3. November 2025
«OLIVER RESSLER. SCENES FROM THE INVENTION OF DEMOCRACY»
Ausstellung im Museum Tinguely, Basel, bis am 1. März 2026

Bild: Oliver Kessler, 2019 – Foto: Universalmuseum Joanneum / M. Grabner, https://www.flickr.com/people/48669329@N08 – Lizenz: https://creativecommons.org/licenses/by-sa/2.0/deed.de – Datei: https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Oliver_Ressler.What_Is_Democracy%3F(48753211498).jpg?uselang=de
Die Ausstellung «Scenes from the Invention of Democracy» widmet sich dem Schaffen des österreichischen Künstlers Oliver Ressler, der seit vielen Jahren an der Schnittstelle von Kunst und Aktivismus agiert. Im Zentrum der vier präsentierten Videoarbeiten stehen politische, soziale und ökologische Fragestellungen. Mit seinen Werken möchte Ressler nicht nur dazu anregen, bestehende Verhältnisse kritisch zu hinterfragen, sondern auch Handlungsoptionen aufzeigen, um diese zu verändern.
Oliver Ressler (*1970) setzt sich in seinen Arbeiten intensiv mit Themen wie Demokratie, Arbeit, Migration und Ökologie auseinander – Bereiche, die eng miteinander verwoben und wesentlich von den Auswirkungen der Globalisierung und des Kapitalismus betroffen sind. Sein kritischer Blick richtet sich auf politische Systeme, den Einfluss der Wirtschaft sowie auf den Umgang mit unserem Planeten im Kontext des Klimanotstands. Indem Ressler Aktionen des zivilen Ungehorsams und Proteste dokumentiert, regt er an, über bestehende Machtstrukturen sowie Handlungsmöglichkeiten nachzudenken, um Veränderungen in Politik und Gesellschaft durchzusetzen.
Die Ausstellung «Scenes from the Invention of Democracy» umfasst vier Videoarbeiten, die Resslers künstlerische Praxis anschaulich präsentieren. Angesichts der Klimakrise und des weltweit zunehmenden Autoritarismus zeichnen sich diese Werke durch eine besondere Dringlichkeit und hohe Aktualität aus.
Die 8-Kanal-Videoinstallation «What is Democracy?» (2009) basiert auf Interviews mit Aktivist:innen und politischen Analyst:innen aus 18 Städten auf der ganzen Welt. Die titelgebende Frage erweist sich dabei als doppeldeutig: Sind die vorherrschenden Formen der repräsentativen und direkten Demokratie wirklich demokratisch? Gibt es alternative, demokratischere Modelle und wie könnte ihre organisatorische Struktur aussehen? Die Arbeit eröffnet eine Vielfalt an Perspektiven, die auch mit zeitlichem Abstand nichts an Relevanz verloren haben. Im Gegenteil: In einer Zeit, in der vermehrt von einer «Krise der Demokratie» gesprochen wird, gibt Resslers Installation wichtige Denkanstösse.
«Anubumin» (2017) nimmt die Pazifikinsel Nauru in den Blick. Der in Zusammenarbeit mit der australischen Künstlerin Zanny Begg entstandene Film behandelt den jahrzehntelangen Phosphatabbau, die ökologischen und wirtschaftlichen Folgen sowie die aktuelle Nutzung der Insel: Bis heute betreibt die australische Regierung dort ein Internierungslager für Geflüchtete. Interviews mit Whistleblower:innen werden mit einer poetischen Erzählform kombiniert, um koloniale Kontinuitäten und systematische Menschenrechtsverletzungen zu thematisieren.
«Not Sinking, Swarming» (2021) dokumentiert ein Treffen verschiedener Gruppierungen der Klimabewegung im Vorfeld einer Protestaktion in Madrid. Die Videoarbeit eröffnet seltene Einblicke in die Organisation einer Aktion zivilen Ungehorsams und macht deren Komplexität deutlich: Neben der Strategie, dem Training und den Forderungen werden auch Themen wie Rechtshilfe, Dialog mit der Polizei und Finanzen besprochen. Durch die Anonymisierung der Beteiligten wird deren strafrechtliche Verfolgung verhindert. Die Überblendung mit Videomaterial der stattfindenden Aktion, bei der hunderte Aktivist:innen eine Schnellstrassen-Überführung blockierten, verleiht dem Video eine einzigartige visuelle Form.
Auch Resslers neue, erstmals präsentierte Arbeit thematisiert Proteste. «We Are the Forest Enclosed by the Wall» (2025) nimmt die von Porsche geplante Erweiterung einer gigantischen Hochgeschwindigkeitsteststrecke für Luxusautos in Apulien zum Ausgangspunkt. Diese bedrohte einen jahrhundertealten Wald im Inneren des Kreises – ein Ökosystem, das für die von Dürre geplagte Region unverzichtbar ist. Die Situation verdeutlicht, wie finanzstarke Unternehmen, die wirtschaftlichen Aufschwung versprechen, politische Entscheidungen beeinflussen und dafür irreversible Schäden an der Umwelt in Kauf genommen werden. Die Videoarbeit lässt Anwohnende und Aktivist:innen zu Wort kommen, die sich dagegen wehren, und thematisiert den Konflikt zwischen ökonomischen Interessen, ökologischer Verantwortung und demokratischer Teilhabe. Auch hier werden die Sprechenden unkenntlich gemacht – ein Hinweis darauf, dass Protestierende in demokratischen Systemen zunehmend damit rechnen müssen, für ihre Handlungen rechtlich belangt zu werden. Der Film gibt aber auch Hoffnung, denn der Widerstand hat sich gelohnt: Im März 2025 informierte Porsche über die Entscheidung, von der Umsetzung des Vorhabens abzusehen.
Kuratorin: Tabea Panizzi,
Assistenz: Nils Lange
tmb
Kontakt:
https://www.tinguely.ch/de/ausstellungen/ausstellungen/2025/oliver-ressler.html?
Auf ch-cultura.ch u.a. erschienen:
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Kommentare von Daniel Leutenegger