Andreas Rudolf beschäftigen sich seit über zehn Jahren mit biolumineszenten Organismen. «Wir wollen zeigen, dass diese biolumineszenten Pilze in Schweizer Wäldern vorkommen und dass wir nicht weit reisen müssen, um sie zu finden», erklärt Baggenstos.
Eines Abends, als sie durch den Wald in Zürich-Albisrieden spazierten, beobachtete das Duo durch ihre Kamera grünes Licht. Manchmal ist die Biolumineszenz der Pilze so schwach, dass sie mit blossem Auge nicht zu sehen ist. «Heutzutage verwenden wir meistens unsere Handys oder eine Taschenlampe, aber um Biolumineszenz im Wald zu sehen, muss es stockdunkel sein», sagt Rudolf.
Die Kunstschaffenden sammelten einige Proben des leuchtenden Exemplars, da sie dachten, es handele sich um Mycena haematopus, eine bekannte biolumineszente Art. Zurück in ihrem gut beleuchteten Atelier stellten sie fest, dass es sich um eine andere Art handelte, Mycena crocata, den Gelbmilchenden Helmling, der für seine safranfarbene Milch bekannt ist und bisher nicht als biolumineszent beschrieben wurde.
Über Disziplinen hinweg
Gemeinsam mit Renate Heinzelmann, einer Pilzexpertin an der WSL, beschrieben sie diese neue Entdeckung genauer. Die Kunstschaffenden massen die von verschiedenen Teilen des Pilzes emittierte Lichtmenge mithilfe von Langzeitbelichtungsfotos und einem Luminometer, das schwächeres Licht stärker verstärkt als eine Kamera. «Die meisten Experimente führten die Künstlerin und der Künstler durch. Sie sammelten die Proben, machten die Fotos und die Lichtmessungen», berichtet Heinzelmann.
Biolumineszenz ist ein chemischer Prozess, bei dem lebende Organismen Licht erzeugen, und Pilze haben ihren eigenen, einzigartigen Mechanismus entwickelt. Der entscheidende Schritt ist die Umwandlung von Luciferin durch das Enzym Luciferase in ein instabiles Produkt, das bei seinem Zerfall Energie in Form von Licht freisetzt. Im Gegensatz zur Fluoreszenz ist bei diesem Prozess keine externe Lichtquelle erforderlich.
Die Lichtmessungen ergaben, dass der Fruchtkörper von M. crocata abgesehen von der Stielbasis nicht leuchtet, während das Myzel die stärkste Biolumineszenz aufwies. Das Myzel ist das unterirdische Geflecht eines Pilzes, das den Wurzeln von Pflanzen ähnelt. Daher kann auch das verrottende Holz, auf dem M. crocata wächst, beim Aufspalten ein grünes Leuchten abgeben, das bis zu 4 Stunden anhält, bis das Holz austrocknet. Als Baggenstos und Rudolf reine Myzelkulturen unter optimalen Bedingungen züchteten, leuchteten diese bis zu 164 Tage lang.
Die Frage nach dem Warum
Heinzelmanns genetische Untersuchungen bestätigten die bestimmte Art sowie die Anwesenheit von Genen, die mit der Biolumineszenz in Zusammenhang stehen und in allen leuchtenden Pilzen der Gattung Mycena, den Helmlingen, vorkommen. «Es werden laufend neue biolumineszente Arten entdeckt werden», prognostiziert Heinzelmann. «Die Biolumineszenz ist noch wenig erforscht, und je mehr Menschen nachforschen, desto mehr werden sie finden.»
Biolumineszierende Pilze üben seit Aristoteles› erster Beobachtung vor über zweitausend Jahren eine Faszination aus. Er beschrieb sie als «kaltes Feuer», das aus verrottendem Holz austritt. Doch das Rätsel um dieses Phänomen hat sich über die Zeit erhalten. Obwohl der biologische Mechanismus inzwischen verstanden ist, bleibt seine ökologische Funktion unklar. Während einige leuchtende Pilze Insekten anlocken könnten, um Sporen zu verbreiten, passt die Biolumineszenz von verstecktem Myzel nicht zu dieser Hypothese. «Es scheint, dass die Biolumineszenz über lange Zeiträume erhalten geblieben ist, also nehmen wir an, dass sie eine Funktion hat», sagt Heinzelmann, «aber sie ist immer noch ein Rätsel.»
Publikation
Heinzelmann R., Baggenstos H., Rudolf A. (2024) Is the bioluminescence in many Mycena species overlooked? – A case study from M. crocata in Switzerland. Mycoscience. 65(4), 173-179. https://doi.org/10.47371/mycosci.2024.03.001 Institutional Repository DORA
Quelle:
Kontakt:
https://www.baggenstos-rudolf.ch
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Kommentare von Daniel Leutenegger