17. Dezember 2013
Themen: Interview – Gewissensklausel – Allgemeine Linie einer Publikation
Zwei Stellungnahmen des Schweizer Presserats
Grenzen von Interviewvereinbarungen
Stellungnahme 62/2013 (http://presserat.ch/_62_2013_htm)
Parteien: Romy c. «Plädoyer»
Thema: Interview
Beschwerde abgewiesen
Zusammenfassung
Sind Medienschaffende verpflichtet, autorisierte Zitate nach der Übersetzung in eine andere Sprache nochmals zur Autorisierung zu unterbreiten? Nein, findet der Presserat. Dies zu tun, sei aber fair und verhindere Missverständnisse. Interviewvereinbarungen, die dem Interviewten über das Gegenlesen von Zitaten hinaus die vollständige Kontrolle über den Inhalt eines Artikels geben, sind berufsethisch unbeachtlich.
Die Juristenzeitschrift «Plädoyer» übernahm im Februar 2013 von ihrer französischsprachigen Schwesterzeitschrift «Plaidoyer» ein Porträt über die Juristin und UBS-Verwaltungsrätin Isabelle Romy, welches die Redaktion für die Deutschschweizer Leserschaft in einigen Punkten anpasste. Die Porträtierte beschwerte sich beim Presserat, «Plädoyer» habe dabei die Intervieregeln verletzt, weil die Redaktion statt auf den von Romy autorisierten Text auf eine frühere Fassung des Artikels zurückgegriffen habe.
Der Presserat weist in seiner Stellungnahme darauf hin, dass Redaktionen nicht verpflichtet sind, bereits autorisierte Zitate nach der Übersetzung in eine andere Sprache nochmals zur Autorisierung zu unterbreiten. Trotzdem sei es fair, dies zu tun, um Missverständnisse zu verhindern. Gestützt auf das Verhalten der Redaktion habe die Beschwerdeführerin davon ausgehen dürfen, dass die von ihr bearbeitete Fassung des Textes für die Publikation verwendet würde. Beim Vergleich der beiden Versionen kommt der Presserat zum Schluss, dass sich die Redaktion im Wesentlichen an diese Vereinbarung gehalten hat. Ohnehin gehe es gehe zu weit, wenn die Beschwerdeführerin davon ausgehe, dass sie über das Gegenlesen und die Autorisierung von Zitaten hinaus die vollständige Kontrolle über den Inhalt des Porträts behalte.
Politische Kampagne einer Konsumentenzeitschrift
Stellungnahme 63/2013 (http://presserat.ch/_63_2013_htm)
Parteien: X.c. «Bon à Savoir»
Thema: Gewissensklausel; Allgemeine Linie einer Publikation
Beschwerde abgewiesen
Zusammenfassung
Hat die Konsumentenzeitschrift «Bon à Savoir» einen Mitarbeiter gezwungen, Gefälligkeitsartikel für die Volksinitiative «Pro Service Public» zu schreiben und hat sie ihn entlassen, weil er sich deshalb beim Presserat beschwert hat? Für den Presserat ist weder das eine noch das andere erstellt.
Im März 2012 lancierte «Bon à Savoir» zusammen mit anderen Konsumentenzeitschriften die Volksinitiative «Pro Service Public». Seither berichtet die Zeitschrift in jeder Ausgabe darüber.
Ende Juni 2013 beschwerte sich ein Mitarbeiter von «Bon à Savoir» beim Schweizer Presserat über die einseitige Berichterstattung zugunsten der Initiative. Der Beschwerdeführer, der nach den Sommerferien entlassen wurde, stellt insbesondere zur Diskussion, ob der Verleger einen Journalisten zwingen könne, derartige Artikel zu schreiben. Die Chefredaktorin von «Bon à Savoir» erwiderte, die Artikel über die Volksinitiative würden von einer Gruppe von Freiwilligen geschrieben, der auch der Beschwerdeführer zunächst angehört habe. Seinen Wunsch, aus der Gruppe auszutreten, habe man innert kurzer Frist respektiert. Zudem sei «Bon à Savoir» seit jeher auch politisch aktiv gewesen. Schliesslich habe die Entlassung des Beschwerdeführers habe nichts mit der Presseratsbeschwerde zu tun, sondern liege vielmehr an andauernden Meinungsverschiedenheiten über die redaktionelle Ausrichtung von «Bon à Savoir».
Der Presserat weist die Beschwerde ab. Die Berichte über die Volksinitiative seien keine reinen PR-Texte und zudem mit dem entsprechenden Logo gekennzeichnet. Für die Leserschaft sei erkennbar, dass es um eine politische Kampagne geht. Der Beschwerdeführer unterlasse es zudem, seinen Vorwurf zu belegen, wonach er gezwungen worden sei, Texte zugunsten der Initiative zu schreiben. Weiter wäre es empfehlenswert, wenn «Bon à Saovir» die redaktionelle Linie in einem Redaktionsstatut festhielte. Ungeachtet davon ergebe sich diese aber bereits aus dem Charakter der Konsumentenzeitschrift. In Bezug auf die Entlassung des Beschwerdeführers stehe Aussage gegen Aussage. Ein Zusammenhang zwischen der Kündigung des Arbeitsverhältnisses des Beschwerdeführers und der Presseratsbeschwerde sei deshalb nicht erstellt. Falls ein derartiger Zusammenhang bestehen sollte, wäre dies aber ein gravierender Verstoss gegen die Berufsethik.
ots
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Kommentare von Daniel Leutenegger