26. Juni 2025
«EINTAUCHEN!»
«Eintauchen! Den Kopf abschalten und dem Alltag entfliehen? In turbulenten Zeiten klingt das nur allzu verlockend»: Das Kunsthaus Zug nimmt eine gegenwärtig verbreitete Befindlichkeit auf und präsentiert vom 28. Juni 2025 bis am 4. Januar 2026 Werke von neun Zentralschweizer Kunstschaffenden.

Bild: Ausstellungsansicht «Eintauchen!
», Pascale Birchler, Da sind wir, losgekettet von der Sonne, 2022 – Foto: Ernst Kehrli
© Courtesy of the artist, Kunsthaus Zug
Mit Werken von:
Judith Albert, Nathalie Bissig, Pascale Birchler, Yvonne Christen Vagner, Moritz Hossli und Johanna Gschwend, Christian Kathriner, Nils Nova, Denis Twerenbold
Rauschend rollen die Wellen ans Ufer. Ganz klein, am unteren Bildrand, erscheinen zwei Badende. Spielerisch schreiten sie über den Strand, dem Meer entgegen. Ein gewöhnlicher Tag am Meer, möchte man meinen. Doch die Landschaft gerät ins Fliessen – als wolle sie die Badenden verschlingen. Judith Alberts Videoarbeit Côte de Granit Rose (2024) entfaltet eine poetisch-unheimliche Sogwirkung und bildet den Auftakt zur Ausstellung «Eintauchen!».
Gezeigt werden neun künstlerische Positionen aus der Zentralschweiz, deren Werke eines verbindet: Ihre immersive Wirkung. Der Begriff «Immersion», abgeleitet vom Lateinischen «immersio» («Eintauchen», «Untertauchen»), beschreibt das vollständige Aufgehen in einer Erfahrung oder einem Medium. In der Kunst bezeichnet Immersion das Hineintauchen des Publikums in sinnlich erfahrbare Welten, in denen sich die Grenzen zwischen Betrachtung und Erleben zunehmend auflösen.
Entsprechend gestaltet Nils Nova den gesamten Raum als begehbares Kunstwerk. Wandfüllende architektonische Fotografien erweitern die reale Umgebung, während Malereien mit intensiven Farben und vielschichtigen Überlagerungen eine visuelle Sogwirkung entfalten. Nova spielt gezielt mit der Wahrnehmung – der Raum oszilliert zwischen Realität und Illusion und erzeugt eine Irritation des Raumgefühls.
Nathalie Bissig schafft Bildwelten, die inspiriert sind von lokalen Mythen und Sagen. In ihren Fotografien aus der Serie The Wolfes (2021–2024) entwirft sie düstere Landschaften, besiedelt von märchenhaften Gestalten und rätselhaften Dingen. Die Werke lösen Gefühle von Faszination und Unbehagen aus – als sei man Teil einer fesselnden Geschichte, deren Ausgang jedoch ungewiss bleibt.
Bei Yvonne Christen Vagner begegnen sich Moos und Sternenstaub: Ihr Moosboard III (dt. Moosbrett, 2019/2025) trifft auf Fotografien von Supernovae. Die Gegenüberstellung öffnet einen immensen Zeitraum, in dem man sich nichts anderes als verlieren kann – vom Ursprung des Lebens (Moose zählen zu den ältesten Pflanzen) bis zur Endlichkeit auch unseres eigenen «Sterns».

Bild: Ausstellungsansicht «Eintauchen!», Yvonne Christen Vagner
– Foto: Ernst Kehrli
© Courtesy of the artist, Kunsthaus Zug
Pascale Birchler erzeugt mit Da sind wir, losgekettet von der Sonne (2022) eine melancholische Szenerie: Eine Figur in Ritterrüstung sitzt vor einem wolkenverhangenen Himmel. Der auf Friedrich Nietzsche bezugnehmende Titel thematisiert die Verlorenheit und Orientierungslosigkeit des Menschen nach dem Verlust metaphysischer Gewissheiten.
Unheimlich ist die Stimmung auch bei Moritz Hossli: Seine 3D-Videoarbeit Stereo Kinematica (2018) zeigt einen Spaziergang durch ein düsteres Waldstück. Es ist, als klinge in manchen Momenten eine leise Erinnerung an jene Prüfungen an, die Märchenfiguren in dunklen Wäldern zu bestehen haben. Ein Ort zwischen Erinnerung und Simulation, der sich dem Zugriff entzieht und im Dazwischen zu schweben scheint. Dieser schwebende Zustand setzt sich fort in der gemeinsamen Arbeit mit Johanna Gschwend. Sie zeigt einen Schwarm (2016) Vögel, der lautlos wellenförmig am Horizont kreist – zwischen saftigem Wiesengrün und dem dahinter liegenden Herbstwald. Es ist ein nie endender Moment des Abhebens und Davonfliegens.
Denis Twerenbold arbeitet mit reduzierten Mitteln und intensiver Atmosphäre: In seiner Videoarbeit aesculus (2020) beobachtet die Kamera in Echtzeit, wie die Substanz Aesculin aus einem Kastanienzweig austritt und unter UV-Licht bläulich zu leuchten beginnt. Diese schrittweise Verwandlung entfaltet eine fast schon hypnotische Wirkung, die die Grenzen zwischen blosser Beobachtung und intensiver Erfahrung verwischen lässt.
Eine ebenso intensive Wirkung haben Christian Kathriners grossformatige Gemälde. In einem experimentellen Prozess entstanden, nehmen die Leinwände die Betrachtenden vollständig ein. Seine Arbeit Grecs inconnus (unbekannte Griechen) spielt mit den Themen Erinnern und Vergessen: Die Antike als Wiege der westlichen Kultur tritt uns in Porträts heute unbekannter Griechen entgegen. Wie andere Werke der Ausstellung macht die Arbeit erfahrbar, dass das Eintauchen auch ein Verschwinden bedeuten kann – ein Auflösen des Individuums in Zeit und Raum.
«Die in der Ausstellung eröffneten Welten gehen über reine Weltflucht hinaus. Sie führen die Betrachtenden an das Rätselhafte, Beunruhigende und Unbegreifliche heran. Oder anders gesagt: Erst durch das Ergriffenwerden wird das Begreifen möglich. Die Grenze zwischen Betrachten und Erleben löst sich auf – man befindet sich nicht gegenüber dem Kunstwerk, sondern mitten darin.», schreibt das Kunsthaus Zug.
Kuratiert von Jana Bruggmann
khz
Kontakt:
https://kunsthauszug.ch/de/exhibitions/exhibition/dive-in

Bild: Ausstellungsansicht «Eintauchen!», Denis Twerenbold, aesculus, 2020, Kantonale Kunstsammlung Zug – Foto: Ernst Kehrli © Courtesy of the artists, Kunsthaus Zug
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Kommentare von Daniel Leutenegger