14. Januar 2025
«ZUKUNFTSWEISENDES MODELL FÜR BERGREGIONEN»: WAKKERPREIS 2025 GEHT AN DIE GEMEINDE POSCHIAVO
«Poschiavo nutzt seine periphere Lage als Chance und verbindet Eigenständigkeit, Baukultur und nachhaltige Entwicklung zu einem zukunftsweisenden Modell für Bergregionen. Historische Gebäude und zeitgenössische Architektur, innovative Projekte sowie ein vielfältiges Kulturangebot schaffen Lebensqualität und wirken der Abwanderung entgegen», heisst es in der heutigen Medienmitteilung: Der Schweizer Heimatschutz würdigt so Poschiavo mit dem Wakkerpreis 2025 als «Vorbild für das gelungene Zusammenwirken von Tradition, Fortschritt und Gemeinschaftssinn».

Bild: © Christian Beutler/Keystone/Schweizer Heimatschutz
Ein Bergdorf mit mediterranem Flair
Poschiavo, eingebettet in die Alpen und von mediterranem Einfluss geprägt, erzählt die faszinierende Geschichte eines einst florierenden Handelsorts zwischen Graubünden und Italien. Nach einem wirtschaftlichen Einbruch Ende des 18. Jahrhunderts, ausgelöst durch Napoleons Übernahme des Veltlins, wanderten viele Bewohner:innen aus, um als Zuckerbäcker:innen in europäischen Metropolen ihr Glück zu suchen.
Der zurückgebrachte Wohlstand und städtisches Flair prägen durch die eleganten Patrizierhäuser, die «Palazzi», bis heute das Ortsbild. Zusammen mit der gut ablesbaren historisch gewachsenen Struktur Poschiavos sind sie heute im Bundesinventar der schützenswerten Ortsbilder der Schweiz von nationaler Bedeutung (ISOS) eingetragen.

Bild: Das Devon House, erbaut 1863 von Pietro Pozzi, ist Teil der repräsentativen Via dei Palazzi, einer Reihe Herrenhäuser in eklektizistischem Stil mit gegenüberliegenden Gärten. Es wurde 1908 von der Familie Semadeni-Fisler nach ihrer Rückkehr aus England erworben. Heute ist es für kulturelle Aktivitäten bekannt: Der Besitzer betreibt im Garten ein Open-Air-Kino und nutzt die Scheune für einen Cinéclub, wodurch das historische Gebäude eine lebendige Nutzung erfährt. – Foto: © Christian Beutler/Keystone/Schweizer Heimatschutz
Einzigartige Baugeschichte pflegen und weiterentwickeln
«Poschiavo ist ein Vorbild für den umsichtigen Umgang mit Baukultur. Die Gemeinde hat ihren historischen Bestand sorgfältig inventarisiert und Baureglemente entwickelt, die eine qualitativ hochwertige Instandhaltung und Weiterentwicklung garantieren. Neue Bauten orientieren sich an den traditionellen Grundsätzen, um das Ortsbild zu erhalten. Auch ausserhalb des Dorfzentrums lebt die Verbindung von Kultur und Natur: Die traditionellen Maiensässe, einst wichtige Elemente der Stufenwirtschaft, werden weiterhin genutzt und gepflegt.», schreibt der Schweizer Heimatschutz.
Eigenständigkeit als Erfolgsrezept
Ihre Abgeschiedenheit habe die Gemeinde zu einem Modell für regionale Eigenständigkeit gemacht: Von einem eigenen Spital über Fernwärmeanlagen bis hin zu Schulen und einer Bibliothek – Poschiavo stelle seinen Einwohnerinnen und Einwohnern eine umfassende Grundversorgung zur Verfügung, so der Heimatschutz. Auch ein breites Kulturangebot trage zur Lebensqualität bei: Dank engagierter Bürgerinnen und Bürger sei das Tal Schauplatz von Konzerten, Kunstausstellungen, Tanz- und Kinoveranstaltungen. «Diese Eigenständigkeit ist ein entscheidender Faktor im Kampf gegen die Abwanderung, die viele Bergregionen betrifft. Poschiavo beweist, dass eine starke Gemeinschaft und kluge Planung zentrale Bausteine für eine lebenswerte Zukunft sind.», heisst es in der heutigen Medienmitteilung.

Bild: Vor Jahrhunderten legten die Landwirte mit Trockenmauern Ackerterrassen an, um Landwirtschaftsflächen zu gewinnen, die für die selbstversorgenden Familien existentiell waren. Gemeinsam mit der Gemeinde Poschiavo entwickelte die «Ente frazionale Poschiavo-Cologna» das Projekt «Runchett da Sotsassa» östlich des Dorfes. Ziel des Projekts ist die Wahrung, Wiederherstellung und Aufwertung der typisischen Terrassenlandschaft in Poschiavo. – Foto: © Christian Beutler/Keystone Schweizer Heimatschutz
Kulturlandschaft als Ressource
Die natürliche Vielfalt des Valposchiavo ist beeindruckend: Vom Berninagebiet über den Gletschergarten Cavaglia bis hin zu idyllischen Bergseen bietet die Region eine spektakuläre Landschaft. «Doch Poschiavo beschränkt sich nicht auf Bewahrung – die Gemeinde gestaltet ihre Kulturlandschaft aktiv weiter: Die traditionellen Terrassenlandschaften werden wiederhergestellt und heute wieder für den Anbau von Gemüse und Kräutern genutzt. Poschiavo ist zudem eine Vorreiterin in der biologischen Landwirtschaft – bereits über 90% der landwirtschaftlichen Flächen sind biozertifiziert. Mit dem Projekt Smart Valley Bio fördert die Gemeinde eine Kreislaufwirtschaft, bei der die gesamte Wertschöpfungskette vom Anbau über die Verarbeitung bis hin zur Vermarktung im Tal bleibt.», schreibt der Schweizer Heimatschutz.

Bild: Die Mulino Aino führt das vorindustrielle Handwerk des bäuerlichen Lebens des 18. Jahrhunderts weiter. Mühle, Sägewerk und Schmiede werden mit Wasserkraft betrieben. Auf dem Gelände befinden sich auch das Waschhaus und die offene Hufschmied-Werkstatt. Die Mühle ist ein integraler Teil der lokalen Wertschöpfungskette. Sie mahlt den gesamten Buchweizenertrag des Tales, das gewonnene Mehl wird daraufhin lokal weiterverarbeitet. – Foto: Christian Beutler/Keystone/Schweizer Heimatschutz
Eine Gemeinschaft mit Perspektiven
Poschiavo zeige eindrucksvoll, wie periphere Regionen ihre Potenziale nutzen können. Durch die Verbindung von Baukultur, Eigenständigkeit, nachhaltiger Landwirtschaft und zivilem Engagement habe sich die Gemeinde gegen die Abwanderung behauptet und eine hohe Lebensqualität geschaffen, ist in der Medienmitteilung zu lesen.
Mit dem Wakkerpreis 2025 würdige der Schweizer Heimatschutz diesen Einsatz. Poschiavo sei «nicht nur ein Beispiel für gelungene politische und administrative Strategien, sondern auch ein Beweis dafür, dass gesellschaftliches Engagement und Zusammenhalt eine Berggemeinde zu einem qualitativ hochwertigen Wohn- und Arbeitsort gestalten können.»
Die offizielle Übergabe des mit 20’000 Franken dotierten Wakkerpreises findet am 23. August 2025 im Rahmen einer öffentlichen Feier statt.
cp
Quelle / Kontakt:
https://www.heimatschutz.ch/wakkerpreis
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Bild: Das ursprünglich vernakuläre Gebäude aus Stein und Holz wird wie zu Zeiten der Stufenwirtschaft als Zweitwohnung von der lokalen Bevölkerung weitergenutzt. Architekt Urbano Beti hat den steinernen Teil des Maiensäss Curvera aus dem Jahr 1588 in Zusammenarbeit mit der kantonalen Denkmalpflege rekonstruiert und den hölzernen Teil respektvoll restauriert. – Foto: © Christian Beutler/Keystone/Schweizer Heimatschutz
Kommentare von Daniel Leutenegger