23. Oktober 2024
ZUM TOD DES SCHWEIZER LANDSCHAFTSSCHÜTZERS HANS WEISS
Der am 6. Juli 1940 in Küsnacht (ZH) geborene Hans Weiss (Bild) ist am 13. Oktober 2024 gestorben. Er hat ein ganzes Leben lang grossen Einsatz für den Landschafts- und Naturschutz in der Schweiz geleistet. Als Landschaftspfleger des Kantons Graubünden, als Lehrbeauftragter der ETH Zürich für Natur- und Landschaftsschutz, als Geschäftsleiter der Schweizerischen Stiftung für Landschaftsschutz und Landschaftspflege sowie des Fonds Landschaft Schweiz hat er entscheidend dazu beigetragen, Natur als solche zu bewahren und naturnahe Kulturlandschaft vor der Aufgabe und Zerstörung zu retten. Als Publizist und Vordenker hat der Naturwissenschaftler und Kulturingenieur die Öffentlichkeit für die Naturwerte und die Bedeutung unberührter Berglandschaften immer wieder und nachhaltig sensibilisiert. Viele seiner Ideen sind Allgemeingut geworden und zum Teil auch in die Gesetzgebung und in Wegleitungen eingeflossen. Ohne sein unermüdliches und engagiertes Wirken sähen manche Landschaften der Schweiz, insbesondere in den Alpen, anders aus. (*)
Bild: Hans Weiss – Foto: © https://asverlag.lesestoff.ch/de/autoren/authorDetail/Hans-Weiss/Weiss-Hans
Hans Weiss (1940-2024) – die Stimme des Landschaftsschutzes der ersten Stunde ist verstummt
Geboren ist Hans Weiss am 6. Juli 1940 in Küsnacht bei Zürich und aufgewachsen im Prättigau, wo sein Vater Lehrer an der Evangelischen Mittelschule in Schiers war. Anfangs wurde Hans mit seinem Vater Richard Weiss, später Universitätsprofessor für Volkskunde an der Universität Zürich, identifiziert. Richard Weiss war der wohl bekannteste Schweizer Volkskundler und Alpenfachmann.
Hans Weiss studierte seinerseits an der Universität Zürich Geologie und wechselte an die ETH Zürich, wo er sein Studium als Kulturingenieur abschloss. Er sollte dort später wieder als Lehrbeauftragter für Landschaftsschutz und Raumplanung wirken. Vorerst kehrte er wieder ins Bündnerland zurück und übernahm 1968 die neu geschaffene Stelle für Natur- und Landschaftsschutz des Kantons Graubünden. Er brachte sich in seinen vier Bündner Jahren in denkwürdigen Einzelaktionen ein, zum Beispiel indem er den Kanton dazu brachte, eine Gemeinde im Bergell zu einer Zonenplanung zu zwingen. Um dies zu erreichen, verschaffte er sich eine Audienz beim damaligen Bundesrat Hans-Peter Tschudi und dieser bewirkte via Bünder Regierung eine Intervention gegen eine anstehende Zersiedelung der Landschaft.
Massloses Verhalten bei der Raumentwicklung hat Weiss immer auf die Palme gebracht. Er mischte sich in den folgenden Jahrzehnten an vielen Schauplätzen ein, ob im Oberengadin, wo die Silser Ebene am See zur Bauzone werden sollte, bei der Linienführung A 13, welche die Flusslandschaft am Hinterrhein zerstört hätte, bei der Greina-Hochebene, die in einen Stausee versinken sollte, beim Schutz von Rebbergen in Salgesch im Wallis oder für den Erhalt des Foroglio-Wasserfalles im Tessiner Val Bavona, wo er Bundesrat Nello Celio mobilisierte.
Die Werte der Landschaft zu erhalten, war von Anfang sein Antrieb gewesen. Er wurde im Europäischen Naturschutzjahr 1970 Geschäftsführer der Stiftung für Landschaftsschutz und wechselte 1992 ebenfalls als Geschäftsführer zum neu geschaffenen Fonds Landschaft Schweiz (FLS) bis zum Jahr 2000. Er hat sich in beiden Funktionen vehement gegen die Zersiedelung der Landschaft gewendet. Er stürzte sich mutig ins Getümmel der Nutzungsschlachten und erinnerte dabei an den Walliser Poeten Maurice Chappaz (1916-2009), zwar etwas weniger brachial, aber wortgewaltig, mutig und medial gut vernetzt.
Er sah sich nicht als Verhinderer, sondern als Vorreiter und Förderer einer Sensibilisierung für den Wert der Landschaft. Seine beiden Bücher «Die friedliche Zerstörung der Landschaft» (1981) und «Die unteilbare Landschaft» (1987) gelten heute als Standardwerke. Seit 2001 war er vor allem publizistisch tätig, äusserte sich aber vielfach zu drängenden Themen des Landschaftsschutzes. Er verfasste mehrere Bücher, sein letztes des Jahres 2020 heisst «achtung: landschaft schweiz». Dabei war ihm eine reflektierte Verwendung der Sprache wichtig. Sie fördere einen umsichtigen Umgang mit der Landschaft und der Natur und die Verständigung unter den verschiedenen Akteuren. Dafür wirkte er in einer Schrift «Sprachkompass Landschaft und Umwelt» in Zusammenarbeit mit Kollegen an der Universität Bern im Jahre 2018 mit.
Seine Freizeit verbrachte er gerne auf der italienischen Südseite des Simplonpasses bei Varzo, wo er ein bescheidenes Rustico in einer noch traditionellen alpinen Kulturlandschaft besass. In seinem Freundeskreis der «alten Wilden» wurde so manche Exkursion in dieser Provinz Verbania durchgeführt, so im Nationalpark Val Grande, wo er sich bestens auskannte.
Aufhören war für ihn nie eine Option. Im Jahr 2004 wurde ruchbar, dass die Freiburger Regierung in der Gemeinde Galmiz mitten im fruchtbaren Gemüsegarten des Grossen Mooses bestes Landwirtschaftsland zur Industriezone erklärt hatte, damit dort ein amerikanisches Pharmaunternehmen auf 55 ha Fläche Fabrikanlagen mit 1’200 Arbeitsplätzen erstellen kann. Weiss mobilisierte sein Netzwerk und trommelte Gelder zusammen und startete eine nationale Kampagne. Nach seiner Meinung fand hier ein Rechtsbruch statt, weil bei Einzonierungen Projekte standortsgebunden und eine umfassende Interessensabwägung stattfinden sollte. Mehr als 2’000 Menschen marschierten durchs Galmiz-Moos, auch bürgerliche Kreise, die gegen die Verschandelung der Heimat aufstanden. Die Einzonung wurde schliesslich rückgängig gemacht. Der Super-Gau für die Raumplanung wurde abgeblasen.
Sein letztes Aufbäumen galt der Energiewende mit dem sog. «Mantelerlass» im Stromgesetz. Nach seiner Meinung war dies eine verfassungswidrige Bevorzugung der Stromversorgung in der Schweiz. Er warnte davor, die letzten unberührten Naturflächen der Energiewende zu opfern. Er trat dem Referendumskomitee bei und engagierte sich nochmals intensiv auch in den Medien, vergeblich wie wir wissen.
Der Doyen des Landschaftsschutzes in der Schweiz ist am 13. Oktober 2024 inmitten seiner geliebten Landschaft verstummt. Sein Wirken wird aber in zahlreichen Landschaften weiterhin präsent sein.
Die Stiftung Landschaftsschutz Schweiz wird zu einem späteren Zeitpunkt eine Fachveranstaltung zu Ehren von Hans Weiss durchführen.
Mario Broggi und Raimund Rodewald
Stiftung Landschaftsschutz Schweiz
https://www.sl-fp.ch/de/stiftung-landschaftsschutz-schweiz-2.html
Landschaftsschutz bis zum letzten Tag
Focht Hans Weiss zuerst gegen einzelne Zumutungen, begriff er bald die Raumplanung in den Kantonen und im Bund als Hebel für die Landschaft und prägte als Drahtzieher Gesetze und Verordnungen mit. Das gelang ihm, weil er ein ungebundener und gmögiger Nonkonformist war, beseelt von der Idee, die Schönschweiz zu retten – ein urbürgerliches Anliegen. Die bürgerlichen Politikerinnen und Politiker haben es in den letzten dreissig Jahren verraten.
Köbi Gantenbein
https://www.woz.ch/2443/hans-weiss-1940-2024/landschaftsschutz-bis-zum-letzten-tag/!2W36AP7NCF0Q
Stimme des Landschaftsschutzes
«Wir waren die Feuerwehr», erinnerte sich Weiss in einem Beitrag auf der SAC-Webseite an die Anfänge der Stiftung. Selbst öffentliche Betriebe hätten den Landschaftsaspekt sehr oft nicht beachtet. Artenschutz und Artenvielfalt seien noch kein Thema gewesen. «Wo kein Kläger ist, ist auch kein Richter», schrieb Weiss.
SDA / chk
Er war der Kämpfer gegen die Verschandelung der Schweiz
Wer mit Hans Weiss durch die Schweiz reiste, schaute sie danach anders an. Er machte auf das unscheinbar Schöne aufmerksam, aber auch auf das strotzend Hässliche, das man gerne verdrängt: die Zumutungen der Zersiedelung und Zubetonierung. Er war ein Landschaftserklärer oder mehr noch: ein Aufklärer. Er beobachtete, wertete und mischte sich ein. Er war ein Missionar, hartnäckig und leidenschaftlich, aber nie ein Eiferer. Das verbaten ihm seine Besonnen- und Bescheidenheit.
Marc Tribelhorn
https://www.nzz.ch/schweiz/kaempfer-gegen-die-verschandelung-der-schweiz-ld.1854160
Schöne Landschaften lösten in ihm ein Glücksgefühl aus
Er war der Doyen des Schweizer Landschaftsschutzes. Viele sahen in ihm einen Verhinderer – er sah sich als Vorreiter.
Dölf Barben
https://www.derbund.ch/nachruf-auf-den-landschaftsschuetzer-hans-weiss-401354584401
Sensibilität gefördert
Die Sensibilität für den Landschaftsschutz sei stark gewachsen, sagte Weiss rückblickend in einem Interview mit der «NZZ». Das Gespräch erschien Ende letzten Jahres. Doch konstatierte er darin in der Praxis einen Abbau von Errungenschaften, etwa durch eine gelockerte Raumplanung.
Auf der Bahnstrecke zwischen Bern und Zürich sehe er «eine einzige Agglomeration», sagte er. Er habe sich aber damit abgefunden, dass die Schweiz ein sehr dicht besiedeltes Land sei. «Ich möchte einfach, dass die freie Landschaft, die wir noch haben, erhalten wird», sagte der Landschaftsschützer.
sda/schn;stal
Streiten war für ihn eine grosse Lust
Am Schluss ging es für ihn nochmals ums große Ganze. «Habe demnächst ein Rendezvous mit Bundesrat Rösti», schrieb Hans Weiss vor ein paar Wochen in einer seiner letzten Mails: «Gegen Abschaffung oder weiteren Abbau des Beschwerderechtes im Natur- und Heimatschutz und damit der Gewaltentrennung, das würde einer Willkürherrschaft Tür und Tor öffnen.»
Matthias Daum
https://www.zeit.de/2024/45/hans-weiss-journalismus-autor-landschaftsschutz-schweiz
Hans Weiss, la voix de la protection du paysage en Suisse, est décédé
Hans Weiss a incarné pendant des décennies la voix de la protection du paysage en Suisse, écrit la Fondation suisse pour la protection et l’aménagement du paysage dans un avis de décès publié mercredi dans la «Neue Zürcher Zeitung». L’enterrement aura lieu dans l’intimité, écrivent les proches du Zurichois.
Son engagement pour l’écologie est resté intact jusqu’à la fin, poursuit la fondation. Au printemps encore, Hans Weiss s’était engagé dans la campagne de votation contre la loi sur l’électricité.
ats / lan
È morto Hans Weiss, co-fondatore della Fondazione svizzera per la tutela del paesaggio
Hans Weiss, co-fondatore della Fondazione svizzera per la tutela del paesaggio, è morto il 13 ottobre all’età di 84 anni. La famiglia ha preso commiato da lui in seguito al decesso improvviso avvenuto in uno dei suoi luoghi preferiti, si legge sul necrologio odierno.
Audios / Videos:
«DRS aktuell», 30.06.1983, 3 min
Interview Hans Weiss zu Kraftwerk am Mundbach
«DRS aktuell», 25.03.1983, 3 min
Interview Hans Weiss zu Stauseeprojekt Gletsch
Fernsehen SRF, «Schweiz aktuell», 20.10.1992, 4 min
Interview mit Hans Weiss über Jubiläumsfonds zur Erhaltung und Pflege von naturnahen Kulturlandschaften
Radio SRF 2 Kultur, «Reflexe», 08.08.2007, 29.41 min
Begegnungen – heute mit Hans Weiss, Anwalt von Natur und Landschaft
Radio SRF 1, «Menschen und Horizonte», 29.05.2016, 55.66 min
Mehr:
https://www.hommages.ch/de/traueranzeige/hans-weiss-2
(*) https://asverlag.lesestoff.ch/de/autoren/authorDetail/Hans-Weiss/Weiss-Hans
https://www.sl-fp.ch/de/stiftung-landschaftsschutz-schweiz-2.html
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Kommentare von Daniel Leutenegger