27. November 2022
BRUDER MAGNUS, DER EHEMALIGE WERBEGRAFIKER UND CREATIVE DIRECTOR MARCEL BOSSHARD, IST GESTORBEN
Marcel Bosshard (Bild) war erfolgreicher Werbegrafiker und Creative Director bei Young & Rubicam und lebte ein schnelles Leben in Bern, Frankfurt, Madrid, London, Tokyo oder New York. Doch im Alter von 48 Jahren trat er ins Kloster Disentis ein, als Bruder Magnus bei den Benediktinern (wo er einst gleichzeitig mit Niklaus Meienberg zur Schule gegangen war). Der am 23. Juni 1941 in St.Gallen Geborene ist nun am 25. November 2022 im Kloster Disentis gestorben. Die Lila-Milka-Kuh oder der Putzgeist Meister Proper sind nur zwei Beispiele der unbändigen Schaffenskraft des ehemaligen umtriebigen Werbemenschen, als Bruder Magnus steckte er Fantasie, Kreativität und Energie u.a. in den Unterricht zur «Schule des Sehens».
Bild: Bruder Magnus vorher und nachher: Die gleiche Leidenschaft, die er als Werbespezialist an den Tag legte, lebte er als Lehrer im Kloster Disentis. Foto: © Giorgio von Arb, https://www.kathbern.ch/pfarrblatt/news-artikel/muss-man-fromm-sein-um-ins-kloster-zu-gehen
Br. Magnus wurde am 23. Juni 1941 als Bürger von Pfäffikon/ZH in St.Gallen geboren und erhielt die Taufnamen Marcel Raymond. Sein Vater arbeitete als Grafiker und war Mitinhaber einer der damals ersten und grössten Reklame-Beratungsfirmen der Schweiz. 1946 zog die Familie nach Herisau, wo Marcel die ersten beiden Primarschulklassen besuchte. Als die Eltern sich trennten, zog die Mutter mit ihrer Tochter Colette und dem Sohn Marcel nach St.Gallen. Nach dem Tod des Vaters 1954 wurde Marcel 1956 als Realschüler nach Disentis an die Klosterschule geschickt.
Es folgten zwei Jahre Kunstgewerbeschule St.Gallen und die praktische Ausbildung im Atelier Geisser. 1962 begann seine berufliche Laufbahn: eigenes kleines Atelier, Werbeberatungsfirma Frank in St.Gallen, Übertritt in die Werbeagentur Young & Rubicam in Bern, Ernennung zum Creative Director in Frankfurt, Madrid, New York, Tokio und schliesslich zurück in Bern und Zürich. Die Arbeit überdeckte das Drama einer kurzen gescheiterten Ehe, aus der Sohn Michael hervorging.
Im Juni 1989 meldete sich Marcel Bosshard nach langem inneren Ringen im Alter von 48 Jahren im Kloster Disentis. Am 19. Juni 1994 legte Marcel, der bei der einfachen Profess den Ordensnamen Magnus erhielt, seine feierliche Profess ab.
Als Grafiker fand Br. Magnus reichlich Arbeit im Kloster. Der Werber für Weltmarken wurde zum Werber für das Kloster und seine Schule. Durch seine Ideen und deren visuelle und grafische Umsetzung entwickelte und prägte er massgeblich das Erscheinungsbild des Klosters und seiner Betriebe.
Am Gymnasium unterrichtete Br. Magnus seit dem Schuljahr 1991/92 Informatik und vor allem Bildnerisches Gestalten. Weit über das Pensionsalter hinaus versuchte er den «Gofen» das Sehen beizubringen und auch, wie leicht sie sich vom Marketing beeinflussen, ja verführen lassen. So lange die Beine ihn halten würden, wollte er unterrichten. Dann kam Corona, und er musste als Gefährdeter im Schuljahr 2019/20 aus dem Schuldienst scheiden.
Bald darauf kam auch die Diagnose der unheilbaren Krankheit. Br. Magnus organisierte noch so viel und so lange wie möglich seine letzten Dinge. Doch es kam nicht so schnell, wie vorausgesagt: «Jetzt lässt Er mich noch Geduld lernen, gerade mich, der ich alles sofort haben muss.» Möge Br. Magnus, der geduldig gewartet hat, nun bei Gott die Liebe finden und erfahren, die er zeitlebens bei den Menschen vermisst hat.
Abt Vigeli, Konvent
und Angehörige
Aus der Todesanzeige,
https://www.kath.ch/wp-content/uploads/sites/2/2022/11/20221125-TodesanzeigeBr.MagnusPDF.pdf
Muss man fromm sein, um ins Kloster zu gehen?
Es gilt Klischeenüsse zu knacken. Was sind Mönche? Sie tragen Kutte und eine Frisur mit Hubschrauberlandeplatz, lächeln milde, bewegen sich lautlos auf Sandalen, duften nach Weihrauch und intonieren gregorianische Gesänge?
Doch Menschen hinter den Klostermauern sind so verschieden wie die Menschen davor. Ein aufschlussreiches Beispiel liefert Bruder Magnus, der vor 25 Jahren noch Marcel Bosshard hiess und erfolgreicher Creative und Art Director in der angesehenen Agentur Young & Rubicam war. Die lila Milka-Kuh oder der Putzgeist Meister Proper sind nur zwei Beispiele seiner unbändigen Schaffenskraft.
«Fromm, leider, bin ich nicht», sagt er. «Aber ich habe eine Leidenschaft für Fragen nach Mystischem, nach Religiosität bis hin zur Hirnforschung.» Als Werber sei sein Leben wie ein «Rattenrennen um nichts» gewesen. Heute ist er Lehrer und Persönlichkeitstrainer im Kloster, in dem ihm jeder Tag anders erscheint.
Eine Ehe habe er erfolgreich abgeschlossen. Als sein Abt Ende der 1980er-Jahre beim Vatikan anfragte, ob das ein Problem sei, wollten sie wissen, ob er kirchlich geheiratet habe. «Nein, nur zivil», gab er an. Woraufhin der Vatikan erwiderte, dann sei ja alles in schönster Ordnung. Bruder Magnus krümmte sich vor Lachen. «Die spinnen doch! Als ob der liebe Gott da oben sich um den Zivilstand derer kümmert, die ihn suchen!»
Seinen Unterricht als Kunstlehrer nennt er «Schule des Sehens». «Das Wertvollste, was man einem Schüler vermitteln kann, ist die Fähigkeit zu entscheiden – möglichst frei von allen Sirenen!»
https://www.kathbern.ch/pfarrblatt/news-artikel/muss-man-fromm-sein-um-ins-kloster-zu-gehen
«Nach aussen war ich ein Topshot. Innerlich hingegen leer und erschöpft.»
Auf Anraten guter Freunde sandte mich meine Mutter in die Klosterschule nach Disentis. Die religiöse Umgebung war aber nichts für mich. Mit 16 verliess ich die Kirche voller Verdruss. Ich wollte Grafiker werden wie mein Vater, dessen früher Tod mich stark geprägt hatte. Also besuchte ich die Kunstgewerbeschule in St.Gallen.
Ich wurde schliesslich Geschäftsführer und Creative Director bei Young & Rubicam, der weltweit grössten Werbeagentur, und betreute berühmte Marken auf der ganzen Welt wie Pampers, Meister Proper, Shell, Johnnie Walker oder Camel. Die Lila-Milka-Kuh ist auch eine meiner Kreationen.
Als ich mal in Zürich einen ehemaligen Schulkollegen, den Journalisten und Schriftsteller Niklaus Meienberg, traf, warf er mir vor, ich verschwende mein Talent für Lächerlichkeiten. Ich solle etwas Nützliches tun, statt Werbung für Waschmittel und Zigaretten zu machen.
Das gab mir zu denken: In meine Karriere hatte ich viel Herzblut investiert. Glücklich hatte mich mein Job aber nicht gemacht. Schwere Depressionen prägten damals mein Leben. Nach aussen war ich ein Topshot. Innerlich hingegen leer und erschöpft.
Bruder Magnus
Aus dem «Beobachter» vom 5. Januar 2009, Martin Rindlisbacher
https://www.beobachter.ch/arbeit/biographien-wie-das-leben-so-spielt
Audios:
Radio SRF 1, «Rendez-vous» vom 03.01.2012:
Bruder Magnus – vom Starwerber zum Mönch
Der St.Galler Werber Magnus Bosshard krempelte vor 20 Jahren sein Leben radikal um: Aus dem Erfinder der Lila-Milchkuh wurde Bruder Magnus in einem Benediktinerkloster. Ein Augenschein in Disentis.
Roland Wermelinger
https://www.srf.ch/audio/rendez-vous/bruder-magnus-vom-starwerber-zum-moench?partId=10206940
Radio SRF 3, 18.12.2015:
Bruder Magnus: «Gott ist kein alter Mann mit weissem Bart!»
Focus «180°» sucht den Dialog zwischen vermeintlichen Gegensätzen. Zu Gast: Der ehemalige Jesuit Lukas Niederberger und der Ex-Werber und jetzige Mönch, Bruder Magnus.
Redaktion und Moderation: Hannes Hug
https://www.srf.ch/audio/focus/bruder-magnus-gott-ist-kein-alter-mann-mit-weissem-bart?id=10788350
Mehr:
https://www.kloster-disentis.ch/aktuelles/bruder-magnus-marcel-raymond-bosshard-ist-tot
https://www.kloster-disentis.ch/fileadmin/user_upload/BruderMagnus.pdf
https://www.suedostschweiz.ch/zeitung/der-moench-der-aus-der-werbung-kam
https://archiv.tag-des-herrn.de/archiv_1996_bis_2007/artikel/3986.php#gsc.tab=0
https://stgallen24.ch/articles/95439-mundart-kolumne-hopp-sanggale
https://bianco.swiss/aussenseiter-in-gottes-namen/
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Nachtrag vom 28.11.2022:
«Bruder Magnus hat sich für Gott und die Menschen interessiert, nicht für Bischöfe und Päpste»
Die Benediktiner von Disentis trauern um ihren schillerndsten Mitbruder: Der Werbegrafiker Marcel Bosshard ist am Freitag im Alter von 81 Jahren gestorben. Sein Leben bestand lange Zeit aus Frauen, Glamour und grossen Marken wie die lila Milka-Kuh oder Meister Proper. Mit 48 Jahren wurde er Bruder Magnus.
Raphael Rauch
Kommentare von Daniel Leutenegger