3. Dezember 2025
DER AARGAUER ROCK-MUSIKANT, SÄNGER, SONGSCHREIBER UND MUSIKJOURNALIST ALBERT KUHN IST GESTORBEN
Der am 2. April 1953 in Wohlen geborene Aargauer Sänger, Gitarrist, Akkordeonist, Keyboarder, Songschreiber und Musikjournalist Albert Kuhn (Bild) ist am 21. November 2025 gestorben, wie Freund:innen und Kolleg:innen in sozialen Medien sowie Jean-Martin Büttner in den Tamedia-Zeitungen schreiben. Kuhn war u.a. prägendes Mitglied der Schweizer Bands Frostschutz, MosCowboys und Die Türen. Als freier Journalist schrieb er u.a. für die «WOZ», die «NZZ», die alte «Weltwoche», «Das Magazin» und das «Greenpeace Magazin»

Bild: Albert Kuhn – Foto: © https://www.facebook.com/albert.kuhn.77
Er war Musiker und Kritiker zugleich
Der geistreiche Schweizer Songschreiber und ehemalige «Magazin»-Musikkritiker Albert Kuhn ist mit 72 Jahren gestorben.
Man muss nur die Namen seiner wichtigsten Bands aufzählen, um zu zeigen, was für ein humorvoller Mensch er war und wo er sich als Songschreiber verortete. Denn Albert Kuhns erste bekannte Gruppe hiess Frostschutz, der Name verwies auf die Zürcher Bewegung und ihre Kritik an der sozialen Kälte jener Zeit. Die MosCowboys, Kuhns zweite von mehreren Formationen, spielte ironisch auf seine linke politische Haltung an. Die Türen schliesslich zitierten in ihrem Namen Jim Morrison und die Doors, reihten sich somit in die Tradition der Rockmusik ein.
Jean-Martin Büttner
https://www.tagesanzeiger.ch/albert-kuhn-schweizer-musiker-und-kritiker-verstorben-384922684869

Der junge Albert Kuhn mit Handorgel, «welche tragischerweise im Dezember 2003 von demselbigen im Zug vergessen wurde!» – Foto: © http://www.frostschutz.net
Aus der Schweizer Rock-Geschichte
Frostschutz waren anfangs der 1980er-Jahre der hellblaue Zuckerguss auf der Schweizer Newwave-Torte. Ihr erster Auftritt war am 15. November 1980 in einem Schaufenster im bewegungseuphorischen Zürich, eine Woche zuvor kam die Band zum ersten Mal zusammen und übte jeden Abend, bis sie sechs Songs zusammen hatten. Darunter den «Föifermocke Reggae», den sie selbst als Demo aufnahmen. Die Aufnahme wurde von der eben gegründeten Aktion Mundartrock auf die Compilation «Dialäckt Rock» genommen, zusammen mit Berner Rockern und Punkbands.
Der dritte Auftritt war im Frühling 1981 am ersten Mundartrockfestival im ausverkauften Kursaal Bern. Die «Berner Zeitung» schrieb: «Nach einer Pause kam der Auftritt, der allein schon das Eintrittsgeld wert gewesen wäre. Die Rede ist von Frostschutz, die mit einem explosiven New-Wave-Gemisch (…) den Leuchtersaal in einen Hexenkessel verwandelten.» Nach diesem Abend waren Frostschutz ausgebucht. Es gab kaum ein Open Air, einen Kirchgemeindesaal, einen Velokeller oder eine Alternativbeiz, wo sie in den nächsten zwei Jahren nicht gespielt hätten.

Bild: Frostschutz am Fenster des Studios Sunrise, März 1982 – Foto: © http://www.frostschutz.net
Im März 1982 nahmen Frostschutz im Sunrise Studio in Kirchberg (SG) mit Etienne Connod ihre erste und einzige LP auf, zwölf Songs mit Elementen aus Ska, Reggae, Disco und Minimalrock, die sie unter dem Stilbegriff Risikopop zusammenfassten. Unter dem Dauerverdacht der Oberflächlichkeit schafften es die vier von Frostschutz, leichtherzige Popmelodien in schlimme Dissonanzen hineinzumanövrieren und zwei Takte später -hastdunichgesehen! – wieder bolzgrade weiter zu rocken, bzw. zu poppen. In ihren meist kurzen Songs verpackten sie Herz und Schmerz des Alltagslebens elegant, nahtlos und nicht ohne heiligen Ernst. Die verspielte «Handtäschlifrau» oder die dreiplätzige Beziehungskiste «Monika, Veronika» wurden bald Radiobekannte.
Bloss eines hatten sie sich verboten: das musikalische Jammern. Oder höchstens mal ironisch:
«S’isch es Theater, ich han de Kater, de Psychiater, er meint es seig eso: Söll mi entscheide, die eint vo beide, chönn zersch hürote, denn schpöter scheide, es giech vil ringer, mit Ring am Finger – Monika, weisch ich bi verliebt i d’Veronika. Veronika, ich wott nur dich und d’Monika!»
Im Frühling 1983 fanden Frostschutz, Newwave sei zum Mainstream verkommen und verabschiedeten sich davon. Im Pink Studio von ex-Krokus-Bassist Jürg Nägeli spielten sie eine umgetextete Coverversion von Martha & The Vandella’s Soulklassiker «Dancing In The Street» (Musik: Marvin Gaye) ein und nannten sie «Verliebt und Obdachlos». Im Juni 83 spielte Frostschutz siebenmal als Schweizer Vorprogramm von Nena vor insgesamt 15’000 Teenies.

Bild: Frostschutz bei der Pressekonferenz zum Release der Moscowboys-LP – Foto: © http://www.frostschutz.net
Ende 1983 nahmen dieMusiker, ebenfalls im Pink Studio, als The Moscowboys eine LP auf, die 1984 erschien und nur von wenigen Menschen verstanden wurde. Danach legten sie eine Pause ein und halfen zum Teil bei andern Bands mit (The Bucks, Vera Kaa).
Darauf kam die Zeit der kurzen Projekte: 1986 The Shmuck Shmuck Silver Silhouettes, 1987 The Motorboats, 1990 King Roger & The Communist Party und ab 1991 Die Türen, welche 1992 eine CD herausgaben. Davon wurde «Golden Telegramm» von SF DRS und «10vor10» zum Song des Jahres gewählt.
Im Jahr 2000 spielten Frostschutz auf Anfrage an der Feier zum zwanzigjährigen Jubiläum von Opernhausdemo und 1980er-Bewegung in der Kanzleiturnhalle Zürich. Im Sommer 2003 entschieden sie sich, die LP von 1982 doch noch als CD herauszugeben, als Service sozusagen. Zu den 11 Originalsongs packten sie das «Föifermocke»-Demo, die Single von 1983 sowie «Heidi Im Zug», eine 1982 für Deutschland neu getextete Version von «Handtäschlifrau». DJs und Elektro-Musiker wurden um einen Remix angefragt und erstaunlicherweise sagten alle zu: Stini Arn (Plattenstrasse Allstars, Die geilen Putzen), Marco Repetto (ex-Grauzone), Daniel Wihler (DJ Alphatronic) und schliesslich DJ Styro (Zürich), der «Monika, Veronika» total auseinandergenommen und remixt hat. Die CD mit insgesamt 18 Stücken ist am 20. Februar 2004 bei Disctrade erschienen. Die Original LP erschien 1982 bei Musk Project von George Klee.
Frostschutz waren Roger Bösch (Bass, Gesang), Albert Kuhn (Gesang, Handorgel), Paul Merki (Schlagzeug, Gesang) und Janos Szenogrady (Gitarre, Gesang).
© http://www.frostschutz.net/Frostschutz/Bio.html

LP Frostschutz, 1982

LP MosCowboys, 1984

Bild: Die Türen, 1992
FROSTSCHUTZ
Gegründet am 1. November 1980 im 2. UG eines Industriebaus in Altstätten, Zürich. Erster Auftritt mit sechs Nummern am 15. November in einem Schaufenster an der St.Jakobstrasse. Stil: Occasions-Reggae und Handorgel-Ska. Drittes Konzert im Mai 1981 am ersten Mundartrock-Festival im Kursaal Bern. Ungesunder Erfolgs-Schock, viel zu viele Konzerte. Bis 1982 fand die Band zu ihrem unverwechselbaren Risikopop-Stil. Er kam zur ersten LP mit Songs wie «Plastiksackmeitli, Handtäschlifrau», «Schneller wohne» und «Monika Veronika». Die 1983er Single «Verliebt und Obdachlos», eine blockflötenangereichterte Brachialversion des Motown-Klassikers «Dancing in the Street», war das letzte Lebenszeichen von FROSTSCHUTZ. Die Band verabschiedete sich von Mundart und New Wave und erschien 1984 verwandelt als MOSCOWBOYS.
Meinte der Übungsraum-Abwart: «Der härteste Softrock, den es je gab.» Fortsetzung siehe unter DIE TÜREN.
https://swisskulthits.ch/frostschutz-handtaeschlifrau.html

Bild: Albert Kuhn mit den MosCowboys im Fernsehen DRS/SRF, «Karussell» vom 30.05.1984
DIE TÜREN
Nach einem Jahr MOSCOWBOYS, dem Abtauchen in diverse Untergründe und Glückszustände, saisonale Bandprojekte wie THE MOTORBOATS und KING ROGER & THE COMMUNIST PARTY kam es 1991 zu DIE TÜREN und zur Single «The Original Swiss Headache», 1992 dann zur CD, wovon «Golden Telegram» zum «10vor10»-Song des Jahres gehypet wurde.
https://swisskulthits.ch/die-tueren-golden-telegram.html

Bild: Fernsehen DRS/SRF, «ZEBRA», 30.12.1995, Studiogäste Cornelia Lüthy und Albert Kuhn
Videos:
One Sentence. Supervisor – No Space Left (Official Music Video)
Fernsehen DRS/SRF, «Karussel», 07.05.1981
Frostschutz Handtäschlifrau Wohlen 1.3.2008
Frostschutz – Föifermocke Reggae, 1981
Fernsehen DRS/SRF, «Karussell», 30.05.1984
Fernsehen DRS/SRF, «ZEBRA», 30.12.1995
1990e-Jahre: Studiogäste Cornelia Lüthy und Albert Kuhn
Mehr:
https://www.todesanzeigenportal.ch/todesanzeige/Albert/Walter/Kuhn
https://www.wohlen.ch/bestattung/2653187
https://www.facebook.com/albert.kuhn.77
http://www.frostschutz.net/Frostschutz/Hello_1.html
https://swisskulthits.ch/frostschutz-handtaeschlifrau.html
https://www.last.fm/de/music/Frostschutz
https://www.e-periodica.ch/cntmng?pid=sai-001%3A2004%3A11%3A%3A939
https://www.nzz.ch/folio/biographie-eines-songs-ld.1620938
Jingelingeling, Jingelingeling
Wer weiss, ob ich gestorben bin
Jingelingeling, Jingelingeling
Das Sterben gibt dem Leben Sinn
«Golden Telegramm», Die Türen
(Aus der Todesanzeige)
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Kommentare von Daniel Leutenegger