13. Dezember 2014
Retour aux sources – Hommage à Marcel Cellier – Zurück zu den Quellen
Konzerte in Erinnerung an den heute vor einem Jahr verstorbenen grossen Schweizer Musikvermittler und Musiker Marcel Cellier

Bild oben: Alexandre Cellier und Ulrich Herkenhoff, Cully, 2013 – Foto: © http://alexcellier.ch/Duocd/Ulrich.html
Bild unten: Catherine und Marcel Cellier, 2005 – Foto: © Martin Leutenegger

Marcel Cellier, der die Musik des Balkans im Westen bekannt gemacht und dafür einen Grammy erhalten hat, ist heute vor einem Jahr 88jährig gestorben. Zu seinem Andenken treten sein Sohn Alexandre und der mittlerweile weltbekannte Panflötist Ulrich Herkenhoff an Konzerten in Bern, Domdidier (FR) und Lausanne auf.
Konzerte – Concerts
- 20 décembre 2014 – Bern, Yehudi Menuhin Forum, 18h
Helvetiaplatz 6, Bern
Concert en faveur de MUS-E, développement artistique pour enfants
Improvisationen über traditionelle rumänische Melodien
Benefizkonzert für MUS-E, Kunstvermittlungsprogramm für Kinder
Tickets: 30.- / 10.-
- 21 décembre 2014 – Domdidier, Eglise, 17h
entrée libre, collecte. -> web
- 30 janvier 2015 – Lausanne, Saint-Laurent Eglise, 20h30
Am 13. Dezember 2013 starb in Vevey nach kurzer Krankheit Marcel Cellier, einer der beiden einzigen Schweizer Grammy-Gewinner. Kurz zuvor waren er und seine Gattin Catherine in dem – für den Schweizer Filmpreis nominierten – Dokumentarfilm «Balkan Melodie» für ihr Lebenswerk geehrt worden.
Marcel Celliers Erbe wird heute weitergeführt von seinem Sohn Alexandre Cellier, einem ausgebildeten Musiklehrer und auftretenden Künstler, der neben der Orgel eine ganze Reihe anderer Instrumente beherrscht.
An seiner Seite tritt Ulrich Herkenhoff auf. Als 15jähriger Schüler hatte der Norddeutsche im Schulunterricht eine Schallplatte von Marcel Cellier gehört. Vollkommen überwältigt von diesen Klängen, nutzte er die Abwesenheit seiner Eltern dazu, heimlich Cellier anzurufen und ihm zu sagen, dass er auch Panflöte spielen möchte.
Heute gilt der mehrfach preisgekrönte Herkenhoff als einer der besten Panflötisten der Welt; er gibt Konzerte in allen Erdteilen und hat sich auch im Bereich der Filmmusik (u.a. in Zusammenarbeit mit Ennio Morricone) einen Namen gemacht. Im Jahr 2000 erhielt er den renommierten Echo-Klassik-Preis der Deutschen Phonoakademie als «Instrumentalist des Jahres».

Bild: Marcel Cellier und Ulrich Herkenhoff – Foto: © Alexandre Cellier
Wegbereiter der Worldmusic
Was heute gang und gäbe ist, war vor 40 Jahren noch verpönt: Klatschen in der Kirche. Nach einem Konzert mit Marcel Cellier (Orgel) und Gheorghe Zamfir (Panflöte) in der bis zum letzten Platz gefüllten Französischen Kirche in Bern aber war die Spannung im Publikum mit den Händen zu greifen: Niemand konnte nach diesem ergreifenden musikalischen Vortrag einfach hinaus gehen. Schliesslich war hier und dort ein zaghaftes Händeklatschen zu vernehmen, und schliesslich brandete ein Applaus minutenlang durch die heilige Halle, wie er dort noch nie zu hören gewesen war. Als Folge solcher Konzerte und der damit verbundenen Radiosendungen war die Langspielplatte (LP) «Flûte de Pan et Orgue» von Cellier/Zamfir damals in fast allen Schweizer Haushalten zu finden.
Erstaunlich zudem: Beim Konzertpublikum und bei den Käuferinnen und Käufern der LP handelt es sich um eine bunte Mischung aus jungen und älteren Menschen, Liebhabern klassischer Orgelmusik aber auch Fans des damals gerade aufkommenden Folk (heute auch Worldmusic genannt). Ungewöhnlich war ausserdem die explosionsartige Zunahme des Bekanntheitsgrads der beiden Musiker: Vom rumänischen Panflötisten Zamfir hatte bis dahin noch kaum jemand gehört, und Cellier, der Mann an der Orgel, war im Hauptberuf namenloser Vizedirektor einer Handelsfirma. Der Erfolg der beiden basierte vor allem auf einer Mund-zu-Mund-Propaganda, der schnellen Verbreitung der damals noch einzigen Langspielplatte sowie zahlreicher Sendungen in- und ausländischer Radiostationen. Dadurch gelang es Marcel Cellier innert kürzester Zeit, die halbe westliche Welt für die Musik des damals noch abgeschotteten «kommunistischen» Balkans (Rumänien, Bulgarien, Ungarn usw.) zu begeistern.

Bild: Marcel Cellier, Lutry, 1973 – Foto: © Catherine Cellier
Schallplatten in Gold und Platin
Bereits für die beiden ersten LPs erhielten Cellier und Zamfir eine Goldene Schallplatte und eine in Platin für bereits damals verkaufte 1,2 Millionen Vinyl-Scheiben. Für die Platte «Le mystère des voix bulgares» mit den inzwischen weltbekannten bulgarischen Frauenchören erhielt Cellier als – neben dem Harfenisten Andreas Vollenweider – einziger Schweizer Künstler den weltweit wichtigsten Musikpreis, den «Grammy», gefolgt von anderen Auszeichnungen wie dem «Grand Prix du Disque». Die «Washington Post» schrieb damals, dies sei «die schönste Musik der Welt» («the most beautiful music on the planet»).
«Bevor die Protagonisten abtreten»
Wenige Monate vor Marcel Celliers Tod kam der Film «Balkan Melodie» in die Kinos, nachdem dieser zuvor an den Solothurner Filmtagen gezeigt worden war. Das Werk von Stefan Schwietert dokumentiert, wie Marcel Cellier und seine Frau Catherine schon ab den 1960er-Jahren auf beschwerlichen Erkundungsfahrten die musikalischen Schätze des Balkans ans Licht gehoben und im Westen zum Leuchten gebracht haben.
Das «Filmbulletin» schrieb zu diesem Film: «Es war Fügung, Begabung, Leidenschaft, nicht zuletzt die klug genutzte Gunst der Stunde, welche Cellier und die Musiker des Balkans zueinander führte und gemeinsam gross werden liess. Es ist Schwieterts Verdienst, dass deren Geschichte festgehalten wird, bevor die verschiedenen Protagonisten von der Weltbühne abtreten.» Wenig später gehörte auch Marcel Cellier zu den «Abgetretenen».

Bild: Alexandre Cellier und Gheorghe Zamfir, 1971 – Foto: © Catherine Cellier
«Metallerze gesucht und Gold gefunden»
Der am 29. Oktober 1925 in Zürich geborene Marcel Cellier war in den 1950er-Jahren erstmals nach Südosteuropa gefahren. Dies im Auftrag der Metall-Handelsfirma, für die er während 40 Jahren als Vizedirektor und Einkäufer tätig war, auf der Suche nach Chrom- und anderen Erzen, die in der Schweiz an die verarbeitende Industrie weiterverkauft wurden. «Ich habe Metallerze gesucht, doch ich bin auf eine Goldmine gestossen», so Cellier im Nachhinein. Mit «Gold» meint er die musikalischen Schätze, die er in der Folge entdeckt hat, und denen er bis zuletzt – zusammen mit seiner Frau Catherine – seine gesamte Freizeit widmete. Marcel Cellier blieb jedoch nicht ein «Hobbyforscher», sondern eignete sich ein grosses theoretisches und praktisches Wissen an, das ihn international zu einem anerkannten und populären Musikethnologen machte.
Text: Martin Leutenegger
leutenegger(at)sunrise.ch
Kontakt:
www.art-of-pan.de (Ulrich Herkenhoff)
www.alexcellier.ch (Alexandre Cellier)
Hören:
Auf dieser Webseite u.a. bereits erschienen:

Bild: Alexandre Cellier am privaten Fest zum 80. Geburtstag seiner Mutter Catherine, 2011 – Foto: © Martin Leutenegger

Bild: Ulrich Herkenhoff (Panflöte) und Alexandre Cellier (Orgel), Cully, 2013 – Foto: © http://alexcellier.ch/Duocd/Ulrich.html
Kommentare von Daniel Leutenegger