25. Januar 2014
«ALFRED UND GISELA ANDERSCH – Sie macht etwas im Raum, ich in der Zeit.»
Ausstellung im Museum Strauhof Zürich, bis am 2. März 2014
Foto: © Museum Strauhof/Peter Hunkeler
«Prosa, Gedichte – meine Sprachwelt. Gleich nebenan entsteht eine Bild-Welt. Ich sehe zu, wie sie entsteht, seit fünfunddreissig Jahren. Die Bilder erscheinen auf den Wänden, verschwinden, erscheinen. Sie machen niemals den Versuch, mich einzuschliessen. Immer bleibt zwischen ihnen viel freier Raum. Sie gehen mir nicht auf die Nerven. Oft möchte ich sie festhalten, aber dann sind sie schon wieder fort. Sie sind nicht flüchtig, aber stets auf der Flucht.» (Alfred Andersch, Einige Zeichnungen)
1977 publizierte der Schriftsteller Alfred Andersch (1914-1980) den Essay «Einige Zeichnungen» im Diogenes Verlag. Neben dem Text enthielt die kleine Publikation 24 Zeichnungen von Gisela Andersch (1913-1987) sowie einen kunstwissenschaftlichen Aufsatz von Wieland Schmied zu ihren Bildern, in denen «Geometrie und Poesie zueinander gefunden haben und gemeinsam ihr Lied anstimmen». Anderschs Text wiederum versammelte «nochmals seine komplette Ästhetik eines denkenden Künstlers» und war gleichzeitig «seine schriftliche Liebeserklärung» (Stephan Reinhardt) an die Malerin, mit der er vierzig Jahre in einer Liebes- und Arbeitsbeziehung eng verbunden war.
Bereits in den fünfziger Jahren schuf Gisela Andersch die Umschlagbilder und
-typographien für die Publikationen des damaligen Rundfunkredakteurs und
Herausgebers Andersch.
1958 zogen Alfred und Gisela Andersch mit zwei Kindern in die
italienischsprachige Schweiz, nach Berzona im Onsernonetal.
Er hatte sich – nach langen Jahren als Gründungsmitglied der Gruppe 47 und als
wichtiger und einflussreicher Vermittler bei Radio und Zeitschriften – für
die unsichere Existenz als freier Schriftsteller entschieden.
Gisela Andersch arbeitete weiterhin als freie Künstlerin mit regelmässigen
Ausstellungen in Galerien und Museen.
Vom Tessin aus unternahm das Paar regelmässig längere Reisen, u.a. nach Skandinavien und Italien. Künstlerische Frucht dieser Unternehmungen sind die beiden Reisebücher «Wanderungen im Norden» (1962) und «Hohe Breitengrade» (1969) mit erzählerischen Texten des Autors und Farbtafeln nach Fotografien der Künstlerin.
Für «Winterspelt» (1974), den neben «Sansibar» (1958) wichtigsten Roman von Alfred Andersch, bildete eine Zeichnung von Gisela Andersch die «Urzelle» des grossangelegten Werkes, das während den letzten Wochen des Zweiten Weltkrieges in der deutschen Eifel spielt. In der Figur der Käthe Lenk gestaltete Andersch darin seiner Frau auch eine literarische Würdigung.
Anlässlich des 100. Geburtstages von Alfred (4.2.2014) und Gisela Andersch (5.11.2013) unternimmt die Ausstellung den Versuch, diesen langjährigen Dialog zwischen einem Schriftsteller und einer bildenden Künstlerin im 20. Jahrhundert zu dokumentieren. Die Ausstellung beleuchtet die Wechselwirkung zwischen Sprach- und Bildwelten und zeigt, wie sich Alfred und Gisela Andersch auf ihren beruflichen Wegen unablässig begleiteten und unterstützten.
Das filmische Doppelporträt «Mann und Frau im Gehäuse» (1973) von Percy Adlon vermittelt ein lebendiges Bild von zwei Künstlern, die sich ihre innere Freiheit bewahrt haben und sich trotzdem in Zuneigung nahe geblieben sind.
Alfred Andersch und das Radio
Dienstag, 4. Februar
2014, 19.30 Uhr
Eine Ton-Bildschau von Michael Augustin und Walter Weber
Alfred Andersch hat 1948 bis 1958 als Autor und Redakteur bei HR, NDR
und SDR die Entwicklung eines neuartigen Kulturradios massgeblich mitbestimmt.
Legendär wurde der von ihm erfundene «radio-essay» des Süddeutschen
Rundfunks, der mit Autoren wie Samuel Beckett, Arno Schmidt, Wolfgang Koeppen,
Ingeborg Bachmann, Wolfgang Hildesheimer oder Theodor W. Adorno
zukunftsweisende Massstäbe gesetzt hat.
In ihrer Ton-Bildschau – genau an Anderschs 100. Geburtstag – zeichnen die beiden Radio-Bremen-Redakteure Walter Weber und Michael Augustin ein radiophones Porträt des grossen Anregers und Praktikers. Dabei stützen sie sich auf das umfangreiche, von Andersch hinterlassene Hörwerk in den Archiven der ARD sowie auf Gespräche und Interviews mit Freunden, Weggefährten und Familienangehörigen.
msz
Kontakt:
http://www.museen-zuerich.ch/museen/museum/museum-strauhof
https://www.stadt-zuerich.ch/kultur/de/index/institutionen/museum_strauhof.secure.html
Kommentare von Daniel Leutenegger