28. November 2011
Schweizer Denkmalpreis geht an Mietwohnung in Bern
Kein Schloss und keine Villa, sondern eine Mietwohnung in Bern erhält den Schweizer Denkmalpreis 2011. Der Preis wird von der Konferenz der Schweizer Denkmalpflegerinnen und Denkmalpfleger (KSD) verliehen. Die Jury würdigt die Eigentümerschaft der Wohnung am Jägerweg 3 in Bern «für ihr kulturelles Engagement, das es ermöglicht hat, die wertvolle und eigenwillige Raumausstattung aus dem Jahr 1904 konsequent in den bauzeitlichen Zustand zurückzuführen».
Foto: zVg
In einer Stadt wie Bern beschränkt sich die Tätigkeit der Denkmalpflege
nicht auf die Betreuung herausragender Objekte. Gerade die «normalen»
Wohnbauten prägen die Quartiere ganz entscheidend. Die Lebensqualität in den
Berner Wohnquartieren besteht auch in den vielfach noch erhaltenen, sorgfältig
gestalteten historischen Wohnungen. Die Denkmalpflege sorgt mit ihrer täglichen
Arbeit für den Erhalt dieser Wohnkultur. Dass sich eine sorgfältige Renovation
in Zusammenarbeit mit der Denkmalpflege lohnt und nicht teurer sein muss, zeigt
das mit dem Schweizer Denkmalpreis ausgezeichnete Objekt.
Die 5-Zimmer-Wohnung in einem Dreifamilienhaus am Jägerweg 3 im Breitenrainquartier Bern wird heute zu einem Mietzins angeboten, der sich eher unter dem Preis vergleichbarer Objekte bewegt. Dies ist möglich, weil der Renovation eine genaue Abwägung vorausgegangen ist. Auf modische Einbauten oder Anpassungen wurde konsequent verzichtet.
Der Architekt André Born, der sich in Bern einen Namen mit der Sanierung historischer Bauten gemacht hat, liess sich bei der Renovation ganz vom originalen Bestand leiten.
Das Gebäude, das zu Beginn des 20. Jahrhunderts in den Formen des späten Jugendstils und frühen Heimatstils erbaut wurde, zeigt bereits den Einfluss der damaligen Wohnreform-Bewegung. Handwerkliche Produktion und Materialgerechte Details waren die Leitlinien dieser Strömung, der auch der Berner Architekt Friedrich Marbach anhing. Er erwies sich damit als moderner und zeitgemässer Gestalter, der die Verwendung starker Farben zu einem Markenzeichen seiner Wohnbauten machte.
Die Farbgebung ist denn auch das auffälligste Merkmal der ausgezeichneten Wohnung am Jägerweg. Diese Buntheit war aber vor der Renovation unter späteren Farbschichten versteckt. Die ursprüngliche Farbe von Türen und Fenstern wurde vom Restaurator nachgewiesen und konnten wieder hergestellt werden.
Besondere Sorgfalt galt auch der Tapete im zentralen Eingangsraum. Auch diese kam unter alten Farbschichten wieder zum Vorschein und zeigte japanisch anmutende Blatt- und Bergmotive. Sie wurde in einer Spezialfirma nachgedruckt und vervollständigt heute das Ambiente.
Nur minimale, aber konsequent
zeitgenössische Eingriffe erfolgten im Bad und in der Küche. Hier konnten die
originalen Fliesen und sogar das historische Buffet erhalten werden. Neu ist
einzig die modern gestaltete Küchenzeile, die einen zeitgemässen Komfort
gewährleistet.
Renovationszyklus wird verlangsamt
Die Renovation dieser Wohnung ermöglichte es, ein Stück Alltags- und Wohnkultur zu erhalten. Gleichzeitig ist sie aber auch ein Beitrag an eine nachhaltige Entwicklung. Der Verzicht auf Zeitgeistiges und die Ausrichtung aller Arbeiten am Original machen die Wohnung zeitlos. Die Renovationszyklen können so verlangsamt werden, da das Objekt nicht alle paar Jahre einem neuen Geschmack angepasst werden muss.
Die Wohnung bleibt attraktiv, der Einsatz von
neuen Baumaterialien hingegen konnte auf ein Minimum beschränkt werden. Damit
entfällt auch viel graue Energie, die in Produktion, Transport und Entsorgung
von neuen Bauteilen steckt. Gleichzeitig konnten Massnahmen zur energetischen
Verbesserung des Objekts getroffen werden. Obwohl die originalen und für das
Erscheinungsbild wichtigen Fenster erhalten blieben, ist die Innenseite der
Kastenfenster mit einem Isolierglas ausgestattet worden.
Die Wohnung am Jägerweg ist nicht ausgezeichnet worden, weil sie irgendwie herausragend oder einzigartig wäre. Sie erhält den Schweizer Denkmalpreis, weil sie ein gutes und nachahmenswertes Beispiel für einen nachhaltigen Umgang mit der Baukultur des Alltags darstellt.
ksd
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Kommentare von Daniel Leutenegger