16. Februar 2014
4. sonOhr Hörfestival Bern: 3 Jurypreise, 1 Publikumspreis und erfreulicher Besucherzuwachs
Die drei Jury-Preise des 4. sonOhr Hörfestivals gehen an «Männerträume», «Quarantäne. Der Grüne Tod in Winterthur» und «Childhood Stories – China 2012». Der Publikumspreis geht an «Der Lismer-Club, Ruedi und Heinz und die Fallmasche». Jury und Publikum haben zwischen Freitag und Sonntag insgesamt 20 Wettbewerbs-Produktionen gehört und bewertet.
Foto: www.sonohr.ch
Jury-Preis Fiction der Stiftung für Radio und Kultur Schweiz SRKS
Der Jury-Preis Fiction der Stiftung für Radio und Kultur Schweiz SRKS, dotiert mit 1’500.- Franken, geht an das Hörspiel «Quarantäne. Der Grüne Tod in Winterthur«.
Laudatio der Fachjury:
«Das Konzept ist sportlich: Sechs Autorinnen und Autoren schreiben im Rotationsprinzip in je 24 Stunden ein Hörspiel. Und das Konzept geht auf – es bedeutet Spass auf jeder Ebene: beim Schreiben, beim Produzieren – und beim Zuhören. Frisch, frech und fragmentarisch spinnt sich eine Winterthurer Horrorposse zusammen. Sie sprudelt vor Kreativität, hat Mut zur Lücke und erweist mit dem tiefen Griff in die Trickkiste dem Trash alle Ehre. Als Hörerinnen und Hörer huschen wir durch den Dschungel aus Erzählsträngen, dürfen aber immer auch auf Lichtungen verweilen, auf denen wir mit grotesken Bauchrednerpuppen und überdrehten Radiomoderatorinnen anbandeln. Die gutdesignte Soundschicht hält das lustvolle Wirrwarr zusammen. Selbstironie und Witz sorgen für beste Unterhaltung. Und nicht zuletzt ist ‹Quarantäne› auch eine Liebeserklärung an die Freien Radios. Die Apokalypse ist da, aber Radio Stadtfilter sendet weiter.»
Jury-Preis Non-Fiction des Schweizer Syndikat Medienschaffender SSM
Der Jury-Preis Non-Fiction des Schweizer Syndikat Medienschaffender SSM, dotiert mit 1’500.- Franken, geht an das Feature «Männerträume» von Maru Rieben.
Laudatio der Fachjury:
«Die Gewinnerin hat uns überascht, dass sie gerade mit einer Non-Fiction-Produktion die Fiktion thematisiert: Nämlich Träume von Männern, die aber sehr realistisch sind. Maru Rieben hat es geschafft, den Männern durch Interviews, die sehr direkt, respektvoll, hitzig und erhlich sind, Wahrheiten zu entlocken. Sie hat die Männer dazu gebracht, laut zu denken, sehr intim, aber nie peinlich oder machohaft selbstdarstellerisch zu wirken. Und aus diesen Antworten, Gedanken und eben Träumen hat sie eine Komposition, ein Musikstück mit Soli, Pausen, Reduktion, Polyphonie geschaffen. Ein Chor, der für alle spricht und auch für jeden einzelnen. Der Funke aus dem Lautsprecher ist übergesprungen, das Feature macht neugierig, macht ein Fenster auf in die Gedankenwelt, die uns zum Staunen bringt, uns Frauen, und auch die Männer – mit einem Augenzuwinkern und einem ‹clin d› oreille›.»
Jury-Preis Experimentelles
Der Jury-Preis für Experimentelles geht an das Soundscape «Childhood Stories – China 2012» von Regina Dürig und Christian Müller
Laudatio der Fachjury:
‹«fein ausgehorcht», «keine Überwältigungsstrategie, kein vereinnahmendes Pathos», eben: kein Geräuscharchiv!«: das sind die Stichworte, die sich unter anderem in unseren Notaten zu dem »Hörspiel« »Childhood Stories – China 2012« in der Kategorie »Experimentelles« finden lassen.
»Fein ausgehorcht« ist da alles! Eine Soundscape, die uns Hörende ohne viel Umwege nach China bringt, uns aber eben keinen herkömmlichen »Soundtrack« liefert, der als Begleitspur unter eine Erzählung gekleistert wird. Klanglandschaften zeichnen sich vor unserem mithörenden Auge ab – denn wir sehen sie förmlich, die changierende Klang-Landschaft auf der leeren Kinoleinwand über das Gehörte; das sind definitiv keine »Prospekt-Klänge« aus der Schublade, eben wie meist aus Geräuscharchiven zugeliefert. Etwas diffus, aus unaufdringlicher Distanz, fast mit einem »smog-Filter« (wenn es diesen denn im Audio-Design gäbe) erscheint die chinesische Stadt-Land-Schaft. Vereinzelt hört man typisches, ohne dass dies »ausgestellt« würde: Das Fahrrad, ein Quietsch-Entchen, Stimmen, die Tonsprache sind, Soundscapes aus den Altstadtvierteln, den Hutongs aus Peking, Verkehrs- und Datenströme aber auch aus der Megacity Shanghai.»
«Trompe l’oreille»…
«Fein ausgehorcht» sind aber auch die Stimmen der Protagonisten: In die Soundscape eingebettet sprechen 2 Stimmen, dialogisch, von und für eine ganze Generation – der zwischen 1980 und 1990 geborenen Chinesinnen und Chinesen der Ein-Kind-Politik. Wir alle haben Kenntnis von dieser für uns so seltsam erscheinenden Familienpolitik und konnten dennoch bis anhin nicht im Geringsten erahnen, was das konkret heisst. Ganz konkret heisst das nämlich: «Sich selber Geheimisse zuflüstern»!
So fremd und mitunter befremdlich das alles ist, so unglaublich einsam, wenn vom «alleine spielen» die Rede ist, von den geheimen Orten, die man nur sich selber mitteilen kann, dem «vom-Hören-Sagen» der Eltern, die Geschwister hatten … so überraschend vertraut ist uns aber auch manches: Nebst chinesischen Legenden und Fabeln werden auch in China Anders’sche Märchen wie «Die roten Schuhe» erzählt, und einsam die Game-Boys bedient
«Fein ausgehorcht» haben Regina Dürig und Christian Müller mit ihrem Unterfangen «Childhood Stories» natürlich nicht nur die Kinder Chinas, sondern es gelingt ihnen über diese Perspektive und über dieses Konzept ein Blick und ein Aushorchen in eine gesamte Verfassung einer ganzen Gesellschaft.
Dadurch, dass auf gesprochene O-Töne verzichtet wird, kein übliches voice over wird hier angewandt – wohnen wir einer direkten, ausserordentlich gut erzählten Bildergeschichte bei. Reine Poesie, die sich da entfaltet. Zeit, die gelassen wird, dem Experiment – im Sinne einer Versuchsanordnung – wird genügend Platz gegeben.»
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In der Fachjury des diesjährigen Festivals sassen Theresa Beyer (Musikethnologin und freie Journalistin), Valerian Maly (Dozent für Performance Art und Medienkunst an der Hochschule der Künste Bern) und Päivi Stalder (Hörspiel-Regisseurin, Schauspielerin, Autorin).
Publikumspreis
Der Publikumspreis, dotiert mit 2’000.- Franken, geht an das Hörspiel «Der Lismer-Club, Ruedi und Heinz und die Fallmasche»
Zum Inhalt:
«Es ist Winter in Olten. Die schrägen Senioren Ruedi und Heinz stolpern durch die Stadt und über eine Leiche im Vögeligarten. Sie verstricken sich selbst in hanebüchene Ermittlungen, treffen auf echte Lebende und werden einen speziellen Begleiter einfach nicht mehr los. Ein atmosphärisches Kleinstadt-Roadmovie-Vergnügen der besonderen Art, mit Tönen der Stadt.»
Das sonOhr Hörfestival
Das sonOhr Hörfestival ist ein Festival für aufwändige Hörproduktionen. Am diesjährigen Wettbewerb nahmen 20 Produktionen aus der ganzen Deutschschweiz teil. Ausserdem hat das Festival mit der Präsentation von Produktionen aus der französisch- und italienischsprachigen Schweiz erstmals den Röstigraben und den Polentaberg überwunden.
Das sonOhr Hörfestival fand statt mit der Unterstützung von:
Stiftung für Radio und Kultur Schweiz SRKS / Schweizer Syndikat Medienschaffender SSM / Radioschule klipp+klang / Burgergemeinde Bern / Stadt Bern / Kanton Bern / Kilchenmann AG / Ernst Göhner Stiftung / Oertli Stiftung / Stiftung für Medienvielfalt / Comerge / Handpresse / ch@os Internet Production / Rosa Brocki.
Das 5. sonOhr Hörfestival findet vom 13. bis 15. Februar 2015 statt.
pd
Kontakt:
Kommentare von Daniel Leutenegger