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18. Oktober 2025

«CATWALK. THE ART OF THE FASHION SHOW»


Ausstellung im Vitra Design Museum, Weil am Rhein (D), vom 18. Oktober 2025 bis am 15. Februar 2025

Defilee von Paul Poiret in seinem Garten in Paris, 1910 © Jean Sébastien Baschet L’Illustration, Foto: Henri Manuel

Bild: Defilee von Paul Poiret in seinem Garten in Paris, 1910 © Jean Sébastien Baschet, L’Illustration, Foto: Henri Manuel

Sie dauern kaum fünfzehn Minuten, doch ihre Bilder gehen um die Welt: Modenschauen sind mediale Spektakel, soziale Rituale und stilprägende Statements. Mit der Ausstellung «Catwalk: The Art of the Fashion Show» widmet das Vitra Design Museum dem Phänomen Modenschau eine grosse Ausstellung. Diese beleuchtet Geschichte und kulturelle Bedeutung der Modenschau von ihren frühen Formen um 1900 bis heute und versammelt Beispiele von Modehäusern wie Azzedine Alaïa, Balenciaga, Chanel, Dior, Gucci, Maison Martin Margiela, Prada, Viktor & Rolf, Louis Vuitton, Yohji Yamamoto und vielen anderen.

Originale Kollektionsstücke, Film- und Fotomaterial, Bühnenobjekte und Einladungen machen über 100 Jahre Modegeschichte auf dem Laufsteg lebendig. Im Mittelpunkt der Ausstellung steht die Modenschau als gestalterisches Gesamtkunstwerk. Was einst als intime Präsentation in Pariser Salons begann, hat sich zu einem globalen Ereignis entwickelt, bei dem Architektur, Szenografie, Choreografie, Licht, Sound und Requisiten zu einem vielschichtigen Erzählraum verschmelzen.

Der verspiegelte Treppenaufgang in Chanels Studio, ca. 1930. Aus: Käthe von Porada, Mode in Paris, Frankfurt a. M., 1932 © Vitra Design Museum Archiv

Bild: Der verspiegelte Treppenaufgang in Chanels Studio, ca. 1930. Aus: Käthe von Porada, Mode in Paris, Frankfurt a. M., 1932 © Vitra Design Museum Archiv

Die Ausstellung besteht aus vier epochentypisch gestalteten Räumen, die zentrale Etappen der Modenschau nachzeichnen – vom Couture-Salon über experimentelle Prêt-à-Porter-Formate und den klassischen Catwalk bis hin zu digitalen Performances der Gegenwart. Dabei wird deutlich, dass sich in Modenschauen immer auch Körperbilder und gesellschaftliche Veränderungen spiegeln, und es sich lohnt, nach den Motiven hinter den Schauen zu fragen: Welche Mythen, Werte und Träume werden verhandelt? Welche Geschichten werden erzählt, welche Machtstrukturen abgebildet? Was sagt eine Modenschau über die gezeigte Kollektion – und was über die Zeit, in der sie entsteht?

Die Anfänge der Modenschau (Raum 1) liegen im frühen 20. Jahrhundert, als Mode vor einer ausgewählten Kundschaft zumeist in Atelierhäusern vorgeführt wurde. Anhand früher Filmdokumente und Ephemera werden die ProtagonistInnen dieser Zeit vorgestellt, zum Beispiel Charles Frederick Worth, der als einer der Ersten Mode nicht mehr an Puppen, sondern von realen Frauen vorführen liess. Lucile und Paul Poiret wiederum verknüpften die Präsentation von Mode mit Erzählungen, während Gabrielle Chanel ihre Mannequins effektvoll über eine verspiegelte Treppe in den Salon hinabsteigen liess. Historische Aufnahmen dokumentieren frühe Modenschauen in Kaufhäusern der USA, bei Pferderennen sowie auf Ozeandampfern, die den bis heute gezeigten Cruise Collections ihren Namen gaben.

Ein Höhepunkt dieser Zeit ist das so genannte Théâtre de la Mode, eine Wanderausstellung, die 1945 als Antwort auf die kriegsbedingte Krise der französischen Mode entstand. Über 40 Pariser Couturiers präsentierten darin Miniaturkollektionen auf kunstvollen Drahtpuppen in detailreichen Bühnenbildern.

Mehrere originale Puppen aus dem Balenciaga-Archiv machen diesen legendären Neuanfang nach dem Krieg erlebbar, ergänzt um Filmaufnahmen des Fotografen Tom Kublin von frühen Balenciaga-Schauen der 1960er-Jahre.

Der zweite Ausstellungsteil verfolgt die Zeit, als sich Modenschauen mit dem Erstarken der Prêt-à-Porter-Mode aus den Salons in die Stadt verlagern und mit Subkulturen zu verbinden beginnen. So lädt Chloé 1958 in den bekannten Künstlertreff Café de Flore, Designer wie Courrèges und Paco Rabanne experimentieren mit Raum und Bewegung, während Kenzo seine Schauen in Parties verwandelt. Legendär ist die so genannte «Battle of Versailles», ein Modeduell zwischen französischen und US-amerikanischen DesignerInnen 1973, bei dem die AmerikanerInnen die bis dahin dominierende französische Haute Couture herausfordern und den internationalen Durchbruch der US-Mode markieren.

Schwarze Models wie Pat Cleveland verändern in dieser Zeit das Bild des Laufstegs, Modenschauen werden zu Performances und Zeichen des gesellschaftlichen Wandels. Auch die Einladungen zu Modenschauen gewinnen nun an Bedeutung und werden zum Teil der Inszenierung.

Einladung zur Modenschau von Emmanuelle Khanh, 1983 Paris Musées / Palais Galliera musée de la Mode de Paris

Bild: Einladung zur Modenschau von Emmanuelle Khanh, 1983, Paris Musées / Palais Galliera musée de la Mode de Paris

Mit dem Aufstieg der Supermodels in den 1990er-Jahren erreicht die Modenschau schliesslich globale Sichtbarkeit. Eine Versace-Schau (Herbst/Winter 1991/92), bei der Cindy Crawford, Naomi Campbell, Linda Evangelista und Christy Turlington gemeinsam George Michaels Hit «Freedom» singen, wird zum Sinnbild dieser Epoche. In Filmausschnitten wird sichtbar, welches neue Körperbild die vier Models prägen: kraftvoll, selbstbewusst und glamourös. Es gibt aber auch kritische Auseinandersetzungen mit der Kommerzialisierung und dem Erfolgsdruck der Modewelt: William Kleins Film «Who Are You, Polly Maggoo?» (1966) persifliert den Erfolg und die Konflikte eines amerikanischen Models, während die Performance «Models Never Talk» Models eine Stimme verleiht und sie von ihrem Gang und ihren Posen erzählen lässt.

Der dritte Ausstellungsbereich setzt um die Jahrtausendwende ein, als sich Modenschauen mit steigenden Budgets und der Macht von Konzernen wie LVMH und Kering zu medialen Grossereignissen entwickeln. Karl Lagerfeld setzt mit Chanel neue Massstäbe, indem er das Pariser Grand Palais in spektakuläre Schauplätze verwandelt, vom detailgetreu inszenierten Supermarkt über einen Raketenstart bis zum Demonstrationszug auf einem nachgebauten Boulevard. Originale Requisiten und Architekturmodelle der Supermarkt-Schau (Herbst/Winter 2014/15 Prêt-à-porter) und der Raketen-Schau (Herbst/Winter2017/18 Prêt-à-porter) verdeutlichen, wie opulent hier inszeniert wurde.

Gleichzeitig setzen andere Designer auf radikale Dekonstruktion: Alexander McQueen lässt in seiner legendären Schau «No. 13» (Frühjahr/Sommer 1999) zwei Industrieroboter live ein Kleid besprühen, Viktor & Rolf kleiden in ihrer minimalistischen «Russian Doll»-Modenschau (Herbst/Winter 1999/2000) ein Model in insgesamt neun Kleiderschichten ein. Martin Margiela verlegt seine Präsentationen auf ein Parkdeck, ein leerstehendes Krankenhaus oder auf eine Brachfläche am Stadtrand. Seine Schauen sind Performances, die Spuren hinterlassen: ein Originalmodell aus der Frühjahrs-/Sommerpräsentation 2006 mit Farbspuren einer während der Schau geschmolzenen Halskette aus Eiswürfeln ist in der Ausstellung zu sehen, genauso wie ein Stoffteppich, der farbige Schuhabdrücke der Models festhielt (Frühjahr/Sommer 1989).

Key Visual »CatwaIk: The Art of the Fashion Show« © Vitra Design Museum, Grafikdesign: Haller Brun basierend auf © Bureau Betak, Foto Marie Laure Dutel, Yves Saint Laurent, Herbst/Winter 2020

Bild: Key Visual «CatwaIk: The Art of the Fashion Show» © Vitra Design Museum, Grafikdesign: Haller Brun basierend auf © Bureau Betak, Foto Marie Laure Dutel, Yves Saint Laurent, Herbst/Winter 2020

Der vierte Raum thematisiert die Entwicklung der Modenschau in der jüngsten Vergangenheit. Schon vor 2020 wurden Modenschauen immer stärker auf ihre Wirkung im digitalen Raum hin inszeniert, doch mit der COVID-Pandemie steigt die Zahl der hybriden und rein digitalen Formate rasant an: Dior zeigt in dem Kurzfilm «The Dior Myth» eine Miniaturkollektion in einem Puppenhaus (Herbst/Winter 2020), Loewe verschickt eine «Show in a Box» (Frühjahr/Sommer 2021) und Balenciaga produziert gemeinsam mit Matt Groening eine «Simpsons»-Folge (Frühjahr Sommer 2022), in der die Charaktere der Serie eine Modenschau laufen. Auch KünstlerInnen und Choreographen werden immer häufiger in die Gestaltung von Modenschauen einbezogen: Bei Issey Miyake werden «One Minute Sculptures» von Erwin Wurm aufgeführt (Frühjahr/Sommer 2025), während Sharon Eyal begleitend zu einer Schau von Dior eine Tanzperformance (Frühjahr/Sommer 2019) konzipierte – die Ausstellung zeigt einen von Maria-Grazi Churi für einen Tänzer entworfenen Dior Catsuit.

In vielen Modenschauen der jüngsten Vergangenheit wird der menschliche Körper als Bühne politisch-gesellschaftlicher Aushandlungen untersucht, etwa wenn Rick Owens Frauen andere Frauen (Frühjahr/Sommer 2016) tragen lässt oder Alessandro Michele bei Gucci (Herbst/Winter 2018/19) das feministische «Cyborg Manifesto» von Donna Haraway in einer futuristischen Operationssaal-Inszenierung aufgreift. In der «Parliament Show» von Balenciaga (Frühjahr/Sommer 2020) – die Ausstellung zeigt ein Architekturmodell und ein spektakuläres Kleid aus der Kollektion – versehen Make-Up Artists einige Models mit Gesichtsprothesen und hinterfragen so die Schönheitsideale in Zeiten von Social Media.

Die enge Verbindung des Mediums Modenschau mit der Architektur präsentiert die Ausstellung unter anderem anhand der seit über 25 Jahren währenden Zusammenarbeit zwischen Rem Koolhaas‘ Studio OMA und Prada. Auch zu sehen ist eine Skyline-Jacke, die Virgil Abloh nach dem Vorbild bekannter Hochhäuser schuf. Sie wurde ursprünglich während der Louis Vuitton Menswear-Präsentation für Herbst/Winter 2021/22 in einem von Mies van der Rohe inspirierten Setting gezeigt.

Als Kommentar zum Materialhunger der Branche verwendet die Szenografie des vierten Raums der Ausstellung Elemente vergangener Modenschauen, die vom darauf spezialisierten Unternehmen Spazio META in Mailand zur Verfügung gestellt wurden.

Bild: Installationsansicht «Catwalk. The Art of the Fashion Show», © Vitra Design Museum 2025 / 2026 - Foto: Bernhard Strauss

Bild: Installationsansicht «Catwalk. The Art of the Fashion Show», © Vitra Design Museum 2025 / 2026 – Foto: Bernhard Strauss

Dass die Modewelt nach der Pandemie schnell wieder zu aufwändigen Schauen mit Publikum zurückgekehrt ist, zeigt, wie wichtig die live erlebbare Inszenierung auch im digitalen Zeitalter bleibt. Obschon die Bilder neuer Schauen heute in Echtzeit um den Globus wandern, scheint die Modenschau ihre kulturelle Bedeutung vor allem aus dem echten Erlebnis mit all seinen Mythen, Riten und Codes zu beziehen – als künstlerisches Grossereignis und nicht zuletzt als Spiegel der Gesellschaft.

Begleitend zur Ausstellung erscheint ein reich bebilderter Katalog, der als A–Z der Modenschau konzipiert ist. Darin kommen Protagonist:innen wie das Model Małgosia Bela, Sound Supervisor Michel Gaubert oder Einkäufer Andreas Murkudis sowie Expertinnen wie Caroline Evans, Cathy Horyn und Valerie Steele zu Wort.

vdm

Kontakt:

https://www.design-museum.de/de/ausstellungen/aktuelle-ausstellungen.html

Bild: Installationsansicht «Catwalk. The Art of the Fashion Show», © Vitra Design Museum 2025 / 2026 - Foto: Bernhard Strauss

Bild: Installationsansicht «Catwalk. The Art of the Fashion Show», © Vitra Design Museum 2025 / 2026 – Foto: Bernhard Strauss

#Catwalk #TheArtoftheFashionShow #VitraDesignMuseum #CHcultura @CHculturaCH ∆cultura cultura+

  • Beitrags Information
  • Author
  • Daniel Leutenegger
  • 18. Oktober 2025
  • Bildende Kunst, Fotografie, Grafik, Architektur, Design, Für Körper, Geist und Seele, Museum, Ausstellung, Galerie, Politik und Gesellschaft, PR, Werbung, Marketing, Kommunikation

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