3. Juni 2025
«GIB STOFF! TEXTILE BILDER IM RAUM»
Ausstellung im Gewerbemuseum Winterthur, vom 6. Juni bis am 2. November 2025 - Vernissage: Donnerstag, 5. Juni 2025, 18.30 Uhr

Bild: Christoph Hefti, Portrait im Ausstellungsraum – Foto: © Gregory Georgescu
Textilien prägen unseren Alltag, sie kleiden, schützen, schmücken und verhüllen. Gleichzeitig können sie Bildträger sein und sie werden als lesbare Zeichen und visuelle Erzählungen Teil einer verflochtenen Kommunikation. «Gib Stoff!» zeigt aktuelle Arbeiten der renommierten Schweizer Textilschaffenden Stéphanie Baechler, Christoph Hefti und Sonnhild Kestler. Gemeinsam ist ihnen der frühere Schwerpunkt des Textildesigns für Modestoffe. Ihre individuellen Wege der letzten Jahre führten jedoch alle drei weg von der Mode hinein in den Raum, in grössere Formate und andere Dimensionen des Textilen.
Die Ausstellung erkundet die Welt von grossformatigen Textilbildern, die sich zwischen Funktionalität, Kunst und Raumerlebnis bewegen. Die gedruckten, gewobenen, geknüpften und gestickten Arbeiten zeigen die unterschiedlichen Arbeitsweisen der drei Textilschaffenden, ihre handwerkliche Raffinesse, ihre Suche nach Bildhaftigkeit und nach der Wirksamkeit von Materialien.
Auf eindrückliche Weise loten sie das Textile im Raum aus. Sie stellen dabei Szenarien dar, erzählen Geschichten oder kreieren neue Bildvorstellungen, jeweils mit einer sehr eigenen charakteristischen Bildsprache. «Gib Stoff!» präsentiert ihr räumliches und textiles Schaffen in neu inszenierten Kombinationen, spürt ihren Entwurfs- und Entstehungsprozessen nach und gewährt auch Einblick in ihre Inspirationsquellen und Bildwelten.

Bild: Stephanie Baechler, Portrait, 2023 – Foto: © Francesco Ragusa
STÉPHANIE BAECHLER
Das Schaffen der multidisziplinären Künstlerin Stéphanie Baechler findet hauptsächlich an der Schnittstelle von Textil und Keramik statt. Dabei interessiert sie sich für das Zusammenspiel von Handwerk und Technologie und deren komplexe und oft intransparente Beziehungen. Ihr künstlerisches Schaffen hat sich fortwährend in Richtung Skulptur und Installation entwickelt. Sie bewegt sich heute zwischen dem, was sie Hardware (Keramik und Metallguss) und Software (Textil) nennt. In ihrer aktuellen künstlerischen Arbeit hinterfragt sie die Beweggründe, die dem ständigen Bedürfnis der Menschen nach Anerkennung in der allgegenwärtigen Social-Media-Landschaft zugrunde liegen. Durch ihre Arbeit mit Textilien, Stickereien und Keramiken untersucht Baechler die sinnliche Erfahrung, die aufgrund der heutigen Technologien immer seltener wird.
Der Begriff «Bilderfahrzeuge» des Kunsthistorikers Aby Warburg war ein Ausgangspunkt für das Projekt, das Stéphanie Baechler 2022 während eines Residence Programms der Pro Helvetia in Kairo realisiert hat. Bilder, und somit auch textile Bildkreationen, sind immer auch Kommunikationsmittel und können in verschiedenen Ebenen als Erzählung, Dokumentation oder Kommentare wirken.
Die Bildmotive ihrer Arbeiten sind sehr unterschiedlich, sie reichen von Blumenvorlagen für historische Stickmotive für Taschentücher über fotografisch festgehaltene Eindrücke von Abbruchgebieten in Kairo bis zu Zeichnungen von Stickmaschinen, die in einem Workshop des Ateliers Creahm in Freiburg von Menschen mit Behinderungen, die über künstlerische Fähigkeiten verfügen, entstanden sind. Die Umsetzungen ihrer Bildwelt in textile Werke entstehen immer im Kontext der Situation, sei es zeitlich begrenzt während eines Atelieraufenthalts oder als mehrjähriges Projekt für spezifische Installationen, als Kooperationen mit lokalen Handwebereien oder mit technisch hochspezialisierten Textilunternehmen.
Die Ausstellung «Gib Stoff!» im Gewerbemuseum Winterthur konzentriert sich auf neuere Arbeiten aus Stéphanie Baechlers installativem Werk. Skizzenbücher, Modelle, Anregungen und Statements erläutern ihre Ansätze und Arbeitsweisen.

Bild: © Stephanie Baechler: Forget Me Not, 2024, Installation im Tröckneturm, St.Gallen – Foto: © Ladina Bischof
Biografische Stationen von Stéphanie Baechler
Stéphanie Baechler (*1983 in Meyriez/CH) lebt und arbeitet heute in Amsterdam. Sie begann ihr Studium des Textildesigns an der Hochschule Luzern – Design, Film, Kunst, und schloss es mit einem Master in Mode an der ArtEZ Arnheim/NL ab. Sie arbeitete als Textilentwicklerin und Designassistentin für Hussein Chalayan in London und war Leiterin des Druckdesigns für das renommierte Schweizer Textilunternehmen Jakob Schlaepfer. Ihr künstlerisches Schaffen hat sich fortwährend in Richtung Skulptur und Installation entwickelt. 2020 war Stéphanie Baechler Artist in Residence bei TaDA – Textile and Design Alliance in Arbon. 2024 zeigte sie in Zusammenarbeit mit der Kunsthalle St.Gallen ihre Installation «Forget Me Not» am historischen Tröckneturm in St.Gallen, zu der auch eine umfassende Publikation erschienen ist.
Ihre künstlerischen Arbeiten waren in verschiedenen Gruppenausstellungen zu sehen, wie der Chamber Gallery New York, der Kunsthalle Fri Art Fribourg, dem Kunsthaus Centre d’art Pasquart Biel, dem ISO Amsterdam und dem Mode Museum Antwerpen. Ihre Werke befinden sich in öffentlichen und privaten Sammlungen, unter anderem in der HEAD-Genève, Haute école d’art et de design, im Museum für Gestaltung Zürich, im Musée d’art et d’histoire Fribourg, MAHF und in der Sammlung Kanton St.Gallen.

Bild: © Christoph Hefti: Project Little House at Dries Van Noten, Los Angeles, by Gallery Maniera – Foto: © Andrew Lee
CHRISTOPH HEFTI
Christoph Hefti ist ein Geschichtenerzähler und unermüdlicher Erschaffer ausdrucksstarker Atmosphären. Die Bildwelten des Textildesigners und Künstlers bewegen sich oft im Bereich des Mystischen oder gar Unheimlichen. Figuren, Tiere und Fabelwesen beleben Szenerien in Fantasielandschaften aus Wäldern, Flüssen und Vulkanen. Wiederkehrende Motive wie überdimensionale Augen und eindrucksvolle Masken richten sich direkt an die Betrachtenden und ziehen in den Bann.
Die Werke von Christoph Hefti sind vielfältig. Seine Liebe zu handgefertigten Textilien hat ihn unter anderem nach Nepal geführt, wo er regelmässig seine eigene Serie handgeknüpfter Teppiche entwirft und entwickelt. Dort entdeckte er auch die direkte Interaktion zwischen Design und ausführenden Manufakturen wieder und war fasziniert vom Einbezug des tradierten Handwerks in einem zeitgenössischen Kontext. Das Erzählen von Geschichten in Teppichen hat eine lange Tradition, die Christoph Hefti aufnimmt und mit seiner eigenen Erlebniswelt belebt.
Er setzt aber auch modernste Digitalprint-Techniken ein, um fantastische Vorhangstoffe mit grossformatigen Motiven und Rapporten herstellen zu lassen. Oder er setzt sich selber an die Nähmaschine und kreiert raumhohe Patchwork-Arbeiten.
Die Ausstellung «Gib Stoff!» zeigt neben aktuellen Arbeiten aus den letzten Jahren auch ganz neue, eigens für die Schau im Gewerbemuseum Winterthur angefertigte Werke von Christoph Hefti in installativen Kompositionen. Zusätzlich geben seine Skizzenbücher, Entwurfszeichnungen und Inspirationsquellen Einblicke in sein Schaffen.
Biografische Stationen von Christoph Hefti
Der Textildesigner und Künstler Christoph Hefti (*1967 in Lausanne/CH) pendelt zwischen Brüssel, Paris und Zürich. Er studierte an der Zürcher Hochschule der Künste ZHdK Textildesign und wechselte danach an die Central St.Martin’s School of Art and Design in London, die er mit einem Master in Fashion Distinction abschloss. Daraufhin begann er für Jean-Paul Gaultier in Paris und Dries Van Noten in Antwerpen zu entwerfen. Für Letzteren war Christoph Hefti 13 Jahre lang als Kreativassistent und Print Designer tätig und für die bedruckten Stoffe verantwortlich, einschliesslich Forschung, Design und Entwicklung. Später arbeitete er für verschiedene Modehäuser, darunter Lanvin und Balenciaga in Paris sowie Acne Studios in Stockholm.
In den letzten Jahren entwickelte er immer mehr eigene Textilarbeiten, die als bildhafte Welten in verschiedenen Materialisierungen zwischen Printvorhängen, handgeknüpften Teppichen und Patchwork-Wandbildern textile Geschichten erzählen.
Das Werk von Christoph Hefti ist Teil der Sammlungen des Schweizerischen Nationalmuseums und des Museums für Gestaltung Zürich. 2009 erhielt Christoph Hefti den «Grand Prix Design» vom Bundesamt für Kultur.

Bild: Sonnhild Kestler, Portait im Atelier – Foto: Maya & Daniele
SONNHILD KESTLER
Sonnhild Kestler bereichert das textile Handwerk und ist Meisterin des Siebdrucks, der ihre Bildsprache geprägt hat. Anlässlich der Verleihung des Schweizer «Grand Prix Design 2010» an Sonnhild Kestler fiel in einer Beschreibung der Begriff «Kestler-Kosmos». Die eigenwillige und unverkennbare Bildsprache, die diesen Kosmos seit über 30 Jahren prägt, ist eine flächig abstrahierte Motivik, die sich ausladend über Kleidungsstücke, Teppiche, Frotteetücher und Polsterstoffe zieht. Immer denkt sie vom Handwerk aus, forscht aber materialtechnisch weiter, lotet Grenzen aus und lässt auch den Zufall entscheiden. Sie setzt sich spielerisch mit Farben, Materialien und Produktionsmöglichkeiten auseinander, experimentiert mit Druckverfahren und Collagetechniken – unabhängig davon, ob in Entwürfen für Mode oder in Rauminstallationen. Ihre Entwürfe entstehen in einer spezifischen Kompositionstechnik aus bedruckten Papieren. Diese setzt sie in den jeweils konzipierten Verfahren – drucken, weben, knüpfen, sticken – in Textilien um. Dabei sieht sie ihre fragmentierten Formenspiele als Übersetzungen von Wünschen, Träumen und Erlebtem. Anregungen gewinnt sie unter anderem aus ihren Reisen in andere Kulturen. So sind ihre Werke inspiriert von der Folk-Art, der Ostblock-Ästhetik, asiatischer Kunst, traditionellen indischen Textilien, religiös motivierten Bildsprachen und der Alltagskultur. Ihre charakteristischen Foulards waren schon immer Bildkreationen. Daraus werden seit ein paar Jahren auch Raumbilder.
Diese Erweiterung des künstlerischen Repertoires gründet auch auf der engen Zusammenarbeit mit dem renommierten New Yorker Textilunternehmen Maharam und den Schweizer BUR-Architekten. Beweglich und in spontanen Kombinationen überträgt sie ihre narrative Motivik von der einen in die andere Dimension und kreiert aus ihrer unverkennbaren, beständigen Bildsprache immer wieder Neues. Diese additive Vorgehensweise ist der Kern ihrer künstlerischen Handschrift, die zugleich auf eine einfache, «unverbildete» Art des Verzierens verweist, in der sich ein urmenschliches Bedürfnis nach Schönheit ausdrückt.
Die Ausstellung «Gib Stoff!» zeigt diesen Textilkosmos, der für den Körper ebenso wie für den Raum geschaffen ist, präsentiert aber auch Inspirationsquellen und Arbeitsprozesse. So wird im Gewerbemuseum Winterthur die verfeinerte, vielseitige Handarbeit wie auch das grossartige Formenspiel aufgezeigt.

Bild: © Sonnhild Kestler: Foulard – Foto: Arthur David
Biografische Stationen von Sonnhild Kestler
Sonnhild Kestler (*1963 in DE, aufgewachsen nahe Zürich) studierte an der Zürcher Hochschule der Künste ZHdK Textildesign. Ab 1985 arbeitete sie als selbstständige Designerin, u. a. für die Schweizer Labels «Pink Flamingo», «Apropos» und «Sourire en Soie». Zeitweilig war sie als Illustratorin für diverse Magazine tätig. Ab 1988 teilte sie zusammen mit Karin Wälchli die erste Siebdruckwerkstatt. Gleichzeitig eröffnete sie mit dem Modedesigner Matthias Georg das Geschäft Georg Couture, in dem sie ihre ersten Produkte verkaufte. Ab 1996 war sie mit einem Shop-in-Shop bei Thema Selection eingemietet. Seit da arbeitet sie unter ihrem eigenen Label «S. K. Hand-Druck». Viele Jahre stellte sie einen Grossteil ihrer Textilien in ihrem Atelier im Siebdruckverfahren von Hand her. Ihre Produktepalette umfasst vor allem Schals, Foulards, Frotteetücher, gewobene Wool- und Baumwolltücher sowie Accessoires; aber auch Kleider wie Blusen, Kleider und Jupes. In den letzten Jahren wandte sich Sonnhild Kestler grossformatigen Arbeiten zu: Teppiche, Polsterstoffe und Tapeten. 2010 wurde sie mit dem «Grand Prix Design» vom Bundesamt für Kultur ausgezeichnet. Ihre Arbeiten sind unter anderem in den Sammlungen des Museums für Gestaltung Zürich und des Schweizerischen Nationalmuseums vertreten.
gmw
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Kommentare von Daniel Leutenegger